Das Kölner Justizzentrum wird umgebaut. Foto: Bopp

Köln | Das Kölner Justizzentrum soll abgerissen werden und ein Neubau entstehen. Auf welcher Grundlage wurde diese Entscheidung getroffen? Ein Gutachten gebe es nicht, nur ein Protokoll eines Workshops, sagt der BUND Köln. Das ist aber so geheim, dass die grün-schwarze Landesregierung NRW es Helmut Röscheisen vom BUND Köln nicht aushändigen will. Ein Krimi rund um Transparenz und warum eine schwarz-grüne Landesregierung dem Umweltinformationsgesetz nicht zu seinem Recht verhilft und einem Zukunftsvertrag der viel aussagt.

Abriss und Neubau

Das Justizzentrum Köln soll abgerissen werden. Das Gebäude wurde 1981 errichtet. Es hat 23 Stockwerke und ist 105 Meter hoch. Es soll durch mehrere Neubauten auf der gleichen Fläche ersetzt werden. Dazu gab es einen städtebaulichen Wettbewerb, der bereits entschieden ist. War dafür die Prämisse Abriss und Neubau? Und warum saß der Justizminister der schwarz-gelben und nicht schwarz-grünen Landesregierung in der Jury? Auch die Stadt Köln, immerhin regiert von einem grün-schwarz-violetten Ratsbündnis, kennt anscheinend nur eine Richtung: Abriss und Neubau.

Was will Röscheisen und der BUND Köln?

Helmut Röscheisen ist ein streitbarer Mann. Sein Steckenpferd: Klima- und Umweltschutz. Das gefällt nicht allen in Köln. Röscheisen ist aber kein Querulant und Sturkopf. Auch in diesem Fall nicht. Röscheisen will aber wissen auf welcher Grundlage Entscheidungen zu Stande kommen. Röscheisen sagt zudem: Wenn ein Gutachten oder der Workshop zu dem Ergebnis kommt, dass nur ein Abriss möglich ist, dann wäre diese Entscheidung nachvollziehbar zu prüfen. Es gibt aber kein Gutachten. Es gibt einen Workshop und zu dem Workshop ein Protokoll. Das fordert Röscheisen an. Er möchte die Ergebnisse wissen. Daraufhin schickt ihm das für den Bau des Justizzentrums verantwortliche Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), das den Workshop veranstaltete, einen rechtsverbindlichen Bescheid und erklärt diese Beratungen seien vertraulich und daher könne der BUND Köln keine Einsichtnahme nehmen. Röscheisen schaltet im Namen des BUND die Rechtsaufsicht in diesem Fall das NRW-Justizministerium ein. Die sagen, sie seien nicht zuständig, sondern das NRW-Finanzministerium, das wiederum für den BLB verantwortlich zeichne. Dieses sendet Röscheisen einen Tag vor Fristende einen ausführlichen Bescheid und stuft das Protokoll ebenso als vertraulich, also geheim ein. Einen Tag vor Fristende heißt: Röscheisen kann dies mit den BUND-Mitgliedern nicht mehr abstimmen. Also reicht er persönlich Klage auf Herausgabe der Informationen nach dem Umweltinformationsgesetz ein. Und er zeigt sich optimistisch, dass er den Prozess gewinnt.

Basis der Entscheidung?

Auf welcher Basis entscheidet das BLB hier, ein gerade einmal etwas mehr als 40 Jahre altes Gebäude mit einer enormen Baumasse einfach zu fällen, dem Erdboden gleich zu machen und neue Verwaltungsbauten auf das gleiche Stückchen Kölner Landes zu stellen? Und das vor dem Hintergrund des Klimawandels. Bringen wir es einmal auf den Punkt: NRW hat eine schwarz-grüne Landesregierung. Die hat einen Koalitionsvertrag aufgesetzt, den sie Zukunftsvertrag nannte. Dort heißt es in der Präambel: „Wir verstehen Nachhaltigkeit in einem umfassenden Sinn und stehen gleichermaßen für mehr Klimaschutz, eine zukunftsfähige Infrastruktur, Investitionen in Bildung und solide Finanzen. Durch unsere Politik wollen wir künftigen Generationen ihre Freiheitsräume sichern.“ Wie passt dies zu Abriss und Neubau enormer Baumassen und zu Intransparenz von Entscheidungsprozessen?

Klimakiller Bausektor

Ein Drittel der globalen Kohlendioxid-Emissionen gehen auf den Bausektor zurück. So stellt der Bericht des Uno-Umweltprogramms (Unep) fest: „Insgesamt hat sich der Gebäude- und Bausektor 2019 nicht in Richtung des im Paris-Abkommen festgelegten Ziels bewegt, die globale Durchschnittserwärmung weit unter zwei Grad Celsius zu halten.“ Der Sektor entferne sich gerade von den Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens. Ist der Lebenszyklus eines Stahlskelettbaus wirklich nach 42 Jahren zu beenden und wie wirkt sich dies auf die Klimabilanz von Alt- und Neubau aus? Warum kann ein Gebäude, das so gebaut ist, nicht umgebaut und saniert werden?  

