Köln | Wie sähe die Welt heute aus, wenn es damals anders gelaufen wäre? „Die Räuber der Geschichte“ spielt dies im Verhältnis Europas zur arabisch-islamischen Welt für die Zeit ab 1914 nach. Ein Abend im Freien Werkstatt-Theater, der viel verspricht – aber über zwei Stunden doch nur enttäuscht.

Regisseur Sebastian Blasius hat für „Die Räuber der Geschichte“ vier Experten angeschrieben: den Politologen Asiem El Difraoui, die Soziologin Huda Zein und die freien Journalisten Behrang Samsami und Gerrit Wustmann. In ihren Texten – jeweils etwa acht DIN A 4 Seiten lang (so eine Einblendung) – drehten sie die Geschichte um und stellten so die heutigen Machtverhältnisse in Frage.

1914-1918: Europas Staaten kämpfen arabische Interessen aus

Da wird etwa der Erste Weltkrieg als Stellvertreterkrieg islamischer Großmächte – allen voran das Osmanische Reich – auf europäischen Boden skizziert. In dessen Folge kamen zahlreiche (christliche) Kulturgüter als Beutekunst in die islamische Welt.  Oder es wird die Vision einer dank Toleranz erfolgreichen Missionierung des christlichen Abendlandes durch den Islam entwickelt.  
Und was, wenn nicht USA und Sowjetunion Hitler-Deutschland besiegt hätten, sondern das osmanische Reich? Eine der Folgen: In den Jahren danach gingen Deutsche als Gastarbeiter in die Türkei. Oder was, wenn tatsächlich eine Gruppe arabischer „Rationalisten“ sich erfolgreich gegen die willkürliche Aufteilung des Nahen Ostens zwischen Frankreich und Großbritannien im geheimen Sykes-Picot Abkommen von 1916 gewehrt hätte?

Provokante Ideen versanden in einschläfernden Vorträgen

Vielleicht nicht die originellsten Ideen, aber provokant und vielversprechend genug, um mit ihnen die aktuellen Beziehungen zwischen den beiden „Blöcken“ zu hinterfragen und den „Dialog auf Augenhöhe“ anzumahnen. Die eine oder andere hätte sich sicher auch theatralisch in eine verblüffende Handlung umsetzen lassen.
Stattdessen steht eine einsame Anne Tismer hinter einem Pult auf der Bühne und doziert die fakten- und zahlenreichen Texte. Zwar darf sie mal mit französischem, mal mit slawischem Akzent sprechen, die Augen rollen und gewichtige Pausen machen. Doch das Ergebnis ist ermüdend und überschreitet auf Dauer die Grenze zur Langweiligkeit: Dauervorlesung statt Theater.
Da helfen dem Publikum auch eine Quasi-Pause, sinnfreie Videos und die fünf Statistinnen nicht, die an den Bühnenrändern sitzen und wohl ein „Auditorium“ verkörpern sollen. Falls sie sich nicht auf den Boden legen dürfen.

[infobox]„Die Räuber der Geschichte“ – die nächsten Vorstellungen: 10. bis 12. April, jeweils 20 Uhr, Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln, www.fwt-koeln.de, Karten: Tel. 02 21 / 32 78 17, E-Mail: fwt-koeln@t-online.de

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Autor: ehu | Foto: Therese Schuleit / FWT
Foto: Einschläfernde Vorlesung statt spannendes Theater: „Die Räuber der Geschichte“ im FWT. | Foto: Therese Schuleit / FWT