Köln | Es war der vorab beschworene Großkampftag für Köln, für seine Polizei und seine Bürger. Während sich Polizeipräsident Uwe Jacob bei den Kölnerinnen und Kölner und den vielen Einsatzkräften bedankte, schlug auch der türkische Staatspräsident in seiner Rede in Köln versöhnliche Töne an. Das vorab befürchtete Chaos blieb aus.

Nach Polizeiangaben sollen sich rund 20.000 Personen rund um die Moschee in Köln-Ehrenfeld aufgehalten haben. Der Eindruck der Redaktion war, es waren deutlich weniger. Dennoch waren sie wohl gegenüber ihren Gegnern in der Überzahl. Und sie versuchten doch, irgendwie zu ihrem Präsidenten, wenigestens in die Nähe zu kommen, trotz der vorher verbreiteten Aufrufe von Stadt und Ditib. Denn nur, wer zum erlesenen Kreis der 500 Eingeladenen gehörte, dürfte dabei sein und Erdogan zu Gesicht bekommen. Gegen 15:30 Uhr, später als zunächst geplant, war der türkische Staatspräsident mit einer riesigen Wagenkolonne auf der Inneren Kanalstraße angekommen und durch einen Seiteneingang in die Moschee gelangt.

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Bereits Stunden zuvor hatten sich seine Anhänger, gewandt in türkische Nationalflaggen und Stirnbänder, die seinen Namen trugen, vor den Absperrungen rund um die Moschee versammelt. Doch auch Versuche, über die Seitenstraßen in die Nähe ihres Idols zu gelangen, scheiterten an der massiven Polizeipräsenz rund um den Sicherheitsbereich. Ein Auftritt, wie Erdogan ihn in früheren Jahren hatte, als er vor Tausenden seiner Landsleute sprach, war der heutige nicht. Es erinnerte eher an eine geschlossene Gesellschaft.

Denn im Vorfeld hatte der Veranstalter, die Türkisch-Islamische Union Ditib, gleich zwei Sicherheitskonzepte vorgelegt, die jeweils abgelehnt wurden, das letzte am Freitagabend. Und so wurde es nichts mit einer Jubelfeier im Sicherheitsbereich. Der hätte rund 5.000 Anhängern die Möglichkeit gegeben, ihrem Staatschef ein wenig näher zu kommen, ihn vielleicht sogar zu sehen.

In ihrer abendlichen Pressemeldung zum Großeinsatz nannte die Sicherheitsbehörde nur wenige Zwischenfälle. Die betrafen sowohl Einzelpersonen, wie auch türkische Sicherheitskräfte. Letztere wollten wohl eine Flatterbandabsperrung entlang der Inneren Kanalstraße einziehen, was die deutschen Polizeibeamten allerdings verhinderten. Ebenso konsequent gingen sie dazwischen, wenn sich Kontrahenten allzu heftig provozierten. Ohne Nennung konkreter Zahlen sprach die Polizei von Einzelfällen. Nur im Bereich des Inneren Grüngürtels an der Venloer Straße gab es heftige Wortgefechte zwischen Anhängern und vorwiegend deutschen Gegnern (am Hans-Böckler-Platz fand eine kleinere Gegenkundgebung statt). Auch hier trennte die Polizei mit viel Personal die Kontrahenten.

Kurden und Linke demonstrieren am rechten Rheinufer

Aus technischen Gründen begann die eigentliche Demo mit Verspätung. Mehrere Hundert Gegner Erdogans hatten sich in Deutz eingefunden.

Bei zwei angemeldeten Gegendemonstrationen kamen indes deutlich weniger Teilnehmer. So versammelten sich am rechten Rheinufer auf der Deutzer Werft mehrere Hundert, vielleicht etwas mehr als 1.000 Personen (angemeldet war die Demo mit 5.000), vorwiegend aus dem kurdischen und linken Milieu, um den Staatsgast und die deutschen Regierungsverantwortlichen zu kritisieren. So bezeichneten die Redner und Rednerinnen auf der behelfsmäßigen Bühne den türkischen Machthaber immer wieder als „Faschisten“.

Vor der Treppe zum Eingang hatten die Organisatoren zahlreiche Flugblätter, Transparente und Karikaturen aufgereiht, die sich zu einem Mosaik der Kritik am Regierungsstil des türkischen Staatspräsidenten zusammenreihten. Auch die deutsche Regierung stand in den Redebeiträgen in der Kritik. Nicht nur die nach Meinung der Initiatoren „erpressbaren Politik“ und den hohen Ehren, die man dem Staatsgast zuteil werden ließ. Auch die Waffenlieferungen an die Türkei und die Gegner der Kurden waren ein Thema.

