Köln | In der Orangerie spukt es: Das Theater im Volksgarten zeigt „Das Gespenst des Joaquín Murieta“. Ein Stück über den Goldrausch in Kalifornien, der Südamerikaner auf der Suche nach einem besseren Leben anzieht. Doch der Goldrausch berauscht nicht.

Es ist die Aufsicht auf ein besseres Leben, die vier junge Menschen dazu bringt, den beschwerlichen Weg übers Meer auf sich zu nehmen. Doch angekommen im gelobten Land, von dem sie in der Heimat noch so schwärmerisch geredet haben, erwartet sie Ernüchterung: Dort sind sie die Fremden, die den Einheimischen den eigenen Wohlstand wegnehmen.

Was kaum aktueller klingen könnte, ist fast 200 Jahre alt: „Gespenst des Joaquín Murieta“ spielt während des Goldrausches in Kalifornien, als Südamerikaner sich in den Norden aufmachten, um ein Stückchen vom goldenen Kuchen abzubekommen. Zentrale Figur ist der titelgebende Joaquín Murieta: Für die amerikanische Seite ein Bandit, für die Südamerikaner ein Held, weil er sich gegen die rassistische Behandlung gewehrt hat.

Der Traum von einer besseren Welt platzt zu plötzlich

Es sind auch diese beiden Pole, welche die Inszenierung von Irina Miller bestimmen. Gemeinsam ist den Einwohnern und Einwanderern lediglich, dass sie dem Goldrausch verfallen sind. Das versinnbildlicht Maggie, die Besitzerin des Saloons „Golden Dollar“ (Pia Stutzensein), die im gold-glitzernden Kleid ihr erstes Lied singt. Das Geld funkelt, es ist verführerisch – und scheint zum Greifen nah.

Den ganzen Theaterabend über spielt die Musik eine tragende Rolle. Fast schon wie im Film begleitet sie jede Handlung, versucht, jede Emotion zu verstärken. Das gelingt oft, wirkt aber an einigen Stellen zu überfrachtet. Zudem stört sie die Dynamik der beiden Gruppen. Während die „Gringos“ Maggie und William (sehr überzeugend: Georgios Markou)  ein Lied nach dem anderen singen, was fast schon revuehafte Züge annimmt und das Tempo beschleunigt, sind die vier „Latinos“ Luce (Asta Nechajute), Ricardo (Miguel Dagger), Albertina Reyes (Anne Katharina Müller) und Juan Dreifinger (Jan-Martin Müller) nicht genug ausgearbeitet. Sie erzählen mehr, als sie tun. Dass sie unter Rassismus leiden und ihr Traum von der besseren Welt ganz plötzlich platzt wie eine Seifenblase, wird nur in ganz wenigen, viel zu plakativen Momenten deutlich.

Ein Stück, auf beiden Seiten des Atlantiks aktuell wie nie

Und selbst die überzeugenden, weil emotionalen und bildstarken Momente, die auch dem sehr wandelbaren, minimalistischen Bühnenbild – auch von Irina Müller – zu verdanken sind, verpuffen: Wenn es endlich laut wird, weil die Südamerikaner wütend sind und sich gegen die Ungleichbehandlung rächen, dann hält diese Stimmung leider nicht lange. Sie wird sofort durch eine ganz eigenwillige und unfreiwillige Komik zunichtegemacht. Das Okkult-Fremde der Südamerikaner ist überzeichnet und wirkt dadurch lächerlich statt befremdlich.

Das ist bedauerlich, denn der Stoff, den das Drama des chilenischen Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda verhandelt, ist nicht nur auf Europa bezogen so aktuell wie nie. Auch in den USA wird der ausländerfeindliche Ton schärfer, vor allem gegen Einwanderer aus Mexiko. Damals war es das Gold, das lockte, und die Revolver, welche die Einwanderer abhalten sollten. Das Gold ist heute nicht mehr da, und aus Revolvern soll eine Mauer werden.

[infobox]„Gespenst des Joaquín Murieta“ – die nächsten Vorstellungen: 16., 17., 27., 28., 29., 30. September, jeweils 20 Uhr. Orangerie, Volksgartenstraße 25.

[/infobox]

Autor: Fabian Schäfer | Foto: Klaudius Dziuk
Foto: Sie erinnern an den Ku-Klux-Klan: Maggie (Pia Stutzenstein, l.) und William (Georgios Markou), die Besitzer des Saloons „Golden Dollar“. Foto: Klaudius Dziuk