Köln | aktualisiert | Am Dienstag, 4. Juni löste die Kölner Polizei am Kölner Hauptbahnhof gegen 11:20 Uhr Großalarm aus und nahm 10 Personen vorübergehend fest. Dies führte zu heftiger Kritik am Vorgehen und an der Kommunikation während und nach dem Einsatz. Denn an diesem Tag feierten Muslime auf der ganzen Welt „Zuckerfest“. Der Vorwurf des Rassismus stand und steht im Raum. Diesen weist die Kölner Polizei weit von sich. Wie die Polizei jetzt auf report-K Recherche zugibt, gab es lediglich einen einzigen Notruf und die Beamten beobachteten auf den 25 Live-Kameras rund um den Kölner Hauptbahnhof lediglich 4 Männer auf der Domtreppe und dem Bahnhofsvorplatz.

Die Kölner Polizei erhielt einen einzigen Anruf. Dieser Anrufer sei der Kölner Polizei namentlich bekannt. Mit diesem Mann haben, so die Kölner Polizei, die Beamten nach dem Vorfall gesprochen. Ein Begleiter des Mannes, der nach Angaben des Anrufers die „Allahu Akbar“-Rufe auch gehört haben soll, sei nicht mehr vor Ort gewesen.

Die Kölner Polizei überwacht in ihrer Leitstelle auf 25 Videokameras mit Livebildern das Bahnhofsumfeld. Dazu kommen 200 Kameras, mit denen die Bundespolizei im und um den Bahnhof das Geschehen kontrolliert. Polizisten, die mit eigenen Augen und Ohren das Geschehen hätten wahrnehmen können, waren zum Zeitpunkt des Geschehens nicht auf dem Bahnhofsvorplatz, so die Kölner Polizei.

Was ist auf den Live- und jetzt Archivbildern zu sehen und zu hören?

Die Polizei sagt auf den Bildern wurden vier der später vorübergehend festgenommenen Personen erfasst: an der Domtreppe und auf dem Bahnhofsvorplatz. Zudem sei auf diesen Bildern zu sehen, dass sich Passanten und der Anrufer, kurz bevor dieser die Leitstelle informierte, zu den vier Personen umdrehen. Eine Tonaufnahme existiert nicht. Die Identität der Personen, die sich umdrehten, sei aber nicht bekannt, da diese nicht mehr vor Ort gewesen seien. Diese Passanten scheinen aber den vier Personen und deren Verhalten kein so großes Interesse beigemessen zu haben, dass sie bei der Polizei anriefen. Der Anrufer gab an, dass er zwei „Allahu Akbar“-Rufe wahrgenommen habe. Die Polizei verweist auf einen Medienbericht in dem eine weitere Person berichtet, den Ausruf in der beschriebenen Situation, auch gehört zu haben. Allerdings kennt die Polizei weder den Namen, noch weiß sie, wie die Aussage zustande kam.

Was die Polizei daraus gemacht hat

Festzustellen ist, dass die Kölner Polizei, permanent auf ihren Livebildern in der Leitstelle einen Überblick hatte, was auf dem Bahnhofsvorplatz passiert und wie die vier Männer, die sie selbst dort erkannt hat, handeln. In ihrer Pressemitteilung spricht die Kölner Polizei von zehn Männern im Alter von 18 bis 28 Jahren, die sie vorübergehend festnahm. Auf die Zahl der zehn Männer kommt die Polizei wie sie in ihrer ersten Pressemitteilung darstellt, weil auf diese die Beschreibung des Zeugen, also des Anrufers, zutraf. In dieser Pressemitteilung schreibt die Polizei zudem „nachdem diese laut Zeugenaussagen kurz zuvor auf dem Vorplatz „Allahu Akbar“ gerufen haben sollen“. Die Polizei kann aber nur einen einzigen Zeugen, den Anrufer, benennen. Wie kommt sie dazu von „Zeugenaussagen“ zu sprechen?

Obwohl es nur einen einzigen Anruf gab, nahm dies die Polizei zum Anlass, drei Männer in der Bahnhofshalle zu Boden zu bringen und zu fixieren. Diese Bilder sind bekannt. Zur Rechtfertigung des Handelns formuliert Polizeipräsident Uwe Jakob in Kenntnis der Videoaufzeichnungen und dem Verhalten der anderen Passanten: „Mit Blick auf den Inhalt des Notrufs, der bei uns eingegangen ist, wäre ein ‚kurzes persönliches Gespräch‘ mit den benannten Männern, wie es jetzt als Möglichkeit in der Öffentlichkeit dargestellt wird, absolut ungeeignet gewesen.“ Wenn die Situation aber so dramatisch war, warum rief dann nur dieser eine Anrufer an und nicht die Passanten, die die Polizei ja auf ihren Livebildern im Blick hatte? Und noch eine schriftliche Aussage des Polizeipräsidenten Uwe Jakob irritiert vor dem jetzt bekannt gewordenen Hintergrund: „Deshalb reagieren wir mit der erforderlichen Konsequenz auf Situationen, die Menschen Angst machen und den Anschein erwecken, dass erhebliche Gefahren drohen.“ Jakob spricht hier von „Menschen“ in der Mehrzahl. Es war aber nur ein Anrufer. Die anderen Passanten haben sich umgedreht und nicht die Polizei informiert, wie seine Beamten ja live auf ihren Überwachungsmonitoren, beobachtet haben und Jakob sich in den Videoaufzeichnungen ansehen konnte, sondern sind einfach weitergegangen.

Wie die „Kölnische Rundschau“ berichtete, sollen die Männer bei ihrer Vernehmung erkennungsdienstlich behandelt worden sein und dort angegeben haben, dass sie sich über die Anzahl der Ausrufe des Imam bei der Predigt zum Zuckerfest unterhielten. Die „Bild“ berichtet, dass die Männer ausgesagt hätten, dass nur das Wort „Allah“ gefallen sei, nicht aber „Allahu Akbar“. Festzustellen ist, dass der Polizeieinsatz, die vorübergehenden Festnahmen, erkennungsdienstlichen Maßnahmen und Vernehmungen sowie die Kommunikation im Nachgang an das Geschehen in die Öffentlichkeit auf der Aussage und dem Anruf eines einzigen Mannes beruht, dessen Glaubhaftig- und Glaubwürdigkeit nicht geprüft werden kann und die Polizei die ganze Zeit das Geschehen im Livebild verfolgte.

[infobox]Die bisherige Berichterstattung zu den Vorgängen am Kölner Hauptbahnhof bei report-K

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Linke will im Polizeibeirat über Vorfall am Hauptbahnhof sprechen

Rassismusvorwurf: Hat die Kölner Polizei wirklich alles richtig gemacht?

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Autor: Andi Goral