Köln | Die Universität zu Köln legte heute den Abschlussbericht über die Ereignisse im Zentrum Anatomie vor. Im Oktober 2011 waren zahlreiche Missstände im Zusammenhang mit der Lagerung und Bestattung von Körperspenden bekannt geworden. Unter anderem wurden in der Anatomie drei Leichen gefunden, die laut Akten schon bestattet worden waren und nicht mehr identifiziert werden konnten. Im nun vorliegenden Abschlussbericht stellte die Uni Köln ein Systemversagen und mangelnde Sorgfalt im Umgang mit den Körperspenden fest. Zudem räumte die Hochschule ein, dass sie sich nicht ausreichend um Qualitätssicherung bemüht habe und entschuldigte sich bei den Betroffenen. Konkrete Schuldzuweisungen an einzelne Personen sind laut Universität nicht möglich.

Bei den Missständen im Zentrum für Anatomie an der Universität zu Köln handelte es sich um eine große Anzahl nicht bestatteter Leichen und die unsachgemäße sowie zu lange Lagerung von Körperspenden und anderen Präparaten. Außerdem stellt der Abschlussbericht fest, dass das System zur Identifizierung der Leichen unzureichend war. „Das Nummerierungssystem war nicht ganz glücklich.“, erklärte Reinhard Putz, der ein externes Gutachten erstellt hat. „Die eingegangenen Leichen wurden mit einer Zugangsnummer versehen. Die einzelnen im Laufe der Präparationskurse abgetrennten Körperteile erhielten jedoch eine Tischnummer. So wurden für eine Leiche gleich zwei Nummern vergeben.“, erläuterte Putz. Zudem fanden die Präparationskurse für die Studenten laut Bericht teilweise ohne Aufsicht statt.

Leichen wurden auf dem Flur gelagert

In Raum 037, ein Lagerraum für konservierte Körperspenden, befanden sich 32 Särge mit Leichen aus den Jahren 2004 bis 2010. Auf dem Flur vor dem Raum, und somit theoretisch öffentlich zugänglich, standen 36 weitere Särge mit Leichen aus den Jahren 2009 und 2010. Der Raum war offenbar längere Zeit nicht mehr genutzt worden. Der schlechte Zustand der Präparate deute daraufhin, so Axel Freimuth, Rektor der Universität. Die Mehrzahl der menschlichen Überreste in Raum 037 konnte nicht mehr identifiziert werden.

„Ursprünglich befanden sich in Raum 037 durchaus wertvolle Präparate, insbesondere auch aus dem Bereich der Vergleichenden Anatomie.“, erklärte Gutachter Putz. Die Vergleichende Anatomie beschäftigt sich mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten des menschlichen und tierischen Körperbaus. Dementsprechend fanden sich auch präparierte Tierkadaver, beispielsweise Primaten oder Katzenartige, im Raum, die teilweise zusammen mit menschlichen Leichen aufbewahrt wurden. Ordnungsgemäß gelagerte Präparate jüngeren Ursprungs deuten daraufhin, dass der Zustand des Raumes keineswegs unbekannt gewesen sei, so der Bericht.

Staatsanwaltschaft sieht von Ermittlungsverfahren ab

In Raum 038 fanden sich die drei Leichen, die in den Akten als bereits bestattet vermerkt waren. Zudem wurden in zehn Särgen Leichenteile von jeweils mindestens zwei Personen gefunden, die nicht mehr konkret zugeordnet werden konnten und somit als nicht identifizierbar gelten. Universität und Klinikum hatten die Staatsanwaltschaft über die Zustände in der Anatomie informiert. Diese sah jedoch keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten und verzichtete auf die Einleitung eines Verfahrens.

Fehlende Kühlung ließ Leichen vertrocknen

In den Kühltanks in Raum 109 wurden zudem 61 nicht konservierte Leichname vorgefunden, die für Operationskurse benötigt werden und zur Aufbewahrung tiefgekühlt werden müssen. Fast alle Leichen befanden sich jedoch in einem derart schlechten Zustand, dass sie für die Forschung nicht mehr verwendet werden konnten. Schimmel und Austrocknung hatten ihnen zugesetzt. Dem Abschlussbericht zufolge war die Technik schon längere Zeit nicht mehr imstande, die erforderlichen Temperaturen von minus 20 Grad Celsius zu gewährleisten. Des weiteren hätten die nicht mehr benötigten Leichen nach Ende der Nutzung umgehend bestattet werden müssen. „Die technischen Mängel wurden der Fakultät jedoch zumindest schriftlich nie mitgeteilt.“, erklärte Axel Freimuth.

Keine konkreten Schuldzuweisungen, keine dienstrechtlichen Konsequenzen

Die Ermittlungen gestalteten sich schwierig. Insbesondere die Befragung der Mitarbeiter war laut Bericht nicht ergiebig. Die Verantwortung für das Körperspendewesen war auf mehreren Schultern verteilt und die Vorfälle erstreckten sich über Jahrzehnte. „Zudem ist die Mitarbeiterin, die am besten mit den Akten vertraut ist, langfristig erkrankt und kann nicht befragt werden.“, erklärte Freimuth. Jürgen Koebke, Geschäftsführender Direktor des Zentrums Anatomie, verstarb, bevor er Auskunft geben konnte. Sein Nachfolger Hannsjörg Schröder ist ebenfalls erkrankt und steht nicht für eine Befragung zur Verfügung. „Die erreichbaren Mitarbeiter haben sich in ihren Aussagen auch teilweise widersprochen.“, betonte Freimuth die problematischen Umstände.

Dementsprechend könne man auch keine konkreten Schuldzuweisungen an Einzelpersonen aussprechen. „Es ist vollkommen unmöglich, nachzuvollziehen, wer für die einzelnen Fehler verantwortlich ist. Alle Beteiligten haben sich falsch verhalten.“, so Freimuth. Daher seien auch keine dienstrechtlichen Konsequenzen zu erwarten. Die Gesamtverantwortung liege allerdings beim ehemaligen Geschäftsführenden Direktor Jürgen Koebke, dessen Aufgabe es gewesen sei, für einen ordnungsgemäßen Betrieb zu sorgen, erklärte Freimuth. Unklar bleibt, warum die Missstände nie der Fakultät oder dem Klinikum angezeigt wurden.

Sanierungen und Qualitätssicherungsverfahren

Mittlerweile hat das Zentrum Anatomie den Betrieb wieder aufgenommen. Alle notwendigen Bestattungen wurden vorgenommen, unbrauchbar gewordene Präparate entfernt. Die Kühltanks in Raum 109 sollen saniert werden, die nötigen Mittel stehen laut Rektor Freimuth bereits zur Verfügung. System und Abläufe im Körperspendewesen wurden neu organisiert. In Zukunft sollen unter anderem regelmäßige Vor-Ort-Begehungen für Qualitätssicherung sorgen.

Autor: Christian Bauer
Foto: Michael Stückradt, Kanzler der Universität zu Köln, Gutachter Reinhard Putz und Axel Freimuth, Rektor der Universität (v.l.n.r.)