In einem Kölner Medium forderte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers dazu auf, die Demonstrationen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung "Pro Köln" nicht zu beachten. "Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen", wurde Albers zitiert, und weiter: "Auch wenn das schwerfällt. Dann könnten wir davon ausgehen, dass wir zumindest im Stadtteil Kalk erst einmal Ruhe haben". Ist dies der richtige Umgang mit Demonstrationen gleich ob aus der links- oder rechtsradikalen Ecke oder wie im Fall der Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird?
AKKU: Erstmal vorneweg: Wir wehren uns entschieden gegen die Nennung von Links- und Rechtsradikalen in einem Atemzug, so als sei es im Grunde das Gleiche. Spätestens seitdem die Morde der rechtradikalen NSU ans Licht gekommen sind, sollte doch endlich die Verharmlosung von Rechtsradikalen aufhören. Es geht hier nicht um eine läppische Ruhestörung. Es handelt sich bei “Pro Köln” um eine Partei von Rassisten und Sozialchauvinisten mit Kontakten in die Nazi-Szene hinein. Und wann bitte wurde in der Geschichte der BRD Rassismus durch Wegschauen verhindert? Weggeschaut haben BürgerInnen und die Polizei, als in Rostock-Lichtenhagen 1992 Wohnhäuser von Migranten angegriffen und in Brand gesetzt wurden. (Nicht wenige haben sogar eifrigst applaudiert…) Weggeschaut haben Ermittlungsbehörden und der Geheimdienst, genannt “Verfassungsschutz”, als es um Mordanschläge auf MigrantInnen ging. Weggeschaut wurde von den Medien und von den BürgerInnen, als die Opfer zu Tätern gemacht wurden und die Ermordung von Menschen mit der rassistischen Bezeichnung “Döner-Morde” herabgestuft wurden. Nur weil man Rassismus stumpf ignoriert, hört er nicht auf in der Welt zu sein!

Sollte ein Polizeipräsident eine öffentliche Diskussion in dieser Form anregen, auch vor dem Hintergrund, dass diese Haltung von einer großen Kölner Zeitung aufgegriffen und für richtig befunden wurde?
Dass ein Polizeipräsident in die öffentliche Diskussion eingreift, hat politische Gründe und zeigt, wie erfolgreich die Blockade gegen “Pro Köln” beim letzten Mal verlaufen ist. Die Blockierer waren Menschen aus dem Stadtteil Kalk, die keine Lust hatten, die Rolläden runterzulassen, während Rassisten durch ihre Nachbarschaft laufen. Es war eine extrem heterogene Gruppe, die sich nicht so einfach unter dem Label “linksextrem” verteufeln lässt. Politisch ist das Aktivwerden der Bürgerinnen und Bürger offenbar nicht erwünscht. Wie ja auch schon die Auseinandersetzungen um Stuttgart21 gezeigt haben.

"Pro Köln" nutzt intensiv die modernen Medien und schafft damit eine eigene Öffentlichkeit. Folgt man vor diesem Hintergrund der Logik des Polizeipräsidenten, dann gebe es auch keine unabhängige und einordnende Berichterstattung über die Inhalte und Ziele der Demonstrationen von "Pro Köln". Kann man einschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wahrnehmung von "Pro Köln" hätte?
Wenn die Öffentlichkeit über “Pro Köln” und ihre Ziele allein auf deren Selbstdarstellung angewiesen wäre, würden manche, die mit dem Rassismus der Partei konform gehen, vielleicht tatsächlich glauben, dass da jemand im Interesse des “kleinen Mannes” agiert. Dann würde sicher nicht auffallen, wie die Partei zum Beispiel durch völlig überhöhte Spesenabrechnungen Gelder aus dem Stadthaushalt abzockt, um es wieder in ihre Propaganda zu investieren.

Welche Einflüsse auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen und Ereignisse der Weimarer Republik könnte das Ignorieren von radikalen Positionen für den demokratischen Prozess haben?
Radikal im Sinne von rechts gleich links? Der sogenannte Verfassungsschutz ist auf dem linken Auge alles andere als blind. Reden wir lieber über das Ignorieren von rechtsradikalen Positionen. Wenn das so weiter geht, dann gibt es bald keinerlei Demokratie mehr. Nicht einmal die ohnehin schon eingeschränkte Demokratie dieses Staates. Und das scheint politisch durchaus gewünscht zu sein. Schon wirbt der WDR für das Buch “Weniger Demokratie wagen”, schon diskutiert man in den deutschen Eliten, wie man die Kontrollmechanismen des parlamentarischen Systems umgehen kann. Das geht sogar so weit, dass ein CDU-treuer Bundestagsabgeordneter wie Norbert Lammer mehrfach vor einer Entmachtung des Bundestags warnt.

Die Interviews finden Sie hier:
Hans-Peter Killguss (ibs) – "Demokratie muss täglich argumentativ verteidigt werden"

Volker Beck (Grüne) – "Wegschauen ist immer das falsche Signal"

Susana dos Santos (SPD) – "Die Straße darf nicht den Extremisten überalssen werden"

Winrich Granitzka (CDU) – "Man schadet am meisten, dass man sie nicht beachtet"

Jörg Frank (Grüne) – "Ein öffentliches Ignorieren kann zu falschen Schlüssen führen"

Ulrich Breite (FDP) – "Passiver Widerstand kann eine Form des Protestes sein"

Jörg Detjen (Die Linke) – "Wegschauen ist kein passiver Widerstand"

AKKU – "Weil man Rassismus ignoriert, hört er nicht auf"

Kommentar der Redaktion: Polizei kann keine inhaltliche Auseinandersetzung führen

Weitere Artikel:
"Pro Köln"-Demo sorgt für Verkehrseinschränkungen in Kalk

Kalk wehrt sich gegen erneuten "Pro Köln"-Aufmarsch


[cs]