Hohe Internationalität
83 Prozent der Aussteller kommen aus dem Ausland, dabei führt Italien, vor China und Spanien die Hitliste der internationalen Aussteller an. Beim Messerundgang des Ministers merkt man davon kaum etwas, da geht es deftig bayerisch und deutsch zu, nur ein indischer Stand wird besucht. Die Messe für Fachbesucher besticht, so die Kölnmesse, vor allem durch ihre Vielfalt und dem "gleichberechtigten Nebeneinander von großen am Markt führenden Unternehmen und kleineren und mittelständischen Anbietern". Im speziell ausgeschriebenen Innovations-Wettbewerb Taste 07 präsentiert die Messe 62 neue und innovative Produkte. Vorgestellt werden innovative Marketingkonzepte und Designs für Gewürzmischungen, Olivenöl und portionierten Salatsdressings, aber auch Essknete für Kinder, dir roh und gebacken verzehrt werden kann und buntes Regenbogen-Popcorn. Unter den Schnellzubereitern prämierte man ein "Risotto Expresso", das in nur zwei Minuten fertig ist. Exotisches gibt es im Fleischbereich wie "Gethlane Antilopen Ringsalami", die aus magerem Kudufleisch hergestellt wird, oder auch der Fleischsnack für den Toaster. Pizza in der Tüte oder Chik´n Stick Oriental Fingerfood sind die Trendinnovationen im Fingerfoodbereich. Im Bereich der Getränke gibt es ein Getränk aus dem Öl des norwegischen Lachs "Smartfish Smartweek – Fruchtgetränk" und "Antistress Brennessel-Getränke".

Klassische Produkte im Vordergrund des Minister-Rundganges
"Milch aus Bayern", ein Muss-Termin für einen aus Bayern stammenden Wirtschaftsminister, der dann natürlich prompt von der bayerischen Milchkönigin Christa Rappensberger, die aus Mülheim am Inn stammt begrüßt wird. Nach einem Glas frischer Milch, geht es weiter zu indischen Getränken, Wurst und auch in die Bioabteilung zu einem der Shooting Stars der Bioszene, dem Hersteller von "Bionade". Der Geschäftsführer dort erzählt, das sein Produkt bei einem der Caterer für die Regierung auch im Programm ist, bei dem anderen "Käfer" aus Bayern aber nicht. Dem Minister entlockt das Biogetränk ein eher müdes "schmeckt wunderbar". Einen Abstecher macht man auch zum Kölner "Fair Trade"-Stand, der aber nicht auf der offiziellen Route liegt. Weiter geht es an den Edeka-Stand als Vertreter des Handels, zum Bundesverband des Deutschen Einzelhandels und zum Schluß noch zur Unternehmensgruppe Reinert, die Fleisch und Wurstwaren aus dem Westfälischen anbieten. Dort wird der Minister dann launiger und verkündet: "Das Ende des Schweins ist der Anfang der Wurst". Mit Produktinnovationen und internationalen Anbietern beschäftigt sich der bundesdeutsche Wirtschaftsminister Michael Glos wenig, auch nicht mit dem boomenden Biomarkt, der seit Jahren zweistellige Zuwachsraten verzeichnet. Man gibt sich lieber klassisch konservativ.

Verteuerung der Produkte und Verknappung der Rohstoffe
Neben der Probleme kleinerer Supermärkte und Einzelhändler, in den letzten 10 Jahren mussten in Deutschland alleine 20.000 schließen, so Dierk Frauen, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels, wurde klar, dass sich auch in der Erzeugung der Rohstoffe für Nahrungsmittel viel verändert hat. So mahnte Frauen: "Wer Flächen, die bisher für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genutzt wurden, still legt oder sie für die Herstellung von Biosprit nutzt, darf sich nicht wundern, wenn die Milch und das Brot teurer werden." Daneben wies Frauen auch auf Ernährungsprobleme hin, 58 % der Männer und  42% der Frauen sind in Deutschland übergewichtig, falsche Ernährung und mangelnde Bewegung spielen hier eine Rolle. Jürgen Abraham, der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie betonte die hohe Exportquote der deutschen Ernährungsindustrie: "Nach Angaben der WTO steht Deutschland im Welthandel mit Agrargütern und Lebensmitteln bei den Ausfuhren auf Platz vier, bei den Einfuhren sogar auf Platz zwei. Die Exporte der verarbeitenden Lebensmittel wachsen dynamisch mit zweistelligen Wachstumsraten. In den letzten 10 Jahren sind die Exporte um mehr als 12 Milliarden Euro auf 32,1 Milliarden Euro gestiegen."

