Berlin | DGB-Chef Reiner Hoffmann bestärkt die Gewerkschaft Verdi darin, verkaufsoffene Sonntage gerichtlich verbieten zu lassen: „Ich kann das nur begrüßen, weil niemand eine komplette Entgrenzung von Arbeitszeit braucht. Dadurch wird nicht ein Pullover mehr verkauft, der Umsatz wird nur über längere Öffnungszeiten verteilt“, sagte Hoffmann der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Montagsausgabe). Die Gewerkschaft Verdi hatte zuletzt in Nordrhein-Westfalen zahlreiche verkaufsoffene Sonntage vor Gericht gekippt.

Hoffmann sagte, der DGB sei in dieser Frage „ganz eng bei den Kirchen“, der Sonntag müsse arbeitsfrei bleiben, außer in den Bereichen wie dem Gesundheitswesen oder der inneren Sicherheit, wo dies nicht möglich sei. Die Beschäftigten bräuchten ihre Ruhephasen. „Wir beobachten nicht zufällig seit Jahren steigende Fehlzeiten durch psychische Erkrankungen, oft aus Überlastung.“

Da sei es nicht sinnvoll, über einen siebten Arbeitstag in der Woche zu reden. Es sei zwar klar, dass gerade Beschäftigte mit geringem Einkommen ein Interesse hätten, über Sonntagszuschläge „ein paar Euro mehr zu verdienen“, sagte Hoffmann. Mit diesem Widerspruch müssten auch die Betriebsräte umgehen.

„Aber die Antwort kann nur sein, den Niedriglohnsektor trocken zu legen.“ Der DGB-Chef sagte, in Deutschland gebe es den nach Litauen größten Niedriglohnsektor in Europa. „22 Prozent der Erwerbstätigen verdienen weniger als 9,60 Euro pro Stunde. Das treibt die Menschen um“, sagte Hoffmann.

DGB-Chef relativiert sinkende Zahl an Gewerkschaftsmitgliedern

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann hat die sinkende Zahl an Gewerkschaftsmitgliedern relativiert. „Wir gewinnen jeden Tag bis zu 850 neue Mitglieder“, sagte er im ARD-„Bericht aus Berlin“. „Ich kenne keine gesellschaftliche Großorganisation in diesem Land, die täglich so viel Zuspruch erfährt.“

Vor gut 25 Jahren hatten die DGB-Gewerkschaften noch fast zwölf Millionen Mitglieder. Inzwischen sind es gut sechs Millionen: „Vor dem Hintergrund der Demografie verlieren wir auch Mitglieder“, so Hoffmann. Den von Bundesarbeitsministerin Nahles angekündigten „Pakt für anständige Löhne“ verteidigte der DGB-Chef.

„Frau Nahles beabsichtigt nicht, in die Tarifautonomie der Gewerkschaften einzugreifen. Aber wir haben es doch hier in den Bereichen, die Frau Nahles anspricht – im Dienstleistungsbereich, im Pflegebereich, in den sozialen Dienstleistungen – mit Branchen zu tun, die alle nicht tarifgebunden sind oder nur zu einem geringen Maße tarifgebunden sind.“ Eine Wahlempfehlung wollte der DGB-Vorsitzende nicht abgeben.

Der DGB sei parteipolitisch unabhängig. Der Gewerkschaftsbund sei Gesprächspartner für alle politischen Parteien jeder Couleur. Auf die SPD angesprochen konkretisierte Hoffmann: „Das Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften hat sich in den letzten Jahren durchaus wieder stabilisiert. Es gab eine schwierige Phase zu Zeiten von Agenda 2010.“

Autor: dts