Jarchow: "Aids hat die Szene verändert"

Jarchow erinnerte in seiner Ansprache vor allem an Jean Claude Letiste, der 1990 an Aids verstarb, der früh durch seine Kontakte in die USA und nach San Francisco von der Krankheit wusste und mit Gleichgesinnten darauf drängte in Köln und in Deutschland mit der Prävention zu beginnen. In Dr. Jan Leidel, damals noch Seuchenexperte beim Kölner Gesundheitsamt und später dessen Leiter fanden die Aktivisten einen Mann der mit Ihnen am gleichen Strang zog und so konnte das "Kölner Modell" mit seinem bundesweiten Vorbildcharakter entstehen. Jarchow erinnerte aber auch an Gerd, den ersten Menschen in Köln der mit HIV infiziert war und der mit einer Anzeige in einer Kölner Monatszeitung Hilfe suchte. Gerd war in der Kölner Region aufgewachsen, dann nach Köln gezogen um sein Schwulsein zu leben. Mit der Krankheit wurde Gerd gegenüber seiner Familie geoutet, sein Freund ließ ihn im Stich. Jarchow machte deutlich, dass Politikerinnen wie Rita Süssmuth, die forderten die Krankheit und nicht die Menschen zu bekämpfen, wichtig waren, aber es auch wichtig war das Selbstbewußtsein schwuler Männer zu stärken, um mit den Präventionskampagnen Erfolg zu haben. Der Ausbruch der Krankheit habe die Szene verändert und wenig hilfreich waren Headlines im Kölner Boulevardmedium "Express", der titelte "Aids durch Mücken". Jarchow sprach von einer regelrechten Hysterie und Menschen mit keinem Risiko wollten sich testen lassen. Tests gab es in Köln nur in Verbindung mit einer Beratung und das man in Köln Verbündete unter den Szenewirten und Saunabetreibern gefunden habe, war wichtig, so Jarchow. Jarchow wertet aber auch die getrennte Ansprache von unterschiedlichen Zielgruppen – der Staat die Allgemeinbevölkerung und die Selbsthilfegruppen wirkten in die Szenen hinein – als besonders wirkungsvoll.


Jarchow ist davon überzeugt, dass sich das gesellschaftliche Klima heute gewandelt hat und die Bilder vom "alten Aids" würden sich auch durch die Behandlungsmethoden verändern. Aber so Jarchow, die Krankheit ist immer noch unheilbar und die lebenslange Behandlung mit massiven Nebenwirkungen behaftet, die auch zum Tod führen können. Jarchow: "HIV bleibt ein Damoklesschwert", auch weil die Krankheit oft mit sozialer und materieller Not einhergeht, vor allem in den Drogen- und Prostituierten-Milieus. Man dürfe die Krankheit nicht bagatellisieren und verharmlosen, denn sie bedeute für jeden Menschen einen tiefgreifenden Einschnitt, so Jarchow weiter.

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