Neben kurdischen Organisationen waren auch Fahnen der Linken und der Grünen zu sehen. Versammlungsleiter war Rainer Schmidt, der in Köln bereits zahlreiche Demonstrationen angemeldet und durchgeführt hat. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln, mit der Demo durch die Kölner Innenstadt zu marschieren, war jedoch von den Richtern am gestrigen Freitag zurückgewiesen worden (report-k.de berichtete).

Knapp 1.000 Teilnehmer auch auf dem Ebertplatz

Viel Kritik und Protest auch auf dem Ebertplatz. Hier hatte die Alevitische Gemeinde zur Gegendemo aufgerufen.

Hierhin hatte die Alevitische Union Europas (AABK) zum Protest gegen Erdogan aufgerufen. Doch auch hier kamen statt der angemeldeten 3.000 deutlich weniger. Das führte Aziz Aslandemir, stellvertretender Bundesvorsitzender der Alevitischen Gemeinde Deutschlands unter anderem auf die Bedrohungen und den langen Arm des türkischen Staatspräsidenten Erdogan zurück. Als Angehörige einer religiösen Minderheit in der Türkei, die jedoch von der Regierung nicht als solche anerkannt wird, sehen sich auch die Aleviten in ihrer Heimat unterdrückt und verfolgt.

Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken, bezeichnete den Erdogan-Besuch als vierfache Provokation. Als erstes nannte sie dessen Forderung beim Besuch in Berlin nach Auslieferung von 69 Journalisten, die in der Türkei wegen Terror-Unterstützung verurteilt wurden. Dann das Abführen eines türkischen Journalisten, der bei der Bundespressekonferenz ein T-Shirt getragen hatte, auf dem die Freilassung seiner türkischen Kollegen gefordert wurde und der deshalb abgeführt wurde.

Als dritten Grund nannte sie Erdogans Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an, in der er von der Bundesregierung mehr Einsatz gegen Rechtsextremismus und Rassismus forderte. „Die scheinheilige Parole eines Alleinherrschers, der in seinem Land einen Krieg gegen Minderheiten führt“, so die Politikerin. Schließlich führte sie die Eröffnung der Moschee durch Erdogan und das Verhalten der Ditib an. Diese sei ein Vorposten der türkischen Regierung und mache Stimmung gegen Andersdenkende.

Kritik übte sie auch an Merkels jüngste Zusicherung eines Technologietransfers in die Türkei. „Diese bedeutet nichts anderes als den Bau einer Panzerfabrik in der Türkei.“ Alle Versprechen vor der letzten Bundestagswahl, das Verhältnis zur Türkei neu zu regeln oder den Waffenexport zu stoppen, seien nichts anderes als Wahlkampfgetöse gewesen.

Treffen mit Armin Laschet fand doch statt

Noch im Flughafenbereich hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet den türkischen Staatspräsidenten zum Gespräch getroffen. Tags zuvor musste das Treffen, das aus protokollarischen Gründen notwendig ist, ebenfalls verlegt werden. Das Schloss Wahn, das von der Kölner Universität genutzt wird, stand dafür nicht zur Verfügung, hieß es in späten Meldungen. Nach Aussage der NRW-Staatskanzlei soll Laschet Erdogan noch einmal an die Grundrechte erinnert haben, die für ein auskömmliches Miteinander beider Staaten auch in der Türkei zu gelten haben.

Am Ende war es eine geschlossene Veranstaltung vor rund 500 geladenen Gästen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatten bereits im Vorfeld ihre Teilnahme abgesagt.

Ob es diese Ansprache war, die Erdogan dazu bewog, auf weitere verbale Provokationen in seiner Rede zu verzichten, bleibt offen. Vielleicht war es dann doch eher der Tatsache geschuldet, dass zumindest die Verantwortlichen von NRW und Köln sie wegen ihrer Abwesenheit nicht vernehmen konnten. Eine gewisse Symbolik hatte die Ankunft des Staatsgastes aber doch. Bevor Erdogan sich dem Seiteneingang näherte, hatte ein Polizeipferd einer Reiterstaffel fleißig auf die Straße geäpfelt. Statt die Hinterlassenschaft mit einer Schaufel zu beseitigen, wurde sie fleißig mit Besen zu einer braunen Fläche ausgebreitet. So wurde aus dem roten Teppich ein brauner.

Autor: rk / ehu
Foto: Ein Bild mit Symbolkraft. Mehrere Tausend Erdogan-Anhänger versuchten den ganzen Tag, ein Bild ihres Staatspräsidenten zu erhaschen, vergebens.