Köln | Am 1. September 1939, nahm der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall Polens durch die deutschen Wehrmacht seinen Anfang. Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln (NS-DOK) und das Generalkonsulat der Republik Polen in Köln haben es sich in einer Kooperation zur Aufgabe gemacht, mit einer zehnwöchige Veranstaltungsreihe vom 1. September bis 16. November 2014 diesen Tag aus verschiedenen Blickwinkeln und unter unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zu beleuchten.

Nur 25 Jahre nach Beendigung des Ersten Weltkriegs sollte die Welt erneut in einen globalen Krieg gestürzt werden. Dabei sind beide Phänomene vielfach miteinander verzahnt, der Zweite ohne den Ersten Weltkrieg nicht denkbar. Bei vielen Zeitgenossen wirkten die Erlebnisse der Jahre 1914 bis 1918 noch nach, als die deutsche Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel. Entsprechend ausgeprägt waren bei den Älteren die damit verbundenen Ängste. Aber trotz fehlender Begeisterung legte nahezu die gesamte deutsche Bevölkerung eine „widerwillige Loyalität“ an den Tag, tat ihre Pflicht und bejubelte schließlich die Siege der Jahre 1939/40 sowie die damit vollzogene Revision des Versailler Vertrags.

Auf der anderen Seite sah sich Polen, das durch eben diesen Vertrag seine Ende des 18. Jahrhunderts vollzogene Teilung endlich überwunden und die nationale Souveränität zurückerlangt hatte, nach nur 20 Jahren mit seiner erneuten Zerschlagung und der Besetzung durch deutsche und sowjetische Truppen konfrontiert.

Ziel: „kommunikatives Miteinander“

Ein „kommunkatives Miteinander“ soll es ermöglichen, Sichtweisen beider Seiten gleichberechtigt zum Ausdruck zu bringen, um so – wie der polnische Generalkonsul es ausdrückt – die gemeinsame „historische Pflicht“ zu erfüllen.

Der Bogen ist entsprechend weit gespannt: So soll ein Vortrag am 30. September nicht nur die damaligen Stimmungslagen darstellen, sondern auch intensiv der Frage auf den Grund gehen, wie die deutsche Seite den Weg in den Krieg propagandistisch und medial vorbereitete.

Ein weitere Vortrag fragt nach dem Umgang mit dem Krieg in der polnischen und deutschen Erinnerungskultur der Nachkriegsjahrzehnte, während der Zeitzeuge und spätere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski am 25. September über das Thema „Polen und Deutschland – damals wie heute“ referiert und diskutiert.

Unterschiedliche Formate – unterschiedliche Blinkwinkel

Weitere Vorträge, Lesungen, Gespräche, Führungen, Präsentationen und Filmvorführungen beschäftigen sich mit ganz unterschiedlichen Phänomenen. Dabei verspricht der Wechsel zwischen lokal-regionalem Fokus und allgemeingeschichtlicher Perspektive ebenso interessante Einblicke und Erkenntnisse wie der stete Versuch, in den Veranstaltungen sowohl polnische als auch deutsche Sichtweisen einfließen zu lassen.

So sorgte etwa ein Kölner Polizeibataillon im besetzten Polen für Angst und Schrecken, während anschließend nach dort versetzte rheinische Juristen – natürlich deutsches – „Recht“ sprechen sollten. Zur gleichen Zeit wurden als „rassisch wertvoll“ klassifizierte polnische Kinder ihren Müttern ohne jegliche rechtliche Grundlage entrissen, damit sie von ausgesuchten „arischen“ deutschen Eltern adoptiert werden konnten. Darum geht es in der Veranstaltung am 13. November. Alojzy Twardecki spricht in dem Vortrag „geraubte Kindheit“ über sein Schicksal. Er wurde von der SS als Dreijähriger seinen Eltern in Posen entrissen und kam zu einer regimetreuen Familie nach Koblenz. Twardecki, blond und blauäugig, sollte damit gemäß der NS-Rassenideologie den „erbgesunden Nachwuchs“ im Reich sicherstellen.

Den Abschluss der zehnwöchigen Veranstaltungsreihe bildet eine Stadtrundfahrt zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte: Der Ghettoisierung, Deportation und dem Völkermord an der jüdischen Bevölkerung Europas, ausgehend vom Deutschen Reich. Auch tausende jüdische Kölnerinnen und Kölnern ereilte dieses Schicksal. Die etwa dreistündige Bustour am 16. November führt an prägnanten Orten der Verfolgungsjahre 1939 bis 1945 vorbei und beinhaltet den Besuch auf dem jüdischen Friedhof in Bocklemünd.

Zu der Veranstaltungsreihe „Kriegsbeginn 1939“ ist ein Programmheft mit sämtlichen Termine der Verstaltungsreihe erschienen.

Autor: dd
Foto: Ausschnitt aus dem Cover des Programmheftes zur Veranstaltungsreihe.