Köln | Es gibt schwere Vorwürfe gegen Beamte der Kölner Polizeiwache in Ehrenfeld. Sie sollen einem Mann einen Arm gebrochen und ihm die nötige medizinische Versorgung versagt haben. Die Kölner Polizei weist diese Vorwürfe zurück, bestätigt den Einsatz am 5. Juni um 23:20 Uhr. Heute gab es eine Kundgebung vor der Ehrenfelder Wache.

Die Sicht der Kölner Polizei zur Festnahme

Die Kölner Polizei schreibt, dass dem Einsatz in der Liebigstraße in Köln-Ehrenfeld ein Notruf vorausgegangen sei. Bei diesem sei eine körperliche Auseinandersetzung zwischen mehreren Beteiligten gemeldet worden. Im Zuge des Einsatzes wollten die Beamten die Personalien der Personen feststellen, die vor Ort angetroffen wurden. Ein 35-Jähriger habe Widerstand geleistet und die Beamten beleidigt, so Polizeisprecher Gilles, gegenüber dieser Internetzeitung. Der Mann sei in Gewahrsam genommen worden, weil er alkoholisert gewesen und aggressiv aufgetreten sei. Von Ehrenfeld sei der Mann nach Köln-Kalk ins Polizeipräsidium gebracht worden und dort sei ihm von einem Arzt auf Anordnung der Staatsanwaltschaft eine Blutprobe entnommen worden.

So schildert die Sozialistische Selbsthilfe Köln – SSK e.V. in Köln-Ehrenfeld die Festnahme

Die Polizei habe das Gelände des SSK an der Liebigstraße aufgesucht. Dort befindet sich ein Möbellager und Menschen wohnen dort. Der SSK: „Als ein Bewohner und Mitarbeiter des SSK das Tor zum Grundstück des Vereins öffnete, um nach dem Grund für den Polizeieinsatz zu fragen, wurde dieser aus dem Tor gezerrt, von Polizisten zu Boden gebracht und ihm beim Verdrehen des Arms auf den Rücken dieser gebrochen. Daraufhin wurde das SSK-Mitglied gefesselt und in einem Polizeiauto davongefahren.“

Vorwürfe über die Behandlung im Polizeigewahrsam

Im Polizeigewahrsam sei der Mann aufgefordert worden sich nackt auszuziehen. Es erfolgte eine demütigende Kontrolle seines Körpers und er sei nackt in eine Zelle gesperrt worden. Seine Kleidung derer er sich zuvor entledigen musste sei ihm in die Zelle hinterher geworfen worden. Es sei ihm schwer gefallen aufgrund seines gebrochenen Arms diese wieder anzulegen. Später habe ihm ein Arzt aus dem gebrochenen Arm Blut entnommen.

Die Kölner Polizei spricht von einer gründlichen Durchsuchung, wie sie die Gewahrsamsvollzugsverordnung vorsehe, um eine Eigen- und Fremdgefährdung auszuschließen. Polizeisprecher Gilles: „Im Einzelfall kann hierzu das Ablegen der Kleidung unter Wahrung der Diskretion gehören. Aufgrund der konkreten Umstände dieses Einzelfalls erfolgte die Entkleidung hier, um das Verstecken von gefährlichen Gegenständen oder weiteren Spirituosen zu unterbinden.“

Polizei spricht von Kratzspuren am Arm

Die Kölner Polizei spricht davon, dass Kratzspuren am Arm des Mannes dokumentiert worden seien. Weiter schreibt Polizeisprecher Gilles: „Hinweise auf eine Fraktur wurden während des gesamten Einsatzverlaufs weder von den festnehmenden und durchsuchenden Beamten, noch durch den Arzt, der die Blutprobe aus diesem Arm entnahm, festgestellt. Es wird hier als lebensfremd eingeschätzt, wenn ein Mediziner, der eine Blutprobe entnimmt, dabei eine Fraktur übersehen würde. Im Übrigen ist eine solche Verletzung auch bis heute von dem Betroffenen nicht bei der Polizei angezeigt worden.“

Aus polizeilicher Sicht sei kein strafrechtliches Verhalten der Beamten zu erkennen und es sei kein Ermittlungsverfahren gegen diese eingeleitet worden.