Eine Frage, die der Architekt Prof. Thomas Scheidler, der an der Hochschule Aachen lehrte, stellt. Er sieht gute Chancen das Gebäude auf Vordermann zu bringen und das sogar im laufenden Betrieb. Seine Argumente: Der Bau bestehe aus drei Flügeln. Die Flügel könnten rotierend saniert werden, damit die Belastung bei den Mitarbeitenden nicht zu hoch sei. Nichts spreche gegen eine Entkernung, denn die Stahlskelettbauweise ermögliche eine Anpassung auf moderne Bürowelten, da der Innenausbau nicht auf tragenden Wänden beruhe. Und er hat ein schlagendes Argument in Form eines Bildes: Das zeigt das ehemalige Lufthansa-Hochhaus in Köln, das genau so saniert wurde, wie Scheidler es für das Kölner Justizzentrum andenkt. Die Stahlskelettstruktur wurde beim Hochhaus am Rhein stehengelassen, Fassade und Innenräume neugestaltet. Saniert übrigens von privaten Investoren.

Scheidler geht aber noch weiter und zeigt das Beispiel eines Hochhauses in Australien. Das wurde im Kern stehen gelassen und durch neue Module, die den Kern umhüllen erweitert. Es ist der Quay Quarter Tower in Sydney, Australien, der den Internationalen Hochhaus Preis 2022/23 erhielt. Selbst die alte Fassade sieht Scheidler als Momentum an, dass neu umhüllt werden könnte und damit sogar der Betrieb im Gebäude während der Neugestaltung der Fassade weitergehen könnte. Damit könnte diese energetisch ertüchtigt werden, also gedämmt. Scheidler: „Ein neues Kleid für einen eleganten Skyscraper“. Denn viele finden das Justizzentrum, so wie es jetzt in Sülz steht als in die Jahre gekommen und hässlich an. Auch die Bediensteten beschweren sich über die Ausstattung, etwa die Toiletten. Aber das ist eben Ausstattung und nicht Kernsubstanz. Und diese Ausstattung, so Scheidler könne neben einem modernen und veränderten Innenraumprogrammm, auf den neuesten Stand gebracht werden.  Da sei alles möglich vom Großraumbüro bis zum Einzelplatzoffice.

Jörg Frank, der frühere Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Kölner Rat, kritisiert, dass Bestandsbauten anscheinend ungeprüft einfach niedergerissen würden und nennt als weiteres in der Debatte stehendes Gebäude die Kölner Zentralbibliothek.

Der BUND Köln hinterfragt, ob ein Erhalt des Justizzentrums-Gebäudes überhaupt ernsthaft geprüft worden sei? Und er bringt das Stichwort „Graue Energie“ in die Diskussion ein. Dabei geht es um die Energiemenge, die für die Herstellung von Baustoffen, deren Verarbeitung, Transport hin und auf der Baustelle 1981 eingesetzt wurden. Gleiches gilt im Fall eines Abrisses für die Menge Energie, die für Abriss und Logistik benötigt wird. Dazu kommt die Menge Energie, die für die Neubauten benötigt wird. Der BUND sieht öffentliche Auftraggeber wie das Land NRW in einer Vorbildrolle vor dem Hintergrund der Klimakrise. Sie seien verpflichtet, Bestandserhaltung und Sanierung zu bewerten und sollten diese gegenüber einem Abriss und Neubau prioritär behandeln.  

Freisetzung kreativer Kräfte?

Im Zukunftsvertrag von schwarz-grün in NRW stehen im gleichen Absatz der Präambel, wo die Haltung zur Nachhaltigkeit beschrieben ist, noch folgende Sätze: „Dabei setzen wir auf die Fähigkeit unseres Landes zum Wandel und auf die Kreativität, die Leistungsbereitschaft und die Vielfalt seiner 18 Millionen Menschen.“ Kreativität sowie neue Wege zu gehen, vor dem Hintergrund der Klimakrise, dem von der Stadt Köln ausgerufenen Klimanotstand, ist vielleicht nicht die erstbeste Lösung, also der am meisten Profit versprechende Nullachtfünfzehn-Standard Abriss und Neubau, sondern das Weiterdenken die bessere Alternative.

Da steht ein Turm in der Stadt mit vielen Flächen, die nach Süden ausgerichtet und die nicht verschattet sind. Denken wir die Kleideridee von Prof Scheidler einmal weiter: Was wäre wenn dieses neue Skyscraper-Kleid in der Lage wäre Photovoltaik zu integrieren – etwa durch Solarfenster – oder Panele, dann könnte womöglich ein Kraftwerk in der Stadt stehen und entstehen. Diese Möglichkeiten gab es aber vor 15 Jahren noch nicht, als Beamte überlegten den Koloss niederzulegen. Auch Ideen wie Urban Mining waren unbekannt. Ein Leuchtturm für nachhaltige Sanierung und energetische Aufwertung könnte gedacht, ausprobiert und entwickelt werden. Vielleicht würde die Welt dann den Blick auf NRW und Köln richten?

Helmut Röscheisen klagt zu Recht und seine Mitstreiter fragen richtigerweise nach. Das Land NRW, die Stadt Köln und die, die aktuell entscheiden, sollten ihre und die Kreativität der Menschen für bessere Lösungen als nur Abriss und Neubau freilassen, außer ein umfassendes alle Faktoren berücksichtigendes Gutachten kommt wirklich zu einem anderen Schluss.

Das Mindeste ist, dass schwarz-grün im Land seine Entscheidungsfindung offenlegt, bevor die Bagger anrollen.