Die neue Fachmesse "Anuga Organic" – BIO ist Mainstream und Innovationsmotor
Aus dem Bio-Schwerpunkt "Organic World" entwickelte man jetzt die Fachmesse "Organic World", die man innerhalb der Anuga "konsequent auf internationales Niveau" ausrichten will. Wie wichtig dies ist, zeigt auch das begleitende Programm des Bio Kompetenzzentrums, bei dem es am ersten Tag auch um die Bewertung der Märkte ging. Auf der "Anuga Organic" präsentierten sich 252 Aussteller auf einer Bruttofläche von 10.000 qm und 1.498 Aussteller insgesamt auf der Anuga bieten Bio-Produkte an. Markus Rippin führte in seinem Vortrag aus, dass der Biomarkt seit Jahren im zweistelligen Bereich wachse, auch in 2007, dort allerdings auch bedingt durch Preissteigerungen. Rippin führt dies auf eine geänderte Esskultur in den USA und in Europa zurück, so steige bei den Verbrauchern die Qualitätssensibilität, wobei gleichzeitig die Preissensibilität abnehme. Dem modernen Verbraucher ist die Story hinter dem Produkt wieder wichtig, er will authentische Produkte und achtet stärker auf Regionalität, so der Experte auf seinem Vortrag zum Thema "Entwicklung des Bio-Marktes in Deutschland" weiter. So kommt Markus Rippin, der Inhaber und Geschäftsführer von Agromilagro research zu dem Ergebnis, das auf die Dauer Niedrigpreisstrategien, wie sie die Discounter in den letzten Jahren verfolgten, keine Zukunft haben, denn der Begriff "Bio" reiche nicht mehr als Argument und die Differenzierung wird wichtiger. Rippin forderte den Einzelhandel auf "Biolebensmittel zu Zelebrieren", denn der moderne Verbraucher, der sich immer weniger Zeit für den Einkauf nehme, will keine Wartezeiten in Kauf nehmen, will Komfort, sucht den Erlebniseinkauf, sucht kompetente Beratung, will überrascht werden und sucht Orientierung und Wohlgefühl. Hier hat gerade der Lebensmitteleinzelhandel im Bereich der Vollsortimenter eine Chance, denn die Discounterzuwächse nehmen ab, bei wachsendem Kundenpotential. Ähnliches klang auch im anschließenden Podium zum Thema "Bio Vollsortimente im Supermarkt, Wir brauchen Bio – Bio braucht uns!" an. Prof. Dr. Ulrich Hamm von der Universität Kassel kritisierte, dass der Handel im Einkauf mit dem Thema Bio nicht umgehen kann. Man könnte deutlich mehr Bioprodukte absetzen, wenn die Ware vorhanden ist. Dazu muss man aber mit den Landwirten langjährige Liefervereinbarungen aushandeln, denn die müssen ihre Produktionen drei Jahre lang umstellen. Welche Dynamik in diesem Markt steckt zeigte der Professor anhand eines simplen Beispiels, Aldi bot Bio-Kartoffeln an und verkaufte in sechs Wochen so viele wie der Naturkostfachhandel im ganzen Jahr. Damit die Bio-Regale voll seien würden manche Händler sich auf zweifelhafte Lieferschienen einlassen und so bekäme Bio ein Imageproblem, denn wer Bio-Produkte zum Beispiel aus China anbiete, der muss seinen Kunden auch erklären können warum die Menschen dort Mundschutz tragen.

