In einem Kölner Medium forderte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers dazu auf, die Demonstrationen von der als rechtsextrem geltenden Bürgerbewegung "Pro Köln" nicht zu beachten. "Die Anwohner könnten die Fenster schließen, die Rollläden runterlassen und ihrem Protest durch andere passive Formen Ausdruck verleihen", wurde Albers zitiert, und weiter: "Auch wenn das schwerfällt. Dann könnten wir davon ausgehen, dass wir zumindest im Stadtteil Kalk erst einmal Ruhe haben". Ist dies der richtige Umgang mit Demonstrationen gleich ob aus der links- oder rechtsradikalen Ecke oder wie im Fall der Bürgerbewegung "Pro Köln", die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird?
Jörg Detjen, Fraktionssprecher der Linken Köln: Nein, das ist auf gar keinen Fall der richtige Umgang. Wir haben in Köln mit „Köln stellt sich quer“ ein bundesweites Synonym für antifaschistischen Protest geschaffen. Inzwischen gibt es in vielen anderen Städten, zum Beispiel in Dortmund, „… stellt sich quer“. Letztes Jahr wurden Demonstrationen Rechtsextremer – zum Teil mit Verbindungen zur NSU – blockiert und verhindert. Wenn der Stadtanzeiger von „passivem Widerstand“ spricht, meint er einfach wegschauen. Das ist kein passiver Widerstand, sondern gar kein Widerstand! Es gibt viele Formen des Protestes, dazu gehören: Blockaden, ziviler Ungehorsam und sogar Demonstrationen in Kirchen. Vielfältiger, bunter und aktiver Widerstand der Menschen vor Ort ist mit unserem Slogan „Köln stellt sich quer“ verbunden. Die Unterstützung für dieses Konzept reicht bis weit in die Kölner Stadtgesellschaft. Sogar der Stadtrat rief dazu auf, sich „quer“ zu stellen. Am Montag, 23.1. hat übrigens der Integrationsrat der Stadt mit nur einer Gegenstimme folgenden Antrag zugestimmt: „Der Integrationsrat der Stadt Köln unterstützt den Aufruf des Bündnisses „Schäl Sick gegen Rassismus“ zur geplanten Demonstration von Pro Köln in Köln-Kalk am 28.01.2012 ‚Kalk macht wieder dicht – Gegen fremdenfeindlichen Hass auf der Schäl Sick’.

Sollte ein Polizeipräsident eine öffentliche Diskussion in dieser Form anregen, auch vor dem Hintergrund, dass diese Haltung von einer großen Kölner Zeitung aufgegriffen und für richtig befunden wurde?
Die Vorschläge von Polizeipräsident Albers und dem Kölner Stadt-Anzeiger sind leider ein politisches Armutszeugnis und angesichts der Morde und Attentate der NSU sehr gefährlich. Albers und der Stadtanzeiger schlagen vor, den für Samstag, 28.1. geplanten Aufmarsch der rechtsextremen Organisation „pro Köln“ zu ignorieren. Die Stadtgesellschaft soll die Rollläden runterlassen und sich abwenden. Aber das weiß man aus Erfahrung: So ein Abwenden führt auf  Dauer zur Passivität und Ignoranz. Wenn man die Rechtsextremen gewähren läßt, machen sie sich breit. Ist es nicht eher so, dass der Protest und Widerstand gegen Rechtsextremismus in Deutschland viel zu schwach ist? Und jetzt trampelt der Stadtanzeiger und der Polizeipräsident noch auf den Leuten rum, die Widerstand leisten, und erklärt sie zu Tätern. Auf ihrer Homepage freut sich die rechte Organisation „pro Köln“ übrigens sehr über diese Rückendeckung.

"Pro Köln" nutzt intensiv die modernen Medien und schafft damit eine eigene Öffentlichkeit. Folgt man vor diesem Hintergrund der Logik des Polizeipräsidenten, dann gebe es auch keine unabhängige und einordnende Berichterstattung über die Inhalte und Ziele der Demonstrationen von "Pro Köln". Kann man einschätzen, welche Auswirkungen das auf die Wahrnehmung von "Pro Köln" hätte?
Die Kölner Medien, auch der Kölner Stadtanzeiger, haben eine sehr gute und kritische Berichterstattung gegenüber „pro Köln“ entfaltet. Deshalb war ich auch über die jüngste Kommentierung im Kölner Stadtanzeiger sehr überrascht. „pro Köln“ hat nicht das Recht, gegen Menschen in der Stadtgesellschaft zu hetzen, ob das nun Roma, Juden, Muslime oder Hausbesetzer sind. Das in die Öffentlichkeit zu transportieren, ist die Aufgabe unserer Stadtgesellschaft. Widerstand gegen rechts besteht doch nicht nur aus der Blockade, sondern auch aus Gegenöffentlichkeit und Aufklärung. Durch ungestört durchgeführte Demonstrationen schaffen sich „pro Köln“ und anderen Nazi-Gruppen doch die Aufmerksamkeit. Es geht ihnen um die Provokation und Hetze gegen demokratische Grundrechte. Dazu missbrauchen sie die Demonstrationsfreiheit. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Welche Einflüsse auch vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen und Ereignisse der Weimarer Republik könnte das Ignorieren von radikalen Positionen für den demokratischen Prozess haben?
Die „Demonstrationsfreiheit ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes“ – deshalb müsse man auch Rechtspopulisten und Nazis gewähren lassen, wird geschrieben. Schon makaber dieser Satz: War es in der Weimarer Republik nicht so, dass demokratische und linke Kräfte diese Rechte gegen Widerstand durchsetzten und die Nazis sie wieder abschafften? Aus der Vergangenheit hat die LINKE Konsequenzen gezogen. Wir treten für ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte gegen Rechtsextremismus ein. Wenn man sich die jüngere Geschichte anschaut, stellt man fest, dass im Kampf um demokratische  Rechte in der Bundesrepublik vielfältige und gemeinsame Formen des Protests und des Widerstands der demokratischen Kräfte entwickelt wurden. Dazu gehört ziviler Ungehorsam als friedliche Protestform in den verschiedensten Varianten. Erinnert sei an die Anti-NPD-Veranstaltungen, Kundgebungen gegen Strauß, die AKW-Demonstrationen und vieles mehr.

Die Interviews finden Sie hier:
Hans-Peter Killguss (ibs) – "Demokratie muss täglich argumentativ verteidigt werden"

Volker Beck (Grüne) – "Wegschauen ist immer das falsche Signal"

Susana dos Santos (SPD) – "Die Straße darf nicht den Extremisten überalssen werden"

Winrich Granitzka (CDU) – "Man schadet am meisten, dass man sie nicht beachtet"

Jörg Frank (Grüne) – "Ein öffentliches Ignorieren kann zu falschen Schlüssen führen"

Ulrich Breite (FDP) – "Passiver Widerstand kann eine Form des Protestes sein"

Jörg Detjen (Die Linke) – "Wegschauen ist kein passiver Widerstand"

AKKU – "Weil man Rassismus ignoriert, hört er nicht auf"

Kommentar der Redaktion: Polizei kann keine inhaltliche Auseinandersetzung führen

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