Köln | In Interviews stellen sich die Kölner Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2013 den Lesern von report-k.de vor. Hamide Akbayir kandidiert für die Linke im Wahlkreis Köln IV. Sie ist ehemalige Landtagsabgeordnete in NRW und stellvertretende Sprecherin des Kreisverbandes.

Report-k.de: Die Wahl des Direktmandats ist auch eine persönliche Wahl. Stellen Sie