Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei einem Interview mit report-K am 5. Januar 2024 vor der Prinzenproklamation im Kölner Gürzenich.

Köln | Kurz vor Weihnachten machte Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einer Dringlichkeitsentscheidung die Planung einer Entlastungsveranstaltung auf dem Hohenstaufenring frei. Daran gab es Kritik. Report-K stellte 14 Fragen zum Feiern im Zülpicher Viertel.

report-K: Wie und warum kam es zu der Dringlichkeitsentscheidung vor Weihnachten 2023 und Freigabe der Mittel für die Konzeptionierung einer Veranstaltung an Weiberfastnacht 2024 auf dem Hohenstaufenring?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: In den letzten Sitzungen des Runden Tischs Karneval wurde ausführlich über die Ideen der drei Arbeitsgruppen zur Entlastung des Zülpicher Viertels gesprochen. Nach der Vorstellung dieser Ideen ist die Verwaltung intensiv in die Prüfung und Weiterentwicklung eingestiegen und hat mehrere Gespräche mit Interessenten geführt. Kurz vor Weihnachten wurden Pläne der Karnevalsgesellschaft „Die Grosse von 1823“ so konkret, dass auch die notwendigen Entscheidungen für eine Förderung noch 2023 getroffen werden mussten.

Warum fiel die Entscheidung auf die Karnevalsgesellschaft Die Grosse von 1823?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Es gab einige Interessenten, die jedoch ungern die Rolle des Veranstalters übernehmen wollten und damit die gesamte Verantwortung. Die Grosse von 1823 plant hingegen ganz konkret eine für jeden frei zugängliche, und damit kostenfreie, und offene Fläche auf dem Hohenstaufenring zwischen der Schaafenstraße und der Schaevenstraße. Um eine solche Veranstaltung durchführen zu können, bedarf es eines umfassenden Sicherheitskonzeptes, das ebenfalls mit dem bestehenden Sicherheitskonzept der Stadt Köln abgestimmt werden muss. Erst wenn alle Unterlagen vorliegen, kann die erforderliche Genehmigung geprüft werden.

Wie soll es nun weitergehen und wie die Akteure der Stadtgesellschaft und Politik eingebunden werden?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Nun müssen wir schauen, ob die Veranstaltung wirklich stattfindet und die Planungen genehmigungsfähig und umsetzbar sind. Natürlich werden wir weiterhin den Runden Tisch Karneval, die Politik, aber auch die Öffentlichkeit darüber informieren.

Ein Kritikpunkt, der auch von Seiten der SPD geäußert wird, ist die Fokussierung auf diese eine Lösung, obwohl es mehrere Ansätze gab und gibt?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Es gibt – auch öffentlich laut wahrnehmbare – Stimmen mit Vorschlägen, die aber schlicht am Ende nicht umsetzbar oder aus Sicherheitsgründen nicht genehmigungsfähig sind. Insofern trifft die Kritik gar nicht zu, denn letzten Endes gab es nur einen konkreten Plan, der mehr war als nur eine Idee.

Initiativen, die auch dem Runden Tisch Karneval angehören, sagen ihre Ideen werden nicht gehört. Können Sie diese Kritik nachempfinden?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Das ist mir zu einfach dargestellt. Ich habe ja gerade die komplexe Ausgangslage beschrieben. Wir haben alle Ansätze gehört und wie ich eingangs erläutert habe, auch weiterhin intensive Gespräche geführt. Ideen sind zunächst nur Ideen, deren Umsetzung erst im Detail überprüft werden können. Wenn man sich ehrlich macht, dann zielen viele Ideen darauf ab, dass am Ende die Stadt die Veranstaltungen organisieren soll. Das ist weder unsere Aufgabe noch unser Verständnis von Fastelovend.

Soll es neben dem Hohenstaufenring auch die Ausweichfläche auf der Uniwiese weitergeben?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Die wird es geben müssen, weil anders der Zustrom der jungen Menschen auf die Zülpicher Straße gar nicht abgefangen werden kann. Das wäre aus Sicherheitsgründen gar nicht anders zu verantworten.

Der BUND Köln fordert die Stadt auf, auf die Uniwiese zu verzichten und den Grüngürtel als Landschaftsschutzgebiet zu schützen. Ist Ihnen Naturschutz nicht wichtig?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Mir sind der Grüngürtel und der Naturschutz außerordentlich wichtig. Aus diesem Grund nehmen wir viel Geld in die Hand, um die Rasenfläche zu schützen. Die Sicherheit und der Schutz von Leib und Leben hat jedoch Priorität. Die Ausgleichsfläche ist ja nicht dort, weil wir sie alle toll finden, sondern weil eine Überlastung der Zülpicher Straße vorliegt und man die Feiernden unmittelbar dort auf dieser Fläche unterbringen kann.

Von Seiten des Cologne Pride wird an der Lösung Hohenstaufenring massive Kritik geäußert, vor allem vor dem Hintergrund, dass der Schutzraum Schaafenstraße für die queere Community gefährdet sei. Können Sie die Kritik verstehen?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ich habe sehr viel Verständnis dafür, dass man sich diesem Thema und der Situation widmen muss. „Die Grosse von 1823“ hat uns zugesagt, die Schaafenstraße bei der Entwicklung der Veranstaltung und vor allem im Sicherheitskonzept zu berücksichtigen. Wir werde uns dies genau anschauen.

