Köln | Die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Bertelsmann Stiftung haben sich in einer gemeinsamen Initiative zum Ziel gesetzt, Kindern und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen ein bestmögliches Aufwachsen zu ermöglichen. Unter dem Motto „Kein Kind zurücklassen!Kommunen in NRW beugen vor“ fand heute eine Veranstaltung mit mehr als 200 Teilnehmern in Köln statt. Angelehnt an diese Veranstaltung wurde unter anderem eine Podiumsdiskussion zum Thema „Ausbildungsplatzgarantie“ geführt, in der Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneideran die soziale Verantwortung der Unternehmen appellierte.

Minister Schneider forderte heute die Unternehmerinnen und Unternehmer im Land eindringlich auf, deutlich mehr Arbeitsplätze bereit zu stellen. Bei seiner Forderung beruft er sich vor allem auf die rückläufige Zahl abgeschlossener Ausbildungsverträge in den Bereichen Industrie, Handel und Handwerk. „Ich appelliere an die soziale Verantwortung der Wirtschaft, mehr jungen Leuten den Start in das Berufsleben zu ermöglichen und damit auch einen Beitrag gegen drohende Armut zu leisten. Es müssen deutlich mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen werden.“ Schneider dankte Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, für ihr Engagement bei dem gemeinsamen Plan, kein Kind in NRW zurückzulassen: „Ich kann Ihren Einsatz für dieses große Ziel, welches meiner Meinung nach durchaus möglich ist, nur ausdrücklich loben.“

Durch aktive Unterstützung der Kinder und Jugendlichen Kosten senken“

Brigitte Mohn erklärte: „Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft sicherzustellen, dass jedes Kind seine Potenziale im Privat- und Berufsleben bestmöglich entfalten kann. Wir müssen gewährleisten, dass insbesondere Kinder in schwierigen Situationen soziale Sicherheit haben, um ihnen auf dieser Grundlage und durch eine garantierte Ausbildung auch einen erfolgreichen Einstieg in den Beruf zu ermöglichen. Dazu setzen wir auf die Unterstützung in den Kommunen über die gesamte Kindheit hinweg. Aktuell entstehen mit jedem neuen Jahrgang an Jugendlichen, bei dem es nicht gelingt, die Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung zu halbieren, Folgekosten für den Staat in Höhe von 1,5 Milliarden Euro (Studie Bertelsmann Stiftung 04/2011). Es geht also darum, durch aktive Unterstützung der Kinder und Jugendlichen Kosten zu senken und ganz neue Chancen für die Unternehmen und somit für die gesamte Gesellschaft zu schaffen. Unser Ziel ist ein weiterhin handlungsfähiger Sozial-Staat, daher brauchen die Kommunen mehr als nur Unterstützung. Es bedarf einen Wandel im Umgang mit gefährdeten Kindern und Jugendlichen, um niemanden zurückzulassen.“

Viel wichtiger ist zu wissen, dass es eine Chance gibt Erfolg zu haben“

Gegenargumente kamen unter von Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW, der auf das Wort „Arbeitsplatzgarantie“ reagierte. „In meinem Studium hieß es damals, “wer garantiert, lässt sich dafür köpfen“. Wenn wir von einer Arbeitsplatz „Garantie“ sprechen ist es in diesem Fall die Wirtschaft die geköpft wird. Konsens ist doch, dass wenn ich als Jugendlicher weiß ich habe die Garantie, dass egal wie sehr ich mich anstrenge ich einen Ausbildungs- oder Studienplatz bekomme, die Qualität und die Leistung der Schüler abnimmt. Viel wichtiger ist zu wissen, dass es eine Chance gibt Erfolg zu haben.“

Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW, betonte, dass ihn diesem Jahr 20.000 Jugendliche ohne Plätze sei, aber über die Hälfte einen mittleren Schulabschluss besitze. Er sehe das Problem demnach nicht in der Qualität der Schulabgänger, sondern im mangelnden Angebot der Ausbildungs- bzw. Studienplätze.

Marc Calmbach vom Sinus-Institut sieht eine Gefahr in der Durchlässigkeit der Schichten, die für die Jugend immer unglaubwürdiger und unwahrscheinlicher erscheint. „Sätze wie “zur Not beziehe ich eben Hartz 4 “ zeigen deutlich, dass die Jugendlichen Hartz 4 längst nicht mehr für eine Sozialleistung, sondern für einen Lebenszustand halten. Sie sehen keine Perspektiven mehr. Dabei tickt der demografische Wandel ja grade für solche.“

Zum Ende der Diskussion waren sich allerdings alle einig. „Wenn wir einen Menschen nur über Leistung und Qualität identifizieren und beurteilen, dann ist das zu wenig da viel mehr Faktoren eine Rolle spielen.“, so Brigitte Mohn.

Wir lassen beim Start ins Berufsleben kein Kind zurück“

Seit diesem Schuljahr unterstützt die Landesregierung 27.000 Schülerinnen und Schüler systematisch bei der Berufsorientierung. Kein Kind soll einen „Abschluss“ ohne Anschluss machen. Deshalb regelt NRW als erstes Flächenland das Übergangssystem von der Schule in den Beruf neu.

Anfang November 2011 hatten die Landesregierung und die Bertelsmann Stiftung gemeinsam das Modellvorhaben „Kein Kind zurücklassen – Kommunen in NRW beugen vor“ offiziell gestartet. Ziel ist es, gemeinsam mit Kommunen Strukturen im ganzen Land dafür zu schaffen, Kindern und Jugendlichen ein bestmögliches Aufwachsen zu ermöglichen.

Autor: Annika Knetsch
Foto: Luitwin Mallmann, Marc Calmbach, Andreas Meyer-Lauber,Brigitte Mohn und Guntram Schneider