Der Brüsseler Platz, | Foto: Bopp

Köln | aktualisiert | Die Stadt Köln hat heute eine juristische Niederlage vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) erlitten, das ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln (VG Köln) bestätigte. Die Stadt Köln muss aktiv gegen nächtlichen Lärm am Szenetreffpunkt Brüsseler Platz vorgehen.

Der 8. Senat des OVG NRW traf die Entscheidung zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner des Brüsseler Platzes. Der Szenetreffpunkt so das Gericht bestehe seit dem Jahr 2005. Zum Teil mehrere hundert Menschen finden sich auf dem Platz rund um die Kirche St. Michael ein. Vor allem an den Wochenenden kommt es zu erheblichen Lärmbelästigungen. Im Jahr 2013 verpflichtete die Stadt Köln sich in den Monaten zwischen April und Oktober an Freitagen, Samstagen und an Tagen an denen ein gesetzlicher Feiertag in NRW folgt ab 22 Uhr dafür zu sorgen, dass die Partypeople den Brüsseler Platz bis spätestens 24 Uhr verlassen haben.

Im Jahr 2015 meldeten die Anwohnerinnen und Anwohner eine weiter fortbestehende nächtliche Lärmbelästigung am Brüsseler Platz an die Stadt Köln. Die Stadt Köln erklärte gegenüber den Anwohnerinnen und Anwohnern, dass sie gegen das Verhalten der Besucherinnen und Besucher nicht einschreiten könne, weil sie dieses für legitim erachte und genug getan hätte. Ein privater Sicherheitsdienst war von der Stadt engagiert worden, der sich mit Appellen an die Nachtschwärmer wandte die Nachtruhe einzuhalten. Mehrere Anwohnerinnen und Anwohner klagten vor dem Verwaltungsgericht Köln, das diesen Recht gab. Die Stadt Köln legte Berufung gegen das Urteil des VG Köln ein.

Das entschied das OVG NRW

Die Entscheidung der Stadt Köln keine weiteren Maßnahmen gegen den gesundheitsgefährdenden Lärm zur Nachtzeit anzustrengen sei rechtswidrig. Das Landes-Immissionsschutzgesetz regelt das eindeutig. Von 22 bis 6 Uhr sind Betätigungen verboten, die die Nachtruhe stören könnten. Zwar habe die Stadt Köln einen bestimmten Ermessenspielraum und kann etwa an den Straßenkarnevalstagen Ausnahmen zulassen, aber ein Einschreiten kann nicht pauschal verneint werden. Die Lärmmessungen in den Jahren 2011, 2016 und 2022 ergaben, dass die Anwohnerinnen und Anwohner des Brüsseler Platzes regelmäßig gesundheitsgefährdenden Geräuschimmissionen ausgesetzt seien. Es wurden Pegel von 60 dB(A) bis weit nach Mitternacht gemessen. Dieser Wert erreiche die Schwelle der Gesundheitsgefahr.

Die von der Stadt ergriffenen Maßnahmen seien unzureichend, so das Gericht. So setzt die Stadt Köln nicht die Vereinbarung mit den Anwohnerinnen und Anwohnern um, was zudem den Besucherinnen und Besuchern bekannt sei. Zudem setze die Stadt das Ordnungsamt und die Polizei nicht verstärkt ein oder greife zu Maßnahmen, wie etwa einem zeitlich beschränkten Alkoholkonsumverbot um. Auch ein nächtliches Verweilverbot könnte die Stadt Köln erlassen. Und wenn all das nicht helfe, dann so die Richter, könne die Stadt den Platz auch sperren.

Die Stadt Köln muss nun entweder handeln oder kann vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Beschwerde einlegen, da der Senat eine Revision nicht zuließ.

Aktenzeichen: 8 A 2519/18 (I. Instanz: VG Köln 13 K 5410/15)

Das sagen Teile der Kölner Politik

Christian Joisten, SPD-Fraktionsvorsitzender: „Nach dem Urteil zum Geißbockheim und der Deutzer Freiheit ist dies nun leider die nächste Niederlage der Kölner Stadtverwaltung vor einem Gericht. Die Ansage der Richterin ist klar: Es muss jetzt gehandelt werden! Es braucht jetzt schnellstens einen Runden Tisch mit allen Beteiligten, um für alle Seiten tragfähige Lösungen zu finden. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Projekt wie die Night-Owles, die am Freiburger Augustinerplatz in einer ähnlichen Situation eingesetzt wurden, auch hier für mehr Ruhe sorgen können. Auch eine ansprechendere Platzgestaltung mit mehr Grün könnte den Platz aufwerten und die abendlichen Feierlichkeiten entzerren und beruhigen. Es sollte jetzt nicht vorschnell zu Mitteln wie Alkohol- oder Verweilverboten gegriffen werden, um die Situation zu entschärfen, zumal dies ja nicht der einzige „Feierhotspot“ in der Innenstadt darstellt. Die Konflikte können meines Erachtens nur im Rahmen breiter gesellschaftlicher und politischer Prozesse angegangen werden. Aber diesen Weg muss die Stadtverwaltung jetzt konsequent beschreiten und darf nicht weiter zuwarten.“

Die Linke spricht von schwerer juristischer Niederlage

Güldane Tokyürek, Sprecherin der Linksfraktion im Kölner Rat: „Wir wollen eine lebendige Stadt, und die Menschen halten sich gerne draußen auf. Das darf aber nicht auf Kosten der Gesundheit der Anwohnerinnen gehen. Die Lärmbelastung am Brüsseler Platz hat zumutbare Grenzen schon lange überschritten. Es ist traurig, dass Gerichte die Stadt Köln zwingen müssen, das Notwendige zum Schutz der Anwohnerinnen zu tun. Für uns hat der Gesundheitsschutz der Anwohnerinnen einen hohen Stellenwert. Um diesen zu gewährleisten, reichen weitere Einzelmaßnahmen nicht aus. Wir erwarten von der Stadtverwaltung ein stimmiges Gesamtkonzept, das nicht allein auf Repression setzt, sondern auch attraktive alternative Angebote macht. Die Aufstellung eines Zauns ist für uns kein probates Mittel. Als ersten Schritt sollte die Stadt darauf verzichten, weitere Besucherinnen auf den Platz zu locken. Das geschieht aber, wenn er als ‚ein lauschiger Platz zum Verweilen, ein Stück Kultur und mitten in der Innenstadt eine Oase mit mediterranem Flair’ angepriesen wird.“

Dr. Günter Bell, Stadtplaner und Geschäftsführer der Linksfraktion im Kölner Rat, ergänzt: „Für diese schwere juristische Niederlage tragen vor allem Stephan Keller und Andrea Blome als Stadtdirektorinnen die Verantwortung. Sie haben sich vor durchgreifenden Maßnahmen gedrückt und hingenommen, dass die Anwohnerinnen über Jahre gesundheitsgefährdendem Lärm ausgesetzt waren.
Die Ratsmehrheit muss sich kritisch fragen lassen, ob die Ablehnung des Bebauungsplanes für das Belgische Viertel nicht ein Fehler war. Durch bauplanungsrechtliche Maßnahmen hätte eine weitere Zunahme von Gastronomiebetrieben verhindert werden können.“

ag