Luxemburg | aktualisiert | Die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäisches Recht und ist ungültig. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg entschieden. Demnach ist die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne einen Verdacht auf Straftaten nicht mit dem EU-Recht vereinbar.

Stattdessen müsse die verdachtlose Speicherung von Verbindungsdaten von Telefonaten und E-Mails künftig „auf das absolut Notwendige beschränkt“ werden, urteilten die Richter. Mit seinem Entscheid kippt der EuGH die EU-Richtlinie zur Speicherung von Telefon- und E-Mail-Kommunikationsdaten, die nach den Terroranschlägen von Madrid 2004 eingeführt worden war. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres hatte einer der Generalanwälte am EuGH, Pedro Cruz Villalon, wichtige Bestandteile der EU-Richtlinie beanstandet und die Vorratsdatenspeicherung als „qualifizierten Eingriff in das Privatleben“ der EU-Bürger bezeichnet.

De Maizière will nach EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung rasche Neuregelung

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung dringt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine rasche Neuregelung. „Auch wenn die Richtlinie selbst nun aufgehoben wurde, hat die Entscheidung aber Gewissheit gebracht, dass das Instrument der Vorratsdatenspeicherung sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich zulässig ist. Das Urteil legt in der Sache nach erster Durchsicht in etwa die gleichen Maßstäbe an, wie das Bundesverfassungsgericht und darauf fußend die Koalitionsvereinbarung“, sagte der Innenminister am Dienstag.

„Da wir dieses Instrument dringend zur Aufklärung schwerer Straftaten sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben benötigen, dränge ich rasch auf eine kluge, verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung.“ Der dringende fachliche Bedarf werde insbesondere „von den Praktikern“ immer wieder betont, so de Maizière weiter. „Neben der Innenministerkonferenz hat jüngst auch der Deutsche Richterbund die Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung als unerlässliches Instrument gegen die Verbrechensbekämpfung bezeichnet.“

Der EuGH hatte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am Dienstag für ungültig erklärt. Die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne einen Verdacht auf Straftaten sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Stattdessen müsse die verdachtlose Speicherung von Verbindungsdaten von Telefonaten und E-Mails künftig „auf das absolut Notwendige beschränkt“ werden, urteilten die Richter.

Leutheusser-Schnarrenberger warnt vor Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gewarnt, in Deutschland ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einzuführen. „Die Überwachungsfreunde sollten nicht wieder behaupten, sie hätten gewonnen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der „Welt“. „Es ist Zeit für eine neue Ehrlichkeit im Umgang mit der anlasslosen Überwachung.“Jetzt habe die Politik die Chance zu zeigen, dass die massenhafte Ausspähung von Millionen unbescholtener Bürger beendet werden könne, so die ehemalige Justizministerin: „Die Vorratsdatenspeicherung gehört in die Geschichtsbücher.“ Die Situation in Deutschland habe sich auch durch die Massenüberwachung der NSA geändert, sagte die FDP-Politikerin. „Jetzt muss Schluss sein mit der gesetzlich verordneten Massenspeicherung von Telekommunikationsdaten, zu denen die NSA in Amerika problemlos Zugang haben. Die Bürger sind nicht potentielle Terroristen.“ Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), verteidigte seinerseits die Einigung im schwarz-roten Koalitionsvertrag zur Vorratsdatenspeicherung: „Die Entscheidung des EuGH hat an der Notwendigkeit der Mindestspeicherfrist nichts geändert“, sagte der Innenexperte. Allerdings müsse sich jede innerstaatliche Neuregelung an die Vorgaben der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH halten.

„Die Reduzierung der Speicherfrist auf nur drei Monate ist bereits beschlossene Sache und im Kern geht es jetzt noch um die Klärung der Frage, für die Abwehr und Aufklärung welcher Straftaten die Daten genutzt werden dürfen.“ Für den stellvertretenden FDP-Chef Wolfgang Kubicki ist das Urteil des EuGH „ein eindeutiger Sieg des Rechtsstaats“. Der Gerichtshof strafe mit seinem Urteil all jene ab, „die die Freiheitsrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger mit diffusen Ängsten vor Kriminalität oder Terror einschränken wollten“, sagte Kubicki am Dienstag.

Der EuGH hatte die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am Dienstag für ungültig erklärt. Die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne einen Verdacht auf Straftaten sei nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Stattdessen müsse die verdachtlose Speicherung von Verbindungsdaten von Telefonaten und E-Mails künftig „auf das absolut Notwendige beschränkt“ werden, urteilten die Richter.

NRW-Innenminister Jäger: Urteil „richtungsweisend“

Als „richtungsweisend“ bezeichnete NRW-Innenminister und Vorsitzender der Innenministerkonferenz Ralf Jäger das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Mindestspeicherfrist von Verbindungsdaten. „Wir wollen einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem Recht des Einzelnen auf Freiheit und seinem Recht auf Sicherheit“, erklärte Jäger heute (8.4.) in Düsseldorf. „Der EuGH und das Bundesverfassungsgericht haben aufgezeigt, dass die Sicherheitsinteressen des Einzelnen und datenschutzrechtliche Vorgaben in Einklang zu bringen sind. Das ist der Maßstab.“

Für den IMK-Vorsitzenden steht fest: „Die Sicherheitsbehörden brauchen effektive Mittel, um gegen schwerste Kriminalität vorgehen zu können. Jetzt gilt es, das Urteil genau zu analysieren. Danach muss die Koalition in Berlin entscheiden, wie eine rechtstaatliche Lösung aussehen kann. Deutschland hat die Aufgabe, sich auf europäischer Ebene einzubringen.“
 
 

Autor: dts, dd
Foto: Symbolfoto