Manchester | aktualisiert | Der britische Premierminister Boris Johnson hat sich im Falle des Austritts von Großbritannien aus der Europäischen Union gegen Kontrollen an der Grenze zwischen Irland und Nordirland ausgesprochen. Man werde „unter keinen Umständen“ Kontrollen an oder in der Nähe von Nordirland zulassen, sagte Johnson am Mittwoch auf dem Parteitag der Conservative Party in Manchester. Man werde den Friedensprozess und das Karfreitagsabkommen respektieren.

„Lasst uns den Brexit zu Ende bringen. Wir können, wir müssen und wir werden das machen“, so der britische Premierminister weiter. Man werde einen neuen Deal mit der EU verhandeln.

Man werde am 31. Oktober die EU verlassen, egal was auch immer passieren werde. Man müsse eine neue „positive Handelsbeziehung mit der EU“ aufbauen. Es könne nicht oft genug hervorgehoben werden, „dass dies kein antieuropäisches Land ist. Wir sind Europäer“, sagte Johnson. Am heutigen Mittwoch würden „konstruktive und vernünftige“ Vorschläge gemacht, die „einen Kompromiss für beide Seiten vorsehen“. Zudem kritisierte der britische Premierminister den Labour-Chef Jeremy Corbyn.

Dieser habe eine „Reihe von schädlichen Ideen“ vorgetragen, sagte Johnson. Der Labour-Chef wolle eine „Vier-Tage-Woche haben, da würden die Niedriglöhne sinken. Er möchte Privatschulen enteignen und auch verbieten“, so der britische Premierminister weiter. Dies würde den Steuerzahler „sieben Milliarden Pfund“ kosten. Zudem wolle Corbyn die englische Schulaufsicht Ofsted verbieten. „Er hat einen ganzen Absatz vorgesehen, in dem steht, was er die letzten drei Jahre schon gesagt hat. Er will jetzt Wahlen haben. Jedenfalls wollte er das sagen“, sagte Johnson. Das Problem sei aber, dass ihm dies zensiert worden sei. „Wir haben also das erstaunliche Schauspiel, dass der Oppositionsführer von seinen Kollegen daran gehindert wird, seine verfassungsrechtliche Funktion zu erfüllen, mich aus dem Amt zu drängen“, so der britische Premierminister weiter.

EU zeigt sich offen für neue Vorschläge aus Großbritannien

Nach der Übermittlung neuer Vorschläge aus Großbritannien hat die EU in Sachen Brexit Verhandlungsbereitschaft gezeigt. „President Juncker confirmed to Prime Minister Johnson that the Commission will now examine the legal text objectively, and in light of our well-known criteria“, teilte die EU-Kommission am Mittwoch nach einem Telefonat mit Großbritanniens Premierminister Boris Johnson mit. „The EU wants a deal. We remain united and ready to work 24/7 to make this happen – as we have been for over three years now“, hieß es. Juncker würdigte demnach „die positiven Fortschritte, insbesondere im Hinblick auf die vollständige Angleichung der Rechtsvorschriften für alle Waren und die Kontrolle von Waren, die aus Großbritannien nach Nordirland gelangen“. Gleichzeitig gebe es aber auch noch Hürden.

„However, the President also noted that there are still some problematic points that will need further work in the coming days, notably with regards to the governance of the backstop“, wurde Juncker zitiert. Johnson will einen Brexit unbedingt zum 31. Oktober, mit oder ohne ein Austrittsabkommen.

Bundestagsabgeordnete reagieren skeptisch auf Johnsons Brexit-Pläne

Die deutsche Politik hat skeptisch auf die neuen Brexit-Pläne des britischen Premierministers Boris Johnson reagiert. „Boris Johnsons `finales Angebot` ist kein neues Angebot, sondern eine klare Provokation. Diese Rosinenpickerei würde die EU-Standards etwa bei Lebensmitteln untergraben und zulasten der Verbraucher gehen“, sagte Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Nachrichtenportal T-Online.

Johnsons Vorschlag bedeute „eine Zwei-Grenzen-Lösung, die für die irische Insel nicht funktioniert und alte Konflikte neu entfachen könnte. Deshalb hat Irland diesen Vorschlag zurecht bereits zurückgewiesen“, so die Grünen-Politikerin weiter. Auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Alexander Graf Lambsdorff reagierte kritisch auf die Rede von Johnson auf dem Parteitag der britischen Torries in Manchester: „Boris Johnson zieht auf dem Parteitag der Tories eine Show ab. Er präsentiert sich selbst als Europaliebhaber und Freihändler, schießt aber trotzdem gegen die EU“, sagte Lambsdorff. Der britische Premierminister hebe hervor, „dass er keine Grenzkontrollen in Irland haben will, hat aber immer noch keine praktikable Lösung vorgelegt“, so der FDP-Politiker weiter. Die Pläne der britischen Regierung in der Irland-Frage sollten noch am Mittwoch an Brüssel übermittelt werden.

Konkrete Vorschläge machte Johnson bei seiner Rede auf dem Parteitag nicht. Doch auch die deutsche Politik äußert sich zurückhaltend, inwiefern die Europäische Union Großbritannien beim Brexit-Abkommen entgegenkommen soll. „Die EU muss die Gesprächskanäle offenhalten und kann Johnson signalisieren, dass sie bereit ist, die auf die Zukunft gerichtete politische Erklärung zu überarbeiten“, erklärte Lamdsborff.

Die Grünen fordern dagegen eine erneute Verschiebung des Brexit-Datums. „Die EU sollte sich von Johnson nicht erpressen lassen“, sagte Brantner. Die „bessere Option“ sei ein Aufschub des Austritts, „Zeit für Neuwahlen und wenn gewünscht eine neue Abstimmung über einen Brexit-Vertrag, um im Zweifel den No-Deal noch besser vorzubereiten. Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel“, so die Grünen-Politikerin weiter. Bei der Linkspartei sieht man auch eine gewisse Verantwortung der EU für das aktuelle Dilemma: „Die EU sollte sich grundsätzlich verhandlungsbereit zeigen und die Vorschlag von Johnson ernsthaft inhaltlich prüfen. Es war nicht allein die britische Seite, die die Verhandlungen zu einem Brexit-Chaos geführt hat“, sagte Andrej Hunko, europapolitischer Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, dem Nachrichtenportal T-Online. Der No-Deal sei ja vom House of Commons ausgeschlossen worden und „die EU sollte sich jetzt nicht von Johnson unter Zeitdruck setzen lassen. Eine erneute Verschiebung des Austrittsdatums ist angebracht, um Zeit für Verhandlungen und möglicherweise Neuwahlen zu schaffen“, so der Linken-Politiker weiter.

Autor: dts