Report-k.de: Fulminant ist die Große Kölner in das Jubiläumsjahr gestartet. Erstklassich Kölsch und dann die gelungene Jubiläumssitzung im Gürzenich. Wie bereitet man eine Gesellschaft so optimal auf ein  Jubiläum vor?
Dr. Wüst: Wir planen das Jubiläum schon seit einigen Jahren, haben dafür sogar eine Sonderabgabe unserer Mitglieder eingefordert. Alle Mitglieder waren bereit, diese zusätzliche Last über mehrere Jahre zu schultern. Dann haben wir uns drei große Ziele gesetzt und dies intern transparent kommuniziert. Wir haben klare Budgetrahmen aufgestellt, in denen wir die Projekte geplant und realisiert haben. Das war zum einen „Erstklassisch Kölsch“ im September in der Philharmonie, dann das Buchprojekt „125 Jahre Große Kölner – 125 Jahre Karnevalsgeschichte“ und die Jubiläumsmesse für  „Urjel, Tröt un Trumm“ am 29. April 2007 in St. Aposteln. Diese drei großen Projekte können wir Dank des großen Engagements unserer Mitglieder in der Qualität umsetzen, wie dies dem Stil unserer Gesellschaft entspricht.

Sie sprechen immer vom „Wir“. Werden die Ideen bei der Großen Kölner von vielen Köpfen geboren? Oder gibt es nur den einen oder wenige große Zampanos?
Dr. Wüst: Das „Wir“ ist in unserer Gesellschaft sehr wichtig. Wir sind ein Team von Köpfen, wo jeder seine Aufgabe hat, die er selbstständig wahrnimmt und verantwortet. Einer allein könnte das nicht umsetzen, auch nicht als Präsident. Wer heutzutage glaubt als Präsident alles alleine machen zu können, der wird scheitern. Die wichtigste Aufgabe des Präsidenten ist es, Freiräume zu schaffen und Verantwortung zu delegieren. Das motiviert all jene, die mitgestalten, und gemeinsam macht es einfach mehr Spaß. Man darf nie vergessen, dass jeder, der sich einbringt, dies ehrenamtlich tut. Bei der Großen Kölner sind wir in der komfortablen Lage, dass das Führungsteam seit 2000 hervorragend harmoniert und zusammenarbeitet. Gerade diese Kontinuität ist unsere Stärke.

Das klingt sehr nach modernem Management. Muss man heute eine Karnevalsgesellschaft wie ein mittelständisches Unternehmen mit Hilfe moderner Tools führen, um Erfolg zu haben?
Dr. Wüst: Unbedingt. Wir haben bei der Großen Kölner neben dem offenen internen Dialog und Miteinander zum Beispiel auch das Controlling eingeführt. Wir wissen zum Beispiel, und das ist permanent abrufbar, wie viele Karten haben wir verkauft, ist die Sitzung ausverkauft oder müssen wir noch aktiv werden. Wir kontrollieren auch ständig unsere Zahlen und vergleichen diese mit den Vorjahren. Das hat den Vorteil, dass die Gesellschaft auch durch die finanziellen Anstrengungen im Jubiläumsjahr nicht in Schieflagen gerät, sondern auf Kurs bleibt.

Viele hätten erwartet, dass die Große Kölner in ihrer Jubiläumssession auch das Dreigestirn stellt. Warum eigentlich nicht?
Dr. Wüst: Wir wollten uns gerade im Jubiläumsjahr voll auf unsere Veranstaltungen konzentrieren und unseren Gästen das Beste präsentieren.  Hier gibt uns der Erfolg recht. Wir hätten keine Zeit gehabt, uns auf das Dreigestirn zu konzentrieren und wären aus diesem Grund auch nicht in der Lage gewesen, das Dreigestirn entsprechend unseres hohen Anspruches an ein Dreigestirn aus der Gesellschaft heraus zu unterstützen. Und bevor wir bei der Qualität Kompromisse eingehen, verzichten wir lieber. Wir verstehen das Dreigestirn als guter Botschafter für Köln und den Karneval.

Gab es Bewerber?
Dr. Wüst: Wir hatten Bewerber, sogar drei Freunde, die sich von sich aus anboten. Eigentlich eine Traumkonstellation für jeden Präsidenten. Aber als wir dann konkretere Gespräche führten, wurde den Bewerbern schnell klar welche Mammutaufgabe, nicht nur finanziell, sondern auch zeittechnisch auf sie zukommt. Aus diesen Gründen haben die drei Aspiranten ihre Bewerbung erst einmal zurückgestellt.