Wie wollen Sie die queere Community schützen?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Das wird im Zuge des Sicherheitskonzepts des Veranstalters gewährleistet, welches in den nächsten Tagen finalisiert werden muss.

Von außen wirkt die Debatte in mehrfacher Hinsicht verfahren wie ein gordischer Knoten. Viele Akteure, viele Interessensgruppen von Gastronomen, Bürgerinitiativen bis organisierten Karneval, die an allen Enden ziehen, um ihre Interessen maximal durchzusetzen und den Knoten noch unlösbarer machen. Die Lösungen der Stadt wirken mit heißer Nadel gestrickt und wenig nachhaltig. Dazu ein vielstimmiger dissonanter Chor in der Öffentlichkeit. Wie kann man diesen gordischen Knoten entwirren oder ist das unmöglich?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Alle Leistungen, die die Stadt zu Karneval erbringt, und hierzu gehören im Wesentlichen die des Ordnungsamtes und der AWB, sind mit entsprechendem Vorlauf intensiv geplant, wägen verschiedene Szenarien ab und kommen keineswegs überraschend.

Nichtsdestotrotz können wir natürlich auch auf kurzfristige Entwicklungen reagieren, wie man am Beispiel der Entlastungsveranstaltung sieht.

Wenn alle auf ihren Maximalpositionen beharren, dann wird es überhaupt keine Lösungen geben, denn dafür fallen die Interessen zu weit auseinander. Aber die Stadt bringt sich intensiv und konstruktiv in diese Debatte ein und ich habe das Gefühl, es bewegt sich was. Klar ist, dieser Prozess wird Zeit in Anspruch nehmen und man kann positive Veränderungen nur in kleinen Schritten erreichen.

Blickt man ein wenig unemotionaler auf die Debatte und Lage, dann dreht es sich eigentlich um zwei Tage: Weiberfastnacht und Elfter im Elften, vor allem wenn dieser auf ein Wochenende fällt. Alle anderen Tage fallen nicht so stark ins Gewicht. Nun gab es schon einmal entlastende Formate wie das Kölschfest, das aktuell nicht stattfinden kann.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Das ist eine theoretische Debatte, denn für viele Kölnerinnen und Kölner ist der Karneval mit tiefen Emotionen und Gefühlen verbunden. Die aktuelle Entwicklung berührt die Grundfeste dessen, wie wir zusammen Fastelovend feiern und da stoßen sehr unterschiedliche Ansätze aufeinander. Im Zülpicher Viertel wird auch Karneval gefeiert, auch wenn manchem das nicht gefallen mag und es anders abläuft als auf dem Heumarkt oder in mancher Karnevalskneipe. Wenn man das akzeptiert, dann öffnet man sich schon einmal für einen neuen Blickwinkel.

Eine Erkenntnis aus dem Elften im Elften 2023 ist doch eigentlich, dass sich die Feiernden gut lenken ließen. Eine Erkenntnis, die auch das Kölschfest schon bewies. Etwas, was in der Debatte zuvor immer als eher unmöglich beschrieben wurde. Könnte dies nicht der Schlüssel sein über andere Feierorte nachzudenken, die aus diesen Gründen immer ausgeschlossen wurden und die die Kapazität haben vor allem die Feiernden an diesen beiden neuralgischen Tagen aufzunehmen, wenn die meisten Touristen nach Köln kommen?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ich fürchte, so einfach wird das nicht gehen. Es sind auch bei weitem nicht nur Touristen, die dann in unserer Stadt feiern. Die Menschen im Zülpicher Viertel gehen dahin, weil es für eine ganze Generation Kult ist. Das ist der place to be an Karneval, auch wenn dort auf der Zülpicher Straße gar nichts stattfindet. Dort treffen die Jugendlichen ihre Freunde, hören zusammen im Freien Musik, singen, tanzen und lacht miteinander. Eine organisierte Feier mit hohem Eintritt ist da nicht unbedingt eine Alternative.

Muss die Stadt und die Stadtpolitik nicht einen völlig neuen Weg gehen und diesen zunächst definieren, um eine nachhaltige Lösung zu entwickeln? Die bisherige Strategie, obwohl sie ja intensiv auf Partizipation setzt und das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen scheint ja nicht zum gewünschten Erfolg zu führen.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ob sich der Karneval so einfach am grünen Tisch definieren und organisieren lässt, wage ich zu bezweifeln. Als Oberbürgermeisterin ist es meine Aufgabe, die verschiedenen Interessen zu hören und mit möglichst vielen nach guten Lösungen zu suchen. An allen Lösungsvorschlägen der Arbeitsgruppen des Runden Tisches wurde und wird gearbeitet. Die Umsetzung obliegt aber nicht alleine der Stadt. Auch für die Umsetzung bedarf es einer intensiven Partizipation.

Werden die Kommunalpolitiker im Rat hier ihrer Rolle gerecht, oder müssten diese proaktiver an einer Lösung mitarbeiten?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: Ich bin nicht die Punktrichterin für die Politik. Wie man an der aktuellen Diskussion sieht, beteiligt sich daran auch eine große Zahl politisch Verantwortlicher.

Die Fragen stellte Andi Goral