Das Archivfoto zeigt Martin Sellner bei einer Demonstration der "Identitären Bewegung" (IB) am 20.07.2019 in Halle (Saale). | Foto: via dts nachrichtenagentur

Köln | Standpunkt. | Seit dieser Woche findet ein Wort Eingang in die breite politische Debatte: „Remigration“. Rechte führen dies schon lange im Mund und schreiben dazu. Das Wort führte ein Schattendasein in den Diskursen der Rechten, wurde aber anschwellend von Identitärer Bewegung und Junger Alternative in die Öffentlichkeit getragen. Die „Correctiv“-Recherche zum Geheimtreffen der Rechten und Identitären sowie die mediale Aufmerksamkeit sorgen katapultartig dafür das Wort für die Rechte kampagnenfähig zu machen. Die dürfte das freuen.

Um es vorweg zu sagen: Die Enthüllungen und die Arbeit des Recherche Teams von „Correctiv“ sind richtig und wichtig. Es ist richtig und gut, dass diese Enthüllungen öffentlich breit wahrgenommen und debattiert werden. „Correctiv“ lenkte damit den Scheinwerfer des öffentlichen Diskurses auf das was die Neue Rechte „Remigration“ nennen. Und es ist richtig nicht zu verschweigen, sondern sich fokussiert mit den Rechten kritisch zu befassen. Demokraten müssen sich inhaltlich mit den kruden und populistischen Kampagnen der Rechten auseinandersetzen und diese nicht befeuern, sondern ihnen Einhalt gebieten.

AfD Spitzenpolitiker sprechen in ihren Büchern von „Remigration“

Im August 2023 wählte die AfD ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Europawahl 2023. An die Spitze wählte sie Maximilian Krah aus Sachsen. Der warnte seine Partei davor sich im Ton zu mäßigen. Und der Sound des AfD-Parteitags war von einem Wort geprägt, das immer wieder fiel „Remigration“. Die Identitäre Bewegung nutzt dieses Wort seit Jahren. Irmhild Boßdorf aus Nordrhein-Westfalen will millionenfache Remigration und Pushbacks und meint: „egal, was der Europäische Gerichtshof dazu sagt“. Sie erhält 75 Prozent der Stimmen auf dem AfD Parteitag und den Listenplatz 9 zur Europawahl der AfD.

Aber zurück zu Krah. Der veröffentlichte im Antaios Verlag, Schnellroda im Juni 2023 in der ersten Auflage das Buch „Politik von Rechts“. Das Buch war schon drei Monate nach Ersterscheinung in der dritten Auflage erschienen. Schnellroda, da hat das Institut für Staatspolitik seinen Sitz, die rechte Denkfabrik von Götz Kubitschek. Krah sei dort gerne Gast, so die „tagesschau“. In seinem Buch skizziert Krah, was er unter „Remigration“ versteht. Er schreibt: „Aber selbst wenn sich eine restriktive und differenzierende Einwanderungspolitik in zehn Jahren politisch durchsetzen ließe – was angesichts der anstehenden ökonomischen, sozialen und politischen Verwerfungen zumindest vorstellbar ist – bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll“. Krah rechnet vor, und mit 25 Millionen Menschen, von denen 15 Millionen einen deutschen Pass hätten. Er kommt zu dem Schluss: „Es wird auch in zehn Jahren nicht ansatzweise eine politische Mehrheit, gar die verfassungs- und völkerrechtliche Möglichkeit, ganz zu schweigen von der praktischen Umsetzbarkeit, geben, diese Menschen gegen ihren Willen aus dem Land auszuweisen.“ Krah kommt zu dem Schluss, dass die „Remigration“ nur dann gelingen könne, wenn die nicht Integrationswilligen kooperierten. Dies will er durch Anreize, wie den Umbau des Sozialstaats erreichen. Auch in den Herkunftsländern will Krah deutsche Unternehmen investieren lassen und sie durch Investitionsschutzabkommen schützen und die Gewinne, die dort erzielt werden sollen, dann steuerbegünstigt nach Deutschland fließen. Daneben will Krah den Integrationsunwilligen, wenn diese sich nicht assimilieren, den Aufenthalt in Deutschland „vergällen“. Die Identitären setzen auf die gleiche Strategie, dass man diejenigen aus Deutschland vergraulen will, die sich nicht assimilieren wollen.

Durch diesen kleinen Auszug wird deutlich, wie weit die Debatte bei der AfD vorangeschritten ist, wenn deren Spitzenkandidat für das Europaparlament dies in dieser Detailtiefe in seinem Buch ausführt. Fakt ist, der Begriff „Remigration“ wie ihn Rechte nutzen, ist aktuell nichts wirklich Neues. Wer das Buch von Krah gelesen hatte, der wusste davon. Dort steht auch skizziert, wie sich die AfD das Leben in Deutschland in Zukunft vorstellt: hausbacken, kleinbürgerlich und jeder kontrolliert jeden.  

