Köln | aktualisiert | Heute haben rund 10.000 Menschen in Köln demonstriert. Im Vorfeld der Kundgebungen und Demonstrationen haben Stadt Köln und Polizei Köln Stimmung gegen die Demonstration gemacht, unter anderem das Bild massiver gewalttätiger Ausschreitungen öffentlich verbreitet. Eingetreten ist davon nichts. Dies wirft die Frage auf, dürfen staatliche Organe wie die Polizei und die Stadt Köln sich in die politische Meinungsbildung vor allem im sensiblen Bereich der Versammlungsfreiheit und politischen Meinungsbildung überhaupt einmischen?

Öffentlichkeitsarbeit oder politische Meinungsmache?

Der Kölner Polizeipräsident verfügt in den sozialen Medien über eine nicht zu unterschätzende Meinungsmacht. Das ist ihm sehr bewusst und er nutzt diese. Auf Twitter folgen der Kölner Polizei 66.000 Follower. Das sind in etwa genau so viele wie dem „Kölner Stadtanzeiger“, der 76.000 Follower hat. Auf Facebook haben über 98.000 User die Fanpage der Kölner Polizei abonniert. Dort streamt der Kölner Polizeipräsident seine Pressekonferenzen und postet seine Verlautbarungen. Und eigentlich ist er zu einer zurückhaltenden Öffentlichkeitsarbeit, die an der Wahrheit orientiert ist, verpflichtet.

Im Vorfeld der Demonstration erklärte Uwe Jacob, dass sich nicht einige, wenige, viele, nein tausende kurdische und türkische Jugendliche sich bewaffnet und hochemotionalisiert nach Köln aufmachen werden, um dort an den Demonstrationen teilzunehmen und die Konfrontation zu suchen. Woher Uwe Jacob diese Information hatte erklärte er nicht. Er sagte dies sogar während mit den Versammlungsanmeldern parallel noch Kooperationsgespräche im Polizeipräsidium liefen öffentlich, auf seinen Social Media Kanälen und diktierte dies den Journalisten ins Blöckchen. Die wiederum publizierten dies mit den entsprechenden Schlagzeilen. Jacobs drohte mit einem Verbot am Vorabend der Demonstrationen. Nach diesen öffentlichen Aussagen äußerte sich Kölns Oberbürgermeisterin, die zwar noch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ein hohes Gut nannte. Aber in der Öffentlichkeit waren die Demonstrationen bereits als gewalttätig durch die Polizei stigmatisiert.

Polizeipräsident löst Hass- und Empörungswelle aus

Über 800 Follower der Fanpage der Polizei Köln haben diesen Stream geteilt und viele kommentiert. Diese Kommentare kontrolliert die Polizei aber nicht und lässt Kommentare zu wie: „D.T. · 3:28 Trotzdem der Polizei alles gute das ihr das gesund übersteht. Und denkt dran ihr habt Waffen dann nutzt die auch“ oder „N.C.: · 0:53 Ich hoffe morgen Abend sind die Tiere wieder in ihren Löchern“ sowie „T.J. · 2:10 Feuer frei!“ Immer wieder wird zudem in den Kommentaren eine sofortige Absage der Demonstration gefordert. Dies zeigt, dass die Menschen natürlich Jacobs glauben, aber auch, dass die Polizei Hasspostings auf ihrer Social Media-Fanpage bis heute zulässt. Und dies nach den Diskussionen der letzten Wochen und Tage über Hass im Netz.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kölner Polizei und ihre Polizeipräsidenten, massiv auf die öffentliche Meinungsbildung einwirken und gerade im Umfeld von kurdischen Veranstaltungen. Erinnert sei an Jacobs Vorgänger Mathies, heute Staatssekretär im Innenministerium NRW, der einmal behauptete im Rheinenergiestadion seinen 30.000 Kurden zu Straftätern geworden, weil sie ein Plakat, dass auf den Stühlen auslag hochhoben. Denn auf diesem Plakat war in Minigröße ein Logo einer verbotenen Organisation abgedruckt. Etwas, was Ihnen eigentlich nicht zusteht, denn als staatliche Behörde sind sie zur Neutralität verpflichtet und ganz besonders, wenn es um die Versammlungsfreiheit geht. Dies hat zuletzt auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, als er sich mit dem Twittern von Polizeibehörden befasste, festgestellt. Denn Demonstrationen und Versammlungen dienen der politischen Meinungsbildung in einer Demokratie, weil sie den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich politisch zu äußern.