Zertifizierung ist einfach, wenn man sich an die Spielregeln hält
Italien positioniert sich auf der "Anuga Organic" mit mehreren großen Ständen, denn das Land profitiert vom Bioboom und setzt auf starken Export innerhalb Europas, aber auch in die USA und nach Japan. Im eigenen Land sind Bioprodukte aufgrund mangelnder Information noch stark in der Nischenposition. Die Rahmenbedingungen, das Klima seien ideal in Italien für den Anbau von Bioprodukten und so ist Italien zum Beispiel ein großer Lieferant von biologischen Reisprodukten. Friedhelm Landgrebe von AbCert beschäftigt sich mit der Zertifizierung von Betrieben die Bioprodukte herstellen oder weiterverarbeiten. Über 8.000 Unternehmen hat AbCert zertifiziert. Landgrebe bemängelt, dass es zu wenig staatliche Förderung für Landwirte gibt, die ihren Betrieb umstellen wollen, vor allem für schwierige Umstellungsphase der drei Jahre. Für die verarbeitenden Betriebe ist es wichtig, dass sie lernen, vor allem, wenn sie zunächst nur Teilsortimente anbieten, dass dort wo Bio drauf steht auch Bio drin ist. Hat ein Betrieb den Entschluß gefaßt Bioprodukte herzustellen, dann ist das Procedere einfach und die Kosten halten sich in Grenzen, so kostet bei AbCert eine Zertifizierung zwischen 350-450 Euro. Bei den Händlern und Handwerksbetrieben wie Metzgereien herrsche immer noch ein Stück weit Misstrauen. So denken viele etwa, dass sie mit der Aufnahme von Bioprodukten ihr klassisches Sortiment, als Sortiment zweiter Klasse abwerten und müssen die Bioprodukte aufgrund fehlender Nachfrage aus dem Sortiment genommen werden, sind die Unternehmen unsicher wie sich das auf ihr Unternehmen auswirkt.

Die Rohstoffsituation ist schwierig
Schwierig ist auch immer wieder die Rohstoffsituation, das berichten viele Anbieter, so auch Münchner Kindl Senf, die auch eine Bio-Mayonnaise anbieten. Sind die Rohstoffe knapp, dann kaufen die klassischen Hersteller und Vertriebe auch die Biorohstoffe mit auf und die reinen Bioprodukte-Produzenten haben Schwierigkeiten. Bei Demeter setzt man seit der Mitte der 90er Jahre auch auf Bio-Tiefkühlkost und gerade die Gemüsesorten wie Spinat und Erbsen werden sehr gut nachgefragt. Aber auch Früchte und Pizzen sind ein Verkaufserfolg, ganz im Trend der klassischen Convienience-Produkte. Klaus Dieter Brügesch von Demeter  erklärt aber auch, dass sich gerade an Bio-Tiefkühlkost in den ersten Jahren ein regelrechter Glaubenskrieg und in den klassischen Bioläden eine Antihaltung entwickelte. Aber auch dort habe sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass Tiefkühlung eine ideale Form der Aufbewahrung zum idealen Erntezeitpunkt ist. Brügesch sieht in der Problematik der fehlenden Rohstoffe für Bioprodukte die Notwendigkeit von Anbauverträgen und damit verbindlichen Zusagen des Handels und fordert damit eine Umkehr des bisher gültigen Denkens bei den klassischen Lebensmittel-Anbietern: "Es war doch immer genug da". Geht es nach Brügesch so müssen alle Partner sich auf gemeinsame Spielregeln partnerschaftlich einigen.


Schoko-Bioküsse aus biologischen Rohstoffen

Bio für Kids
Ein paar Messekojen weiter macht der "Bioschaumkuss" der Grabower Süsswaren aus Schwerin Furore. Der wird aus zertifizierten Rohstoffen hergestellt und das Unternehmen aus Schwerin sieht im Biomarkt einen Markt der wachsen wird und in dem man sich frühzeitig richtig positionieren will. Gerade weil das Produkt für Kinder ist, die auch immer mehr unter Allergien oder anderen gesundheitlichen Problemen leiden, hat man ein Bioprodukt entwickelt und der Biokuss schmeckt genauso lecker wie der Klassiker, nur mit einem Vorteil, er ist gesünder.