Die jungen Rechten tragen den smarten Begriff für „Ausländer raus“ auf die Straße

Die junge Alternative trug in Erfurt im Oktober 2023 ein gigantisches Banner auf die Straße. Dort stand unübersehbar „Deutsche Jugend fordert Remigration“. Die jungen Rechten skandierten „Re-Re-Remigration“. Das klingt schöner als „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“, meint aber das Gleiche. Diese alten Parolen, belastet etwa durch den Brandanschlag auf das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen zwischen dem 22. und 26. August 1992, werden jetzt ersetzt durch die smarte Wortschöpfung „Remigration“. Denn „Ausländer raus“ steht für die hässlichen und unfreundlichen Deutschen. Für den Deutschen, der damals auf dem bekannten Foto den deutschen Gruß zeigt und sich selbst in die Hose machte. Nach Krah ist der neue Rechte aber freundlich. Und die bildliche Inszenierung der Jungen Alternative mit dem Wort „Remigration“ visuell heroisch komponiert.

Dabei muss eines klar sein, egal wie die neuen Rechten die Vertreibungs- und Deportationsideen, -konzepte oder -pläne nennen, es ist und bleibt Rassismus.

Die Rechte freut die Debatte

Die Frage, die sich stellt ist, was werden die Recherchen zu den Vorgängen im Potsdamer Landhaus Adlon auslösen? Das kommt darauf an, wie die Debatte sich entwickelt. Denn eines ist klar, das Wort „Remigration“ ist jetzt in der breiten Bevölkerung gesetzt. Und das zu Jahresbeginn des Jahres in dem eine Europawahl und drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt anstehen. Sellner und Kubitschek dürften sich freuen über die zeitlich politisch passgenaue Positionierung ihrer Parole. Noch ist der Begriff in breiten Bevölkerungskreisen wenig inhaltlich aufgeladen und diffus, was damit gemeint ist.

Wird es die Grenzen dessen, was in der politischen Debatte gesagt werden darf weiter verschieben? Dieser Prozess beginnt jetzt. Sellner äußerte sich nach den Enthüllungen schnell öffentlich und gab zu Protokoll das seine Ideen „im patriotischen Lager breit und öffentlich diskutiert werden“. Sellner legte gleichzeitig nach und machte sein Konzept öffentlich: eine Stadt in Nordafrika pachten zu wollen und als Sonderwirtschaftszone auszuweisen. Damit lädt er jetzt den Begriff inhaltlich auf.  

Was machen Demokraten daraus?

Ob die rechte Parole und Kampagne rund um das Wort „Remigration“ politisch durchstartet hängt aber von mehreren Faktoren ab: Wie reagieren Demokraten darauf. Mit dem üblichen Achselzucken und bequemen Wegducken und Ignoranz? Mit eigenen vielleicht ein wenig abgemilderten populistischen Reaktionen? Weil man selbst glaubt vom Öffentlichkeits-Hype ein paar Pünktchen mitzunehmen, wenn etwas gesitteter hinterherformuliert wird. Erinnert sei an Bundeskanzler Scholz mit seinem Interview im „Spiegel“ als er forderte: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“

Demokraten dürfen sich nicht täuschen lassen. Der Begriff „Remigration“ ist kampagnenfähig, weil es eine Lösung verspricht, die keine ist, auch wenn das Wort so brav akademisch daherkommt. Daher wird es als Kampagne funktionieren und es braucht Demokraten die furchtlos diesem Gedankengut entgegentreten und diesem Paroli sowie ihm die Stirn bieten. Es braucht Demokraten, die die neue Rechte entlarven und es ist an der Zeit Klartext zu sprechen. Es ist an der Zeit aufzuklären, dass die Ideen der neuen Rechten nicht in eine bessere Zeit führen, sondern genau das Gegenteil bewirken werden. Es geht um die bewusste Klarheit, dass wir in einem demokratisch freiheitlich und rechtsstaatlich geprägten Gemeinwesen leben, von dem wir alle profitieren. In einem Staat, in dem Menschen sich und ihre Leistung gegenseitig respektieren, egal wo sie herkommen. Dass dies die Grundlage unseres modernen Gemeinwesens ist. Das Respekt gegenüber Menschen mit internationaler Familiengeschichte uns prägt und Respekt das Signal dafür ist, dass wir deren Lebensleistungen, die zum Erfolg dieses Landes beitragen, würdigen. Es muss Demokraten bewusst werden, dass die Alternative ein autokratisch geführter Kontrollstaat sein wird, der die Würde des Menschen mit Füßen treten wird, ganz gleich wo Du herkommst. Für Demokraten ist es an der Zeit der neuen Rechten nicht die inhaltliche Hoheit über den Begriff „Remigration“ zu gewähren, sondern ihn als das zu entlarven was er wirklich ist: menschenverachtend und rassistisch.