Köln | Die Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK), die Handwerkskammer zu Köln (HK) und die Agentur für Arbeit Köln ziehen gemeinsam eine Halbjahresbilanz zum Kölner Ausbildungsstellenmarkt 2015/2016. Ihr Fazit: mehr Stellen, weniger Bewerber, neue Projekte.

Agentur für Arbeit Köln

Einen Rückgang – von 8,3 Prozent oder 349 auf 3.872 – an Bewerbern verzeichnet die Agentur für Arbeit Köln, im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig steigen die Zahlen der gemeldeten Ausbildungsstellen. Insgesamt kam es zu einem Zuwachs von 7,1 Prozent oder 355 auf 5.363 Stellen zum Vorjahr. „Unser Augenmerk liegt darin Bewerber und Betriebe enger zusammenzubringen“, so Roswitha Stock, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Köln. Aktuell verzeichnet die Agentur für Arbeit in Köln 2.533 unversorgte Bewerber, aber dafür 3.629 unbesetzte Stellen: „Mehr gemeldete Ausbildungsplätze für immer weniger Bewerber. Das ist eigentlich ein Vorteil für die bei uns gemeldeten Bewerber. Wichtig ist jedoch, dass aus den gemeldeten Stellen am Ende des Jahres auch abgeschlossene Ausbildungsverträge werden. Noch ist Zeit, damit Unternehmen und Azubis zueinander finden können“, ergänzte Stock.

Die hälfet der Ausbildungssuchenden sollen einen mittleren Bildungsabschluss – Abschluss der Sekundarstufe I – besitzen. Dabei seien die jungen Männer vor allem an einer technischen Ausbildungen und die jungen Mädchen an Assistenzstellen interessiert.

Flüchtlinge

„In diesem Jahr waren es nur neun Flüchtlinge, die einen Ausbildungsvertrag unterzeichnen konnten. Wir vermuten, dass sich diese Zahl im nächsten Jahr deutlich erhöhen wird, denn zunächst müssen die Menschen ankommen und die Sprache lernen. Sie sind die Fachkräfte von Übermorgen“, erklärte Stock. Das Interesse und die Bereitschaft sei bei den Neuankömmlingen sehr groß, daher wäre die Vermittlung der Ausbildungsplätze für Flüchtlinge in diesem Jahr eines der großen Ziele für die Agentur für Arbeit in Köln.

Auch die IHK möchte die Neuankömmlinge unterstützen und wolle ab April eine neue Stelle als „Willkommenslotse“ im eigenen Haus einführen. Ziel dieser Stelle sei es, durch Information und Beratung die Unternehmen bei der Bewältigung des demographischen bedingt Fachkräftemangels zu unterstützen. Der Schwerpunkt liege dabei, bei der Vermittlung von Flüchtlingen in Ausbildung und Beschäftigung, erklärt Christopher Meier, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Köln.

Industrie- und Handelskammer zu Köln

Bislang seien bei der IHK 1.083 neue Ausbildungsverträge registriert worden, 27 weniger als im Vorjahr. Für den gesamten Kammerbezirk seien seit Anfang Januar 2.113 Ausbildungsverträge bei der IHK Köln – sowohl online als auch in Papierform – eingereicht und registriert worden, 60 weniger als im Vorjahr. „ Eine Berufsausbildung stand aber in den letzten Jahren leider nicht ganz oben auf der Wunschliste der jungen Leute“, so Meier und ergänzt: „Um diese Zeit des Jahres sind noch sehr viele Ausbildungsplätze in Unternehmen zu besetzten, und wir wollen Schülern, aber auch deren Eltern und Lehrern zeigen, dass eine Ausbildung ein guter Ausgangspunkt für einen Start ins Berufsleben ist.“ Des weiteren, so Meier, biete die IHK viele Möglichkeiten der Berufsorientierung – sowohl für Schülern, als auch für Eltern und Lehrern – die in Anspruch genommen werden können.