Was muss ein Dreigestirn der Großen Kölner mitbringen?
Dr. Wüst: Vor allem Verständnis das der Kölner Karneval Kultur ist, dass die Prinzenproklamation ein Spiel am Hofe der Tollität ist und das auf höchstem Niveau. Eine Strategie, die die Große Kölner seit Jahren bei ihren Sitzungen im Gürzenich verfolgt. So hat sich unser Vorprogramm als richtungsweisend erwiesen. Der Empfang unserer Gäste mit dem Spalier unseres Reiterkorps oder mit den Großen Kölner Landsknechten zeigt unseren Gästen von Anfang an deutlich unsere Wertschätzung.

Auf der Jubiläumssitzung bemängelten sie, dass es Sitzungen gibt, die auf den Einsatz von Kölner Tanzgruppen verzichten. Was läuft da Ihrer Meinung nach falsch?
Dr. Wüst: Das ist richtig und zu diesem Standpunkt stehe ich. Eine kölsche Sitzung zeichnet sich durch eine kölsche Tanzgruppe und ein Kölner Traditionskorps aus. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal des Kölner Karnevals. Wer dies negiert und nur Partysitzungen mit Musik und Rednern veranstaltet, der gestaltet keine kölsche Sitzung mehr und wird beliebig.

Woran liegt es?
Dr. Wüst:  Das liegt eindeutig an der Abnahme der Programmnummern in einer Sitzung. Wir hatten früher 14 Programmnummern, haben heute nur noch 11 Auftrittsequenzen. Der zweite Faktor ist, dass die Auftrittszeiten der einzelnen Programmnummern, auch die der Redner immer länger werden, mit ein Grund dass die Anzahl abnimmt.

Warum sind die Tanzgruppen für die Gesellschaften so wichtig?
Dr. Wüst: Sie repräsentieren die Zukunft des Kölner Karnevals. Hier kommt der Nachwuchs mit dem Karneval oft zum ersten Mal in Berührung. Hier werden  junge Menschen mit dem Virus Kölner Karneval infiziert und wechseln häufig nach der Zeit in der Tanzgruppe in die Gesellschaft. Wer die Tanzgruppen vergisst, der gräbt sein eigenes Grab. Wir brauchen junge Menschen auch in den Führungskreisen der Gesellschaften. Wir müssen alle Generationen vertreten haben und auch für alle Generationen Programme machen. Da benötigen wir immer wieder die Impulse der Jungen und die Erfahrung der Älteren. Das muss immer so eine Art Round Table sein.

Wie geht die Jubiläumssession weiter, was plant die Gesellschaft in der Jubelsession noch?
Dr. Wüst: Unsere Sitzungen sind nahezu ausverkauft. Daneben gestaltet die Galeria Kaufhof drei Schaufenster für unsere Gesellschaft. Im Rosenmontagszug präsentiert die Gesellschaft alle Familienteile: Den Senat, das Närrische Consulat, das Reiterkorps, die Großen Kölner Landsknechte und die Domstädter. Das freut uns sehr. Für den 23. September 2007 planen wir „E Fastelovendsspillche – Eine Karnevalsrevue durch 125 Jahre Große Kölner“ im Gürzenich.

Herr Dr. Wüst wir danken Ihnen für dieses Gespräch

ZUR PERSON:
Von 1979 bis 1987 trat Dr. Wüst mit eigenen Liedern und Parodien als „Trio Wüst“ auf der Bühne gemeinsam mit Bruder Bruno Wüst und zunächst mit Inge Buchholz und dann Marion Wagner, nunmehr Marion Wüst, auf. Seit 1988 war Dr. Wüst als Literat bei verschiedenen Karnevalsgesellschaften tätig, seit 1993 ist er Mitglied des Kleinen Rats der Großen Kölner KG als Literat. Im Jahr 1998 übernahm Dr. Wüst das Amt des Vizepräsidenten der Großen Kölner.

Seit 2000 ist er Präsident der Großen Kölner, gemeinsam mit Stefan Benscheid, damit ist die Große Kölner Karnevalsgesellschaft e.V. 1882 die einzige Gesellschaft mit 2 Präsidenten. Im Jahr 1998 wurde Dr. Wüst in den erweiterten Vorstand des Festkomitees des Kölner Karnevals von 1823 e.V. berufen und 2001 in den geschäftsführenden Vorstand des Festkomitees als Justitiar. Seit 2005 ist er Vizepräsident , Justitiar und Programmverantwortlicher  des Festkomitees Kölner Karneval und leitet die WDR-Fernsehsitzungen des Festkomitees Kölner Karneval. Herr Dr. Wüst ist Rechtsanwalt und Steuerberater, ist verheiratet und hat drei Töchter.

Das Gespräch führte Andi Goral vor dem Große Kölner Häreovend im Gürzenich Grill.