Edle Verpackungen, weg von der braunen Tüte, so präsentiert Hanf + Natur seine Bioprodukte

Edle Verpackungen mit gesundem Inhalt
Spannend auf der Anuga Organic sind auch die unterschiedlichen Marketingstrategien. Da gibt es die einen die noch auf die Natürtüte setzen und die anderen die sich vom Öko-Image völlig lösen und ihre Produkte in designten Verpackungen präsentieren, so auch Hanf & Natur aus Marienheide. Die kämpfen immer noch mit dem Vorurteil, dass viele Deutsche glauben Hanf sei eine Droge, aber Hanf ist eben nicht Cannabis, denn das ist der Name der Droge. Hanf ist eine der ältesten deutschen Kulturpflanzen, so schätzte zum Beispiel Hildegard von Bingen die Pflanze. Extrem lecker und leicht nussig schmeckt übrigens Hanfschokolade. Aus den Samen lassen sich Öle gewinnen, die vor allem durch Omega 3 und 6 besonders gesund sind. Das Unternehmen Hanf + Natur exportiert übrigens 70% seiner Produkte nach England. Hanf ist vielfältig, so bietet man Kosmetikprodukte, Lebensmittel, wie Hanföle, Hanfsamenmehl, Nudeln, Müsli, Hanfschnitten für Sportler, Schokolade, Knabberhanf, Hanftee, aber auch Taschen und Rucksäcke aus Hanf an. Einige der Produkte sind übrigens auch DLG prämiert. Besonders auffällig ist das moderne Design der Verpackungen, das man sich erst jetzt neu gegeben hat und das sehr gut zu modernen und innovativen Produkten wie Hanf passt, auch wenn wir den Rohstoff nur im letzten Jahrhundert aus den Augen verloren haben.


"biaroma" – ein modernes biologisches und innovatives Würzmittel in vielen verschiedenen Geschacksrichtungen

Bio-Würzmittel und Erfrischungstonika für den Salat
Sehr spannend auch der Stand von "biaroma", die Würzmittel auf der Basis coratina-oliven herstellen. Auf dem Stand sieht es zwar mehr aus wie in einem Labor, aber die Produkte die aus den kleinen Fläschen träufeln schmecken phantastisch. Es ist Würzsaft in den Geschmacksrichtungen balsamici, ananas, apfel, arabica geröstet, avocado, banane, basilikum, bergamotte, granatapfel, grapefruit, grüner tee, ingwer, ingwer-rosmarin, karotte, kakao geröstet, kokosnuss, mandarine, limette, olivenbaumblätter, orange, papaja, paprika, passionsfrucht, pepperoncino, pfefferminze, rosmarin, zitrone oder tomate getrocknet. Daneben gibt es in der Sprühflasche Erfrischungs & Badetonika. Mit den biologisch natürlichen Würzen, die aus Corotina-Oliven und Aroma & Inhaltstoffen der Früchte und Kräuter hergestellt wird, lassen sich Getränke oder Speisen verfeinern. Durch das neuartige Kaltpressverfahren behalten die Würzmittel die wervollen Inhaltstoffe und Fettsäuren der Oliven. In Bremen hat mittlerweile ein Restaurant mit dem Namen "Geschmackslabor" geöffnet, bei dem zu jedem Essen, die Sammlung an kleinen Kunststofffläschen mit den Würzmitteln und Aromen gereicht wird und jeder nach seinem Gusto sein Essen gestalten kann. Da wird aus der Pizza Prosciutto im Handumdrehen eine Pizza Hawai, oder Fisch mit Rosmarin beträufelt. Auch wenn es ungewohnt ist, es schmeckt lecker und die Erfrischungstonika riechen herrlich… und können sogar auf den Salat gesprüht werden.

Fazit und Kurzkommentar: Wer auf der Anuga die Augen aufmacht, kann viel Neues entdecken, aber auch neue Märkte die gerade den Schritt mit zweistelliger Wachstumsdynamik zur vollen Etablierung gehen. Schade ist, dass sich gerade die etablierten Politiker nicht für Innovationen und Zukunftsmärkte interessieren, sondern lieber Verbands-Stände und Klassiker, das was einem selbst am besten schmeckt und was man kennt, besuchen. Von einem Wirtschaftsminister sollten wir eigentlich mehr erwarten, vor allem mehr Dynamik und den fokussierten Blick auf Wachstumsmärkte, die noch dazu Werthaltig und Qualitätvoll sind. Interessanterweise haben unsere europäischen Nachbarn diese Trends, die längst Mainstream geworden sind, erkannt und profitieren von den wertigen Wachstumsmärkten in Deutschland.

Andi Goral für report-k.de / Kölns Internetzeitung