In der Nähe des Reichenspergerplatzes fand die Brüder Heitger 1928 Unterschlupf. Foto: Eppinger

Köln Geboren wurden Hans und Heinz Heitger als die Söhne kleiner Leute in Gelsenkirchen. Ihren Tod fanden die beiden nach blutigen Auseinandersetzungen mit der Polizei in Köln. 1927 und 1928 waren die Taten der beiden das Gesprächsthema in der Weimarer Republik. Sie töteten einen Geldboten bei einem Überfall in Essen und raubten in Gladbeck brutal eine Bank aus. In Bayern lieferten sie sich eine Messerstecherei und brachen frech ins Münchener Polizeipräsidium ein.

Der Autor Anselm Weyer (r.) und sein Kollege Wolfgang Kaes im Greven-Verlag. Foto: Eppinger

Dabei hatte das Leben der jugendlichen Outlaws durchaus geordnet begonnen. In Gelsenkirchen als Söhne eines Bergmanns geboren, wuchsen die Brüder in Essen bei ihrem Stiefvater auf. Dort waren die Jungs mit den abstehenden Ohren und den großen Nasenlöchern durchaus beliebt. Sie waren gut in der Schule und zeigten sich als gute Katholiken regelmäßig in der Kirche. Dabei war die Zeit ziemlich unruhig: Rechte Kräfte probten den Aufstand gegen die Demokratie und die Arbeiter formierten sich zur Roten Ruhrarmee, um eine Diktatur zu verhindern.

Von den braven Jugendlichen zu jungen Schwerverbrechern

Nur ein paar Jahre später kommen die Brüder und ihr Freund aus der Nachbarschaft, Karl Lindemann, auf die schiefe Bahn und werden zum Gesprächsthema der Menschen in ganz Deutschland. Nicht ganz unbeteiligt am Wandel war sich Willi Hübsche, der Vetter der beiden, der schon früh mit dem Gesetz in Konflikt kommt.

Nach ihren Taten in Essen und Gladbeck beginnt eine Flucht durch halb Deutschland, die 1928 im Kölner Stadtteil Riehl ihr blutiges Ende nimmt. Im September kommen die Brüder mit ihrem Freund Karl am Kölner Hauptbahnhof an. Unterkunft finden die Flüchtigen beim Postschaffner Rensinghoff und seiner Frau, die unweit des Reichenspergerplatzes unter der Hand Zimmer vermieten.

Zunächst geht alles gut. Die Gäste zahlen regelmäßig ihre Miete in bar. Dabei lassen sie es sich richtig gut gehen. Als das Trio Mitte Oktober auszieht, entdeckt das Paar, wem sie da Unterschlupf gewährt haben. Und die Gäste kehren zurück. Am 20. Oktober 1928 meldet Rensinghoff die jungen Raubmörder der Polizei. Es dauert, bis Kriminalassistent Vollmer mit drei Kollegen vor Ort ist.

Das Buchcover. Foto: Greven Verlag

Die Polizisten schaffen es, die drei Verbrecher zu stellen und verletzten dabei Heinz Heitger. Doch sie warten dabei nicht auf Verstärkung – ein Fehler, den Vollmer beim Abtransport mit dem Leben bezahlt. Nach einem Kampf im Auto an der Riehler Straße fliehen die Brüder in Richtung Zoo – verfolgt vom Landjäger Schmitz, der vom wütenden Volk aber brutal gestoppt wird.

Derweil geht die Flucht der Heitgers im gestohlenen Auto weiter und führt die verletzten Brüder zu einem Arzt in Sülz. Auch dort werden die Brüder entdeckt, doch es kommt zu keinem Zugriff. Der Fluchtwagen wird schließlich in der Südstadt gefunden. Köln gleicht da schon einer Stadt im Kriegszustand. Alle jagen die Heitgers.

Auf der Flucht kapern die Brüder auch eine Straßenbahn. Zuvor hatten sich die beiden in den Kölner Straßen eine wilde Schießerei geliefert. Es gibt weitere Verletzte. Mit der Linie 12 sind die Heitgers nun in Richtung Zoo unterwegs und fliehen schließlich dort in eine Grünanlage. Dort endet für Heinz schwer verletzt die Flucht. Er stirbt nur kurze Zeit später an seinen Verwundungen.

Beide Brüder sterben bei der Flucht in Köln

Seinem Bruder Hans gelingt die Flucht. Er verschanzt sich in der Villa eines Juristen. Dort gelingt es der Polizei schließlich mit Handgranaten und Schusswaffen, Hans aus seinem Versteck zu holen. Ein Polizist überlebt diese Auseinandersetzung nicht. Auch Hans stirbt an seinen Verletzungen nach der Festnahme und wird gemeinsam mit seinem Bruder ohne Pfarrer in Essen beigesetzt.

Während die verbrecherischen Brüder mit 20 bzw. 23 Jahren von manchen Zeitgenossen wie amerikanische Outlaws oder Helden der Arbeiterklasse verehrt wurden und Kinder in Köln die Verfolgungsjagd auf den Straßen nachspielten, zog ihr Vetter Willi Hübsche als rücksichtsloser Einbrecher weiter seine Bahnen. Am Ende wird er nach dem Mord an einem Hausbesitzer selbst zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Einblicke in den Wilden Westen in der Weimarer Republik gibt in seinem Buch der Kölner Autor Anselm Weyer, der die blutige Spur der Brüder Heitger und ihrer Komplizen genau recherchiert hat und die Geschichte als wahren Krimi außerordentlich spannend, aber auch fundiert schildert.

“Ich hatte als Journalist an einer Serie über Kriminalfälle in der Weimarer Republik gearbeitet. Damals bin ich über die sensationelle Geschichte gestolpert, die bei der Recherche immer wilder wurde. Die dramaturgische Elemente haben mich an einen Western erinnert. Meine Quellen waren Zeitungsberichte und Gerichtsakten”, berichtet Weyer.

Viel Lob für das Buch gab es vom Krimiautor Wolfgang Kaes: “Das ist eine höchst spannende Geschichte. Die Dramaturgie und die spezielle Sprache haben mich überzeugt. Beim Lesen dachte ich an die Geiselnahme in Gladbeck im Jahr 1988. Anders als die Täter von damals waren die Brüder Heitger und ihre Komplizen in feinen Anzügen und schicken Limousinen unterwegs. Und sie nahmen keine Geiseln, sondern schossen alles nieder. Mit ihren Taten haben sie die Republik über Monate in Atem gehalten.”

Anselm Weyer: Wie die Brüder Heitger und ihre Spießgesellen eine Blutspur durch halb Deutschland zogen, Greven Verlag, 238 Seiten, 20 Euro