"Ein kompletter Umzug müsste eingebettet sein in eine große Reform der Administration", sagte der frühere Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagausgabe). Es müsse eine "Weiterentwicklung des Hauptstadtbeschlusses" geben, so Clement. Man solle die "Gelegenheit nutzen, alle Ministerien zu straffen und auf wesentliche Aufgaben zu konzentrieren. Die Bundesministerien haben sich durch die Bank viel zu viele Aufgaben angeeignet." Clement revidiert seine frühere Kritik am Hauptstadtumzug an die Spree. "Man muss sagen, dass die Umstrukturierung nach dem Hauptstadtbeschluss gelungen ist." Der ehemalige Sozialdemokrat hatte als Chef der Staatskanzlei unter NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) vor der parlamentarischen Abstimmung am 20. Juni 1991 vehement dafür geworben, dass Bonn bundesdeutsche Hauptstadt bleibt. Das sieht er mittlerweile anders: "Die Sorge vor einem politischen Zentralismus ist nicht mehr in dem Maße gerechtfertigt. Wir sind inzwischen an den Grenzen der Belastbarkeit der föderalen Struktur angekommen. Wir sind in Teilen nicht ausreichend handlungsfähig", sagte Clement.

Die europäische Entwicklung sei wesentlich schneller vorangegangen als gedacht und der nationale Einfluss geringer geworden. Zur Reform der Administration sagte Clement weiter, man könnte eine elegante Reform der Administration vornehmen und in Bonn Einrichtungen schaffen, die getrennt von den Ministerien agieren." Als "gelungene Beispiele" bezeichnete Clement das Bundesamt für Justiz, die Zusammenführung der Entwicklungshilfeorganisationen und die Bundesnetzagentur. Der Wahl-Bonner Clement ist der Ansicht, dass die Stadt Bonn einen kompletten Abzug verkraften würde. "Bonn ist kein Fall mehr für mitleidige Operationen. Bonn ist eine sehr gute entwickelte Stadt. Die Ministerien sind nicht mehr prägend für Bonn", sagte Clement. Es müsse jemand dieses Reformthema vorantreiben, der "nicht im politischen Tagesgefecht" stehe: "Das wäre eigentlich eine Aufgabe für den Bundespräsidenten."

aktualisiert um 17:25 Uhr

Landesregierung NRW steht zum Standort Bonn
Angelica Schwall-Düren, Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: „Alle Jahre wieder kommt die Diskussion über das Bonn-Berlin-Gesetz auf. Anlässlich des 20. Geburtstages des Gesetzes stellt die Landesregierung fest, dass das Bonn-Berlin-Gesetz sich bewährt hat. Auch die mögliche Umstrukturierung von Bundesministerien kann deshalb kein Anlass dafür sein, das Gesetz in Frage zu stellen oder klammheimlich auszuhöhlen. Ohne sich notwendigen Anpassungen entgegen stellen zu wollen, verlangt die Landesregierung, dass die Bundesregierung ihren Verpflichtungen nachkommt, die sie selbst erneut im Koalitionsvertrag unterstrichen hat. Der Charakter Bonns als Bundesstadt ist auch in Zukunft über dort angesiedelte Bundeseinrichtungen zu wahren. Dazu gehört auch die Bedeutung Bonns als Zentrum der internationalen Zusammenarbeit. Erfreulicherweise ist es in zähen Verhandlungen gelungen, den Erst-Sitz der GIZ in die Stadt am Rhein zu bringen. Auch die erfolgreiche Ansiedlung von 18 UN-Behörden und 50 international tätigen Einrichtungen verlangt weiteres Engagement von der Bundesregierung für Bonn als ‚internationale Stadt’. Eines ist klar: die Landesregierung wird nicht akzeptieren, dass gegen Geist und Absicht des Bonn-Berlin-Gesetzes verstoßen wird. Und sie wird sich selbst auch zukünftig für den Standort Bonn einsetzen.“


[dts]