Hat die Kölner Polizei den Mann mit gebrochenem Arm vor die Tür des Polizeipräsidiums gesetzt?

Am frühen Morgen sei der Mann auf die Straße entlassen worden. Die Kölner Polizei habe ihm keine ärztliche Hilfe zukommen lassen. Er suchte dann selbst ein Krankenhaus auf und es war bis gestern nicht klar, ob sein Arm operiert werden muss.

Es sei bis heute nicht klar, warum die Kölner Polizei gegen den Mann und den Verein in der Kölner Liebigstraße vorging. Der Verein vermutet einen Nachbarn hinter dem Polizeieinsatz, der widerrechtlich auf das SSK-Gelände eingedrungen sei, hinter dem Polizeieinsatz. Der SSK schreibt: „Die Polizei hat weder ihm noch den Zeug*innen vor Ort oder später auf der Wache trotz Nachfragens Angaben zu den Gründen des Polizeieinsatzes oder der Festnahme genannt.“

Der SSK kündigt Beschwerden, Strafanträge und Strafanzeigen an und auch der Betroffene will sich strafrechtlich wehren. Der SSK schreibt: „Es kann nicht sein, dass Polizisten aufgrund von Behauptungen eines Nachbarn gegen Menschen in ihrem eigenen, eigentlich geschützten Wohnumfeld mit dieser verletzenden Härte vorgeht und im weiteren Verlauf zusätzlich demütigt. Die Sozialistische Selbsthilfe Köln – SSK ist ein gemeinnütziger Verein, in dessen Häusern und Grundstücken Menschen durch gemeinsames Wohnen und Arbeiten in Kollektivstrukturen Halt und Schutz erfahren sollen. Sowohl das Eindringen eines Nachbarn, wie auch das Verhalten der beteiligten Polizisten hat den Frieden dieses Schutzraums gebrochen und Vertrauen erschüttert.“

Polizeiliche Nacktdurchsuchungen bereits einmal als rechtswidrig gerichtlich eingestuft.

Die Kölner Polizei wurde vom Verwaltungsgericht Münster im Jahr 2015 dazu verurteilt ihre Praxis der Ingewahrsamnahme zu ändern. Generelle Nacktdurchsuchungen wurden als rechtswidrig eingestuft. Damals galt in Köln eine generelle Entkleidung und Durchsuchung jedes einzelnen Gefangenen. Das Gericht entschied damals, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen immer eine Entscheidung im Einzelfall erfolgen müsse, so die Urteilsbegründung der Richter damals. Eine junge Kölnerin, die nach einer Hausparty von der Kölner Polizei festgenommen wurde, hatte damals den Prozess angestrengt und gewonnen. Die Leibesvisitation auch des Intimbereichs der jungen Frau sei damals im Beisein männlicher Beamter erfolgt. Polizeigewalt ist immer wieder Thema in Köln. Auch der Fall von Sven W. der am Rand des Christopher Street Day 2016 festgenommen wurde zeigt diese. Ihm wurde von der Kölner Polizei vorgeworfen Widerstand geleistet zu haben. Das Oberlandesgericht Köln sprach ihn in einem Aufsehen erregenden Prozess letztinstanzlich frei. Staatsanwaltschaft Köln und Polizei Köln zeigten in dem Verfahren gegen Sven W. keine Reue oder sich einsichtig, dass hier einem Bürger Unrecht angetan wurde.

Heute demonstrierten 250 Personen vor der Ehrenfelder Wache in der Venloer Straße gegen Polizeigewalt und das Vorgehen der Ehrenfelder Beamt*innen in der Juni-Nacht in der Kölner Liebigstraße.

Autor: Andi Goral