Azubis als Ausbildungsbotschafter

Beim Besuch in einer Schulklasse, sollen aktuelle Azubis nicht nur über die Berufsausbildung berichten, sondern auch über weitere Möglichkeiten informieren. „Was viele junge Leute nicht wissen, selbst bei der Ausbildung kann man ein Auslandssemester machen“, informiert Meier.

Handwerkskammer zu Köln

Die HK in der Region Köln-Bonn habe seit Oktober 2015 insgesamt 951 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Ein Vergleich zum Vorjahr sei zu diesem Moment – auf Grund einer Umstellung der aktuellen Erfassungsmethode von Statistiken der HK – nicht möglich. Eine Prognose, wie sich der Lehrstellenmarkt in diesem Jahr entwickeln wird sei zum jetzigen Zeitpunkt schwierig, da der Großteil der Ausbildungsverträge bei der HK üblicherweise erst im laufe der Sommermonate unterzeichnet werden, erklärte Dr. Markus Eickhoff, stellvertretender Geschäftsführer der HK zu Köln.

In den ersten beiden Monaten dieses Jahres – so berichtet Eickhoff – wurde der Ausbildungsvermittlung der HK über 900 Lehrstellen gemeldet: „Üblicherweise liegt die Anzahl der Lehrstellen zwischen 600 und 800“, ergänzte Eickhoff.

Die meist gemeldeten Stellen seien Ausbildungsplätze zum Anlagenmechaniker Sanitär-Heizung-Klima (123), Elektroniker Energie- und Gebäudetechnik (89), Friseur (87), Dachdecker (69) und Kraftfahrzeugmechatroniker (56).

Ausbildungsbotschafter und Azubi-Speeddating

Die HK starte noch in dieser Woche mit einem neuen Projekt – gefördert von der EU – namens „Ausbildungsbotschafter“. 50 Lehrlinge – aus dem zweiten und dritten Lehrjahr – sollen an allgemeinbildenden Schulen, Schüler über den Berufsalltag und über die berufliche Ausbildung im dual System informieren, so Eickhoff.

Auch das Speeddating – in Kooperation mit der Stiftung des 1. FC Köln und der Agentur für Arbeit – soll Erfolge nachgewiesen haben, berichtete Eickhoff. „Mehr als 30 Unternehmen und 650 Jugendliche haben an dieser Veranstaltung teilgenommen.

Lidl Vertriebs GmbH & Co. KG

Neben den klassischen Verkaufsberufen Verkäufer, Kaufleute im Einzelhandel und Handelsfachwirten bilde das Unternehmen auch Fachlageristen, Fachkräfte für Lagerlogistik und Kaufleute für Büromanagement aus. Für Abiturienten seien dabei besonders zwei duale Studiengänge der Fachrichtung Konsumgüterhandel und Warenwirtschaft und Logistik interessant, berichtet Daniela Bergweiler, Ausbildungsleiterin, Lidl Vertriebs-GmbH & Co. KG. „Das Abiturientenprogramm geht drei Jahre. Nach der Ausbildung hat man nicht nur die Möglichkeit im Unternehmen direkt anzufangen, sondern auch Karriere zu machen um möglicherweise später Filialleiter zu werden“, berichtet Marc Zynda, Auszubildender bei Lidl. „Bei der Auswahl der Azubis gibt es keine festen Kriterien. Spaß am Verkaufen und im Umgang mit Menschen, Motivation und Tatkraft könne auch eine vier in Mathe auf dem Zeugnis wettmachen. Bewerberinnen und Bewerber müssen zunächst einen Online-Test absolvieren und werden anschließend zum persönlichen Kennenlernen eingeladen. Im Vorstellungsgespräch und bei der praktischen Übung zeigt sich dann, ob die jungen Menschen ins Unternehmen passen“, so Bergweiler.

Autor: Irem Barlin
Foto: von links nach rechts: Christophe Meier, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK | Roswitha Stock, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit | Bianca Pfeiffer, Azubi bei Lidle | Marc Zynda, Azubi bei Lidl | Dr. Markus Eickhoff, stellv. Geschäftsführer der HK,