Köln | Gestern lud Christian Lindner die Vertreter der Presse ein, einen Tag im Wahlkampf mit ihm zu verbringen. Für Report-k.de war Reporterin Nicola Ninnemann mit von der Partie und durfte so unter anderem Zeuge werden, wie der Spitzenkandidat der FDP zwar wortgewandt, jedoch bardgeldlos in seinem Wahlkampf durch Köln tourte.

Sonnenöfen und Weihnachtsservietten

Gestern Vormittag stand ich im Nieselregen vor dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Köln-Porz, denn um 12 Uhr sollte dort der Wahlkampfbus von Christian Lindner vorbeikommen. Tatsächlich, mit nur einer Viertelstunde Verspätung, bog schließlich ein schwarzes Ungetüm mit verdunkelten Scheiben um die Ecke und ich durfte zusteigen. Vorne im Bus saß der Spitzenkandidat der Freien Demokraten und reichte mir die Hand zur Begrüßung. Als ich so durch den Bus schaute, konnte ich auf den ersten Blick nicht erkennen, wer hier von der Presse und wer von FDP war, denn alle hatten kleine blaue FDP-Täschchen neben sich.

Wir fuhren mit dem Bus durch das Gelände der DLR, doch schon bald stieg Christian Lindner alleine aus – Gespräch mit dem Vorstand unter Ausschluss der Öffentlichkeit, hieß es. Für uns Journalisten sei ein alternatives Unterhaltungsprogramm geplant. Bei der Besichtigung des Sonnenofens lernte ich dann zwar viel über Solarenergie, doch fragte ich mich unablässig, was denn nun mit Lindner sei. Wegen dem waren alle ja schließlich hier. Nach einer halben Stunde stieß er wieder dazu und wir gingen gemeinsam in das Astronautenzentrum der ESA. Dort zeigte sich der Spitzenkandidat interessiert und befragte etwa die biomedizinische Ingenieurin Petra ausführlich nach ihrer Karriere und wie es so sei, als Frau Physik zu studieren und in der Raumfahrtbranche zu arbeiten. Interesse zeigte Lindner auch gegenüber einer Probandin, die auf einer Kurzarzentrifuge geschnallt war. Selber austesten, wollte er die dann allerdings nicht. Dafür sorgte er mit einem kleinen Versprecher für einige Lacher, als er „Röttgen“ statt „Röntgen“ sagte. Auf die angereichten Brötchen verzichtete Lindner dann auch – vielleicht lag es an den etwas deplatziert wirkenden Weihnachts-Servietten.

„Neue Freunde für die Freiheit“

Um 13.55 Uhr ging es dann wieder los.  Lindner saß wieder vorne auf seinem Platz mit dem Blick zu uns – jedenfalls theoretisch, wenn er nicht mit seinem Smartphone beschäftigt gewesen wäre. Die Pause auf der Busfahrt nutzte ich, um einen Blick in das FDP-Täschchen zu werfen. Dort fand ich einen Partei-Kugenlschreiber, einen Apfel, eine Flasche Apollinaris-Sprudelwasser, eine Apfelschorle von Gut & Günstig (die freien Demokraten setzten so wohl ein Zeichen für ihren Wahlslogan „Schuldenabbau“) und ein mit Fleischwurst belegtes Brötchen von Kamps. Blöd nur, dass ich kein Fleisch esse. Als ich so an meinem Apfel kaute, dachte ich über die Aufschrift auf der Tasche nach: „Neue Freunde für die Freiheit“. Natürlich bin ich ein Freund der Freiheit, war ich schon immer – unfrei ist ja auch blöd. Doch muss ich jetzt deswegen auch die Freien Demokraten wählen?