So schreibt der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages: „Im Zusammenhang mit dieser gewünschten Kommunikation spricht das Bundesverfassungsgericht von „verfahrensrechtlichen Obliegenheiten“, nach denen „gegenüber den Veranstaltern und Teilnehmern von Großdemonstrationen keine Anforderungen gestellt werden dürfen, welche den Charakter von Demonstrationen als prinzipiell staatsfreie unreglementierte Beiträge zur politischen Meinungsbildung und Willensbildung sowie die Selbstbestimmung der Veranstalter über Art und Inhalt der Demonstrationen aushöhlen würden.“ Diese Grundsätze können insoweit auf twitterndes Verhalten der Polizei bei Großveranstaltungen übertragen werden, als auch hier darauf zu achten ist, dass sich die verfassten Nachrichten sachlich richtig gestalten und nicht durch ihre Masse oder durch unrichtige Angaben bewirken, dass eine eigentlich friedlich verlaufende Demonstration durch übertriebene, ja inhaltlich falsche Mitteilungen der Polizei einen diffamierenden Charakter erhält, der dazu führt, dass sich eigentlich zur Teilnahme bereite Bürgerinnen und Bürger von der Teilnahme distanzieren.“ Die gesamte Einschätzung des Deutschen Bundestages finden Sie hier

Die Linke fragt woher der Kölner Polizeipräsident seine Informationen habe?

Die Kölner Linke zitiert den Kölner Polizeipräsidenten: „So, so, der Kölner Polizeipräsident erklärte um 12:37 Uhr auf dem Chlodwigplatz: ‚Es ist erstaunlich, wie friedlich es bislang ist. Ich hoffe es bleibt so. Es blieb so.“ Es bliebe eine Frage offen, woher der Polizeipräsident seine Informationen habe. Er sprach von Erkenntnissen von anderen Sicherheitsbehörden. Die Linke fragt: „Was sind wohl „andere Sicherheitsbehörden“? Der Verfassungsschutz, das CSU-Innenministerium? Oder ist der Kölner Polizeipräsident auf den türkischen Geheimdienst reingefallen? Ein Rätsel, das er auflösen könnte!“

Die Kölner Polizei ist in der Pflicht, sich in ihrer Öffentlichkeitsarbeit an Recht und Gesetz zu halten, dies gilt ganz besonders wenn es um die Versammlungsfreiheit geht. Medien sind in der Pflicht eine Behörde und ihre Aussage zu hinterfragen oder wenigstens die Anmelder einer Demonstration zu kontaktieren, bevor sie nur die Seite der Polizei darstellen. Wie wenig sich die Polizei an das Neutralitätsgebot und korrekte Darstellungen hält, zeigt auch die Überschrift, die im besten Boulevardstil, die veröffentlichte Meldung nach den Demonstrationen ziert und weiter an der Stimmungsschraube dreht: „Kurdendemo in Köln weitgehend störungsfrei“ (POL-K: 191019-1-K vom 19.10.2019 – 17:34). Richtig ist, dass es sich um die Demonstration „Gegen den Angriff der Türkei, Solidarität mit Rojava”, angemeldet von der Interventionistischen Linken Köln, handelt und nicht um irgendeine „Kurdendemo“. Nur mit korrekten Darstellungen ohne Emotionalisierung gewinnt auch die Polizei weniger Nutzerinnen und Nutzer auf ihren diversen sozialen Medienkanälen und es gibt weniger Kommentare, Likes und Faves. Die sind aber wichtig, dass die Nutzerzahlen und das Ranking der Fanpage steigen.

Autor: Andi Goral
Foto: Polizisten kontrollieren Fahnen von Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmern am Kölner Ebertplatz