Report-k.de: 1995 wurden Sie als erste Frau in den DFB-Vorstand gewählt. Dort sind Sie noch heute unter 18 Mitgliedern die einzige Frau. Und auch in den Ausschüssen sind nur die Bereiche Frauenfußball und Integration mit Frauen besetzt. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Hannelore Ratzeburg, Vizepräsidentin beim DFB: Es stimmt, von 1995 bis 2007 gehörte ich dem Vorstand an und seit  2007 dem Präsidium. Die Beauftragte für Integration gehört zum Vorstand und mit beratender Stimme die Vorsitzende des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball. In einigen Ausschüssen und Kommissionen sind ebenfalls Frauen integriert. Auch Steffi Jones, als Präsidentin des Organisationskomitees  für die WM 2011 und jetzt als DFB-Direktorin für den Bereich Frauen-, Mädchen- und Schulfußball, arbeitet in einer sehr verantwortungsvollen Position.  Alle weiblichen Nationalmannschaften mit Silvia Neid an der Spitze werden von Frauen trainiert, dies ist ein Zeichen für das Vertrauen in die Kompetenz und Leistungsfähigkeit der Frauen.

Wie viele Frauen in Deutschland sind derzeit als aktive Spielerinnen beim DFB gemeldet?
Etwas mehr als eine Millionen Frauen und Mädchen sind als Mitglieder gemeldet. Allerdings spielen sie nicht alle, eine Statistik über aktive Spielerinnen wird nicht geführt.
 
Wie viele Fußballvereine haben eine eigene Frauenabteilung in Deutschland?
Eine solche Statistik wird nicht geführt, aber in Deutschland gibt es fast 26.000 Fußball-Vereine. Am Spielbetrieb nahmen in der Saison 2010/2011 5.486 Frauen- und 7.934 Mädchen-Mannschaften teil. Das ist eine tolle Entwicklung, wenn man vergleicht, dass wir in der Spielzeit 2000/2001 noch 3.402 Frauen- und 3.206 Mädchen-Mannschaften hatten.

Wie viele Entscheiderinnen gibt es in den Vorständen, Verwaltungs- und Aufsichtsräten der deutschen Fußballvereine?
Auch darüber führen wir keine Statistik. Aber wir ermutigen alle Vereine, Frauen und Mädchen in die Vereinsarbeit auf verschiedenen Ebenen einzubinden. Es wird ja immer von der Fußball-Familie geredet und dazu gehören selbstverständlich auch die Frauen und Mädchen. Es gibt keine Aufgabe im Fußball, die nicht von einer Frau ausgeübt werden könnte.

Warum sind so wenige Frauen in Führungspositionen vertreten?
Zunächst einmal zeigt sich ja, dass es in den vergangenen Jahren durchaus mehr Frauen geworden sind. Grundsätzlich liegt das sicher auch an den bereits in den Gremien tätigen Personen. Bei Neubesetzungen ist es meiner Meinung nach auch erforderlich, dass Frauen auf sich aufmerksam machen und Bereitschaft zur Mitarbeit äußern.

Wünschen Sie sich für die Entscheider-Positionen im deutschen Fußball eine Frauenquote?
In den vergangenen Jahren haben wir immer mehr Frauen in die Arbeit eingebunden. Ich hoffe und glaube, dass wir auch ohne eine solche Quote weiter kommen.

Wie sehen Sie den Vorbild-Charakter des Fußballs? Müssten der DFB und die Vereine nicht mit gutem Vorbild vorangehen und mehr Frauen in Entscheidungspositionen haben?
Wann hat man denn den Vorbild-Charakter erreicht? Gibt es dafür eine Quote? Ich denke, beim DFB herrscht eine Sensibilität für dieses Thema. Der DFB hat sich auch insgesamt klar positioniert, er fördert und befürwortet die Integration der Frauen in den Vereinen auf allen Ebenen.

Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf im und für den deutschen Frauenfußball?
Wir haben im Vergleich zu anderen Nationen ein sehr gutes Niveau erreicht. Nicht umsonst nimmt der deutsche Frauenfußball eine Vorreiterrolle ein. Dennoch ist die Entwicklung noch längst nicht ausgereizt. Der Frauen- und vor allen Dingen der Mädchenfußball sind  weiterhin von einer Dynamik geprägt, es werden permanent Fortschritte erzielt und es gibt noch viel Potenzial. Themenfelder sind zum Beispiel die Talentförderung, die wir weiter optimieren werden, oder die Spitzen-Vereine, in denen noch professionellere Strukturen aufgebaut werden können.

Sie sind Mitglied in der UEFA- und in der FIFA-Kommission. Wie steht Deutschland im europaweiten und weltweiten Vergleich in der Förderung des Frauenfußballs da?
Im internationalen Vergleich steht der DFB sehr gut da. Es gibt kaum einen anderen Verband, der den Frauenfußball so intensiv fördert. Und das schon über einen vergleichsweise langen Zeitraum. Viele Verbände haben sich erst in jüngster Vergangenheit dazu entschieden, sich im Frauenfußball zu engagieren. Das heißt, die Konkurrenz wächst weiter. Und das ist auch für uns ein Ansporn, unsere Entwicklung stetig voranzutreiben.

Liebe Frau Ratzeburg, vielen Dank für das Gespräch. Das Interview führte Cornelia Schlößer für report-k.de

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