Köln | Der 15. Zivilsenat des Kölner Oberlandesgerichts hat am heutigen Donnerstag ein Urteil in der Auseinandersetzung zwischen der früheren AfD-Spitzenkandidatin Frauke Petry und der Kölner Journalistenschule gesprochen. In der Sache gibt es nichts Neues.

So wiesen die Kölner Richter in ihrem Urteilsspruch die Berufungen beider Streitparteien zurück. Der Anlass liegt bereits einige Zeit zurück. Im zweiten Halbjahr 2016 startete die Journalistenschule das Projekt „Faktenzoom“, in dem öffentliche Äußerungen verschiedener Politikerinnen und Politiker in Talkshows auf einer vierteiligen Bewertungsskala eingestuft wurden. Petry lag bei 38 analysierten Äußerungen mit zehn als „falsch“ bewerteten Aussagen am Ende der Rangliste.

Allerdings hatten die Journalistenschüler in zwei dieser zehn Fälle Aussagen der Politikerin zu Unrecht als „falsch“ bewertet, weil die Klägerin (Frauke Petry) sie so nicht getätigt hatte. Petry hatte in einem Ende 2016 entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung einzelner Bewertungen und der Gesamtbewertung geklagt und zumindest in zwei Fällen Recht bekommen. Im nun folgenden Hauptsacheverfahren stritten die Parteien im Wesentlichen erneut über die Unterlassung der beiden Bewertungen sowie über die Frage, ob und wie die Journalistenschule die Öffentlichkeit über die gerichtlichen Entscheidungen zu informieren habe.

Mit heute verkündetem Urteil hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln bestätigt. Danach sind die beiden Bewertungen auch künftig zu unterlassen, jedoch besteht kein Anspruch der Klägerin auf Veröffentlichung der gerichtlichen Entscheidungen durch die Journalistenschule.

Urteilsbegründung en detail

Im Einzelnen hat der Senat entschieden, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Veröffentlichung eines Unterlassungsurteils bestehen könne, dass aber im vorliegenden Fall bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht von einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung der Klägerin ausgegangen werden könne. Das Projekt „Faktenzoom“ mit den unzulässigen beiden Bewertungen sei nicht weiter veröffentlicht worden. Die Presseberichte über den negativen Spitzenplatz der Klägerin seien älteren Datums und/oder enthielten Hinweise auf die juristischen Auseinandersetzungen um das Portal.

Darüber hinaus sei die öffentliche Meinung über die Klägerin maßgeblich durch deren Verhalten im Bundestagswahlkampf 2017 geprägt worden. Die Klägerin sei, nachdem sie den Bundestagswahlkampf als Spitzenkandidatin der AfD bestritten habe und für diese Partei in den Bundestag eingezogen sei, bereits am nächsten Tag aus der Fraktion und kurz darauf auch aus der Partei ausgetreten. Ein größerer Glaubwürdigkeitsverlust im Hinblick auf ihre Aussagen vor der Wahl – und damit im weitesten Sinne auch im Hinblick auf ihr Verhältniszur „Wahrheit“ – sei aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten kaum denkbar. Demgegenüber spiele das Projekt der Journalistenschule, sofern es aktuell überhaupt noch in der öffentlichen Wahrnehmung verankert sei, keine maßgebliche Rolle mehr.

Zwei Bewertungen bleiben untersagt

Die bereits im einstweiligen Rechtsschutz untersagten Bewertungen bleiben auch nach dem Ergebnis des Hauptsacheverfahrens unzulässig. Die Bewertungen legten Äußerungen der Klägerin zu Grunde, die diese so nicht getätigt hatte. Das betrifft zum einen die von den Studenten als „falsch“ bewertete Aussage „Die SPD fordert eine Obergrenze für Flüchtlinge“. Tatsächlich hatte die Klägerin in der in Bezug genommenen Sendung „Maischberger“ vom 27.01.2016 gesagt: „Die Obergrenze wird aus der SPD gefordert“, wobei unstreitig zum damaligen Zeitpunkt mindestens ein SPD – Politiker eine solche Forderung aufgestellt hatte. Während die der Bewertung zu Grunde gelegte Äußerung den Eindruck erweckte, die Forderung nach einer Obergrenze entspreche der „Parteilinie“ der SPD, sei dies der tatsächlichen Äußerung der Klägerin auch nach dem Gesamtkontext der damaligen Sendung nicht zu entnehmen gewesen.

Zum anderen hätten die Studenten aus der Aussage der Klägerin: „Aus der Türkei können immer noch Asylanträge in Deutschland gestellt werden“ einen unzutreffenden Tatsachenkern extrahiert und der Bewertung als „falsch“ zugrunde gelegt. Die Klägerin habe in der Talkshow „Maybritt Illner“ vom 13.03.2016 im Zusammenhang mit einer Diskussion über die Visafreiheit der Türkei erkennbar darauf abgestellt, dass es aus ihrer Sicht absurd wäre, Angehörigen eines Staates Visafreiheit zu gewähren, wenn ein Teil der Staatsangehörigen dieses Staates Anträge auf Asyl stellen würden. Demgegenüber hätten die Studenten unzutreffender Weise bei ihrer Bewertung als „falsch“ isoliert zu Grunde gelegt, von welchem Ort aus – Türkei oder Deutschland – türkische Staatsbürger Asyl beantragen können. Da die beiden Bewertungen auch zukünftig zu unterlassen seien, sei auch die Berechnung der bisherigen Gesamtbewertung mit den entsprechenden prozentualen Angaben von „Falschaussagen“ zu unterlassen.

Ob und wie das Projekt „Faktenzoom“ künftig fortgeführt werde, falle in die Meinungs- und Pressefreiheit der Journalistenschule. Es obliege insbesondere nicht den Gerichten, darüber zu entscheiden, welche Aussagen einzelner Politiker in die Bewertungen durch das Projekt einbezogen werden könnten bzw. müssten. Der OLG-Senat hat eine Revision gegen dieses Urteil nicht zugelassen.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 19.04.2018 trägt das Aktenzeichen: 15 U 135/17.

Das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Mai 2017 trägt das Aktenzeichen: 28 O 37/17.

Autor: bfl
Foto: Das OLG hat in zweiter Instanz ein Urteils des Kölner Landgerichts bestätigt. Es geht um die Presse- und Meinungsfreiheit.