Köln | „Pfadfinder-Treffen sind der einzige Ort, an dem wirklich so sein kann, wie man will und wie man ist“, antwortet Stefan Braunecker, während unweit französische Pfadfinder sich mit einem Wasserschlauch lautstark erfrischen und ihre Kollegen aus England das trockene Wetter zum Gummistiefel-Weitwurf nutzen.

Glücksknoten aus Hongkong

Beim großen internationalen Mi-Mundo Zeltlager der St.-Georg-Pfadfinder am Poller Rheinufer ist Braunecker als Arzt im Einsatz. „Es gibt aber nur kleine Sachen wie Mückenstiche oder Leute die umgeknickt sind“, berichtet der Anästhesist der Uniklinik. Über ein Freund ist er als Jugendlicher zu den Pfadfindern gekommen und ihnen bis heute treu geblieben. Einige Meter weiter zeigen Pfadfinder aus Hongkong, wie man chinesische Glücksknoten knüpft. „In Hongkong gibt es sehr viele Stämme, in China leider keine“, sagt Francis, der sieben Landsleute an den Rhein mitgebracht hat. „Bei uns herrscht immer noch britische Disziplin. Das gilt für die Uniformen genauso wie für blank polierte Schuhe. Da sind die Deutschen deutlich lockerer“, freut sich der Hongkong-Chinese.

Ausrichter des Zeltlages mit 650 Teilnehmern aus zwölf Nationen ist die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg der Diozöse Köln, die von Düsseldorf bis zum Siebengebirge reicht und zu der 100 Stämme gehören, wie die Ortsverbände heißen. „Wir führen seit zwei Jahre eine Kampagne durch, die Internationalität zum Thema hat. Das Zeltlager ist ein Teil davon“, sagt Anna Klüsener. Dazu gehören Workshops genauso wie Exkursionen zum Kölner Dom, zum Nationalpark Eifel oder zur UN nach Bonn. „Das ist keine reine Spaßveranstaltung. Uns sind Inhalte wichtig. Dazu gehören Themen wie Demokratie genauso Spiritualität oder Kultur“,  erläutert Klüsener.

Der Glaube spielt eine wichtige Rolle bei den katholischen Pfadfindern der Diözese Köln. Man legt aber Wert auf Toleranz und Austausch. Das zeigen beispielsweise das Gebet der Völker am Freitag oder das rote Jurtenzelt mit einer Ausstellung zu den drei großen Glaubensrichtungen. „Wir haben hier im Lager Menschen mit verschiedenen Religionen und wollen, dass alle ihren Platz finden und sich wohlfühlen.“ Zu den Gästen in Köln zählt auch eine Pfadfinder-Gruppe aus Uganda. „Es ist wichtig für uns, hier unsere Kultur zu zeigen. Unsere Flagge, die wir als Halstuch tragen, ist auch der Stolz auf die Unabhängigkeit unseres Landes, sagt Rolands Roldan Tibiruskya, der sich selbst als Artivist bezeichnet. Auf einem großen Gemälde hat er das festgehalten, was für ihn den Sinn und das Wesen des Treffens ausmacht. „Pfadfinder zu sein, ist Leidenschaft und Sinn für die Gemeinschaft“, erklärt der Künstler.

Bei den deutschen Pfadfinder liegt die Idee des Gründers Robert Baden-Powell  immer noch im Trend. „Wir kennen keine Nachwuchsprobleme. Es entstehen immer wieder neue Stämme“, sagt Klüsener. Einer der jungen deutschen Pfadfinder ist Jakob Hippe aus Erftstadt. „Es macht Spaß, hier zu sein und andere Leute kennenzulernen. Viele meiner Freunde sind Pfadfinder“, sagt der 16-Jährige, der als Wölfling im Kindesalter seine Pfadfinder-Karriere begonnen hat. Gut gefällt es ihm, draußen zu leben und Dinge selbst zu bauen.

Ähnlich begeistert sind auch Júnía, Marta und Alma aus Island: „Hier im Camp zu sein, bedeutet für uns Freiheit. Alles ist toll organisiert und die Lage mit den vielen Bäumen ist wunderschön“, sagt Marta. Nur das hohe Gras bei den Schlafzelten stört die Isländerin neben der großen Hitze etwas. Unterteilt ist das Lager, in dem Pfadfinder zwischen sieben und 21 Jahren mit ihren Leitern leben, in sechs Untercamps, die kölsche Namen tragen wie Dom, Heinzelmännchen oder Hohenzollernbrücke. Das Treffen geht noch bis zum Wochenende. 

Autor: Stephan Eppinger