Statt wie angekündigt die internationale Kunstmesse Art Cologne anzusteuern, fuhr der Wahlbus gestern zum Betahaus in Köln-Ehrenfeld, in dem Computer-Arbeitsplätze vermietet werden. Aufmerksam ließ sich Lindner dort durch den „Event-Space“ und die anderen Bereich führen und unterhielt sich angeregt mit den Bürgern. Ich hätte auch gerne aufmerksamer zugehört, aber ich war zu sehr von dem gelben Innenfutter des Jacketts des FDP-Manns abgelenkt. Zufall oder geniale Marketingstrategie? Im Erdgeschoss traf Lindner dann mit jungen Gründern bei Tee und Espresso zusammen. Hier begann der Spitzenkandidat aus dem Nähkästchen zu plaudern, wie einsam es damals gewesen sei, als er die Werbeagentur gehabt habe, und immer allein in seinem Arbeitszimmer saß. Da hätte er einen solchen Arbeitsplatz wie hier auch gerne gehabt. Verständnis äußerte er auch darüber, dass sich die kreative Gründerszene momentan  nach Berlin verlagert, da dort Personal- und Mietkosten wesentlich geringer seien.

Bargeldlos auf Wahlkampftour

Nachdem sich Christian Lindner von den jungen Gründern mit „Gute Geschäfte!“ verabschiedete, musste noch sein Doppelter Espresso bezahlt werden. Flüsternd fragte er seine Begleiterin, ob sie dies übernehmen könne, da er kein Geld dabei habe, doch sie hatte auch  keines dabei. Hilfreich sprang ein Pressevertreter eines großen Kölner Verlagshauses ein und  Lindner ließ sich anstandslos seinen Kaffee ausgeben. Nach diesem kleinen Intermezzo fuhr der Bus um 15.20 Uhr ab, diesmal wirklich Richtung Messe. Auch hier gab es für die gesamte Gesellschaft einen Rundgang. Dabei führte der Galerist Christian Nagel Linder in die Arbeit seiner Werke ein. Der FDP-Spitzenkandida behielt sogar die Ruhe, als während eines Fernseh-Interviews eine aufgeregte ältere Dame dazwischen ging. Sie forderte lautstark eine Partei, die endlich den Bürgern effektiv Geld einbringe und das Durchschnittseinkommen im Ruhrgebiet erhöhe. Lindner verwies sie auf später, dann könne er sich in Ruhe mit ihr unterhalten. Doch nach dem Interview war die Dame leider nicht mehr aufzufinden.

Simply the Best – Die Eröffnung des Straßenwahlkampfes

Um 17.05 Uhr setzte sich dann der Tross wieder in Gang. Als fairer Demokrat setzte sich Lindner diesmal nach hinten, damit auch wir  etwas von ihm hatten. Er erzählte, was er alles auf der Messe gelernt habe: Die Sorge der Galeristen wegen der Umsatzsteuer. Und dass Kunst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Köln sei. Im Bus zeigte sich Lindner richtig gesellig.

Auf dem Neumarkt in Köln erwarteten bereits Luftballons, viele Liter Kölsch und Live-Musik den Wahlkampf-Bus. Hier sollte nun der Kölner Straßen-Wahlkampf eröffnet werden. Beim Einmarsch Lindner wurde das Tina Turner-Lied „Simply the Best“ angestimmt. Auf der Bühne sprach Linder dann von Schuldenfreiheit statt Schuldenaufbau, was viel Applaus erntete. Auch, als er von der Rettung der Gymnasien sprach, gab es Zuspruch. Als er jedoch davon sprach, die freie Marktwirtschaft verteidigen zu wollen und betonte: „Es geht uns um die Beschäftigten!“ war vereinzelt höhnisches Gelächter zu hören. Immer wieder akzentuierte er: „Auf unseren Plakaten gibt es keine Kinder, keine Tierbabys. Bei uns gibt es nur Argumente.“ Doch die Menge war nur teilweise überzeugt. Nach der Bühnenrede stellte sich Lindner noch zwei direkten Bürgergesprächen. Doch nach 20 Minuten auf dem Neumarkt stand für den Spitzenkandidaten bereits der nächste Termin an. Für mich aber war die Bustour mit Christian Lindner an dieser Stelle vorbei.

Autor: Nicola Ninnemann
Foto: Im Bus plauderte Christian Lindner mit den Pressevertretern.