Düsseldorf | aktualisiert | Verabschiedung mit 333 Tagen Verspätung: Der nordrhein-westfälische Landtag hat dem Etat für das Jahr 2012 zugestimmt. Scheiterte der erste Entwurf im Frühjahr noch an dem geschlossenen Nein der Opposition gegen die rot-grüne Minderheitsregierung, reichte am Mittwoch die neue Mehrheit des von SPD und Grünen geführten Regierungslagers. Die Kritik an dem Zahlenwerk bleibt dennoch bestehen.

Das Haushaltsvolumen liegt bei fast 60 Milliarden Euro. Die neuen Schulden belaufen sich auf rund 4,3 Milliarden Euro – nach Meinung von CDU und FDP viel zu hoch. „Diese Regierung wollte nie ernst sparen und will es auch weiterhin nicht“, sagte der CDU-Haushaltsexperte Marcus Optendrenk vor der Verabschiedung im Düsseldorfer Landtag. NRW sei unter allen Bundesländern Schlusslicht bei der Haushaltskonsolidierung und setze auf „vermeintlich präventive Schuldenmacherei“. Auch sei unklar, wie die Schuldenbremse ab 2020 eingehalten werden solle.

Der FDP-Finanzexperte Ralf Witzel forderte Rot-Grün auf, „immer neue Wahlgeschenke auf Pump zu verteilen“, um die Weichen auf Konsolidierung zu stellen. Konkrete nannte er die Abschaffung der Studiengebühren und das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr.

Kritik übte der Freidemokrat daran, dass die Landesregierung seit 2010 über 2.000 zusätzliche Stellen geschaffen habe. „Sämtliche Staatsaufgaben und -ausgaben müssen gründlich auf Notwendigkeit und Effizienz geprüft werden“, sagte Witzel. Dass es trotz Rekordeinnahmen eine Neuverschuldung von fast 4,3 Milliarden Euro gebe, sei „unverantwortlich“. Die Piraten hielten hingegen an ihren Forderungen nach Mehrausgaben in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro fest.

Nachhaltige Konsolidierung

Ungeachtet der Kritik von allen Seiten verteidigte Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) seinen Haushalt. Rot-Grün bleibe bei seiner „nachhaltigen Konsolidierung“ und investiere weiter in wichtige Felder wie die Sozialpolitik und die Kommunen. „Wir werden auch weiterhin unsere Ziele auf dem Weg zur Schuldenbremse einhalten“, sagte Walter-Borjans.

Eine Bestätigung für seine Finanzpolitik konnte der Minister parallel zur Haushaltsverabschiedung präsentieren. Bei der Ratingagentur Fitch behält NRW seine sehr gute Bewertung der Kreditwürdigkeit. Das Land wird auch weiterhin mit der Bestnote AAA mit stabilem Ausblick für Langzeitverpflichtungen geführt. Die Ratingagentur, die auch die guten Noten für fünf weitere Bundesländer beibehielt, begründete den Schritt mit dem föderalen System der Bundesrepublik, das Ländern in Geldnot Unterstützung garantiert.

Ein geschichtsträchtiger Haushalt in NRW

Der Landeshaushalt für das Jahr 2012 hat schon jetzt einen Platz in den Geschichtsbüchern der nordrhein-westfälischen Landespolitik sicher. Das Scheitern des Zahlenwerkes vor dem Landtag im März brachte die damalige Minderheitsregierung zu Fall und sorgte für Neuwahlen an Rhein und Ruhr. Mehr als acht Monate später hat das Parlament am Mittwoch den neuen Haushaltsentwurf verabschiedet. Dank der neuen rot-grünen Mehrheit galt ein Ja des Landtages dieses Mal als sicher.

Monatelang bemühte sich die Minderheitsregierung von Hannelore Kraft (SPD) um Zustimmung für den Haushalt aus den Reihen der Opposition. Knüpften die Linken ihre Unterstützung an Mehrausgaben in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro, beklagten CDU und FDP einen mangelnden Sparwillen der Koalition. Die veranschlagte Nettoneuverschuldung in Höhe von 3,6 Milliarden Euro war ihnen zu hoch. Auf den Fluren des Düsseldorfer Landtages wurde allerdings spekuliert, dass die Landesregierung den Freidemokraten noch entgegenkommen und sich damit deren Zustimmung sichern würde.

Ein Vermerk aus der Landtagsverwaltung sorgte dann Mitte März für plötzliche Unruhe. Juristen waren zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits die Ablehnung eines Einzeletats in der zweiten Landtagslesung den gesamten Etat zu Fall bringe. Alle Fraktionen waren bis dato davon ausgegangen, dass es erst in der dritten Lesung zum „Showdown“ kommen werde und bis dahin noch Zeit für Gespräche sei. Trotz der über Nacht neuen Umstände war aber keine Oppositionsfraktion bereit, dem Etat nun doch ihren Segen zu erteilen. Sie alle hielten das Zahlenwerk weiterhin für nicht zustimmungsfähig. So wurde am 14. März der Haushaltsentwurf mit 91 Nein- und 90 Ja-Stimmen abgelehnt. Wenige Stunden später löste sich der Landtag auf und es standen unerwartet Neuwahlen an.

Mittlerweile herrschen an Rhein und Ruhr wieder klare politische Verhältnisse. SPD und Grüne haben die Landtagswahl für sich entschieden und regieren mit eigener Mehrheit. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat den Haushaltsentwurf an einigen Stellen überarbeitet und plant nun mit einer Nettoneuverschuldung von rund 4,3 Milliarden Euro. Grund für die Erhöhung: NRW muss für die Nachfolgeinstitute der WestLB eine Eigenkapitalspritze lockermachen. Die Opposition hat sich in den vergangenen Wochen mit eigenen Sparvorschlägen zurückgehalten. Das meiste Geld ist Ende November sowieso schon ausgegeben.

Der Landeshaushalt 2012 in sechs Daten

– der Landeshaushalt für das Jahr 2012 umfasst Ausgaben in Höhe von 58,9 Milliarden Euro;

– die Neuverschuldung beträgt rund 4,3 Milliarden Euro;

– eine Milliarde entfällt davon auf die Abwicklung der WestLB;

– den größten Anteil an den Ausgaben nehmen mit 23,7 Milliarden Euro Zuweisungen und Zuschüsse ein – etwa an Kommunen, Hochschulen und Kliniken;

– für Personal gibt das Land rund 22 Milliarden Euro aus, der Schuldendienst schlägt mit 4,3 Milliarden Euro zu Buche;

– an Steuereinnahmen erwartet die Landesregierung 43,1 Milliarden Euro

Autor: Christian Wolf, dapd | Foto: Tim Schulz/dapd
Foto: Die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD, r.), die Ministerin für Schule und Weiterbildung in Nordrhein-Westfalen, Sylvia Loehrmann (Bündnis 90/Die Grünen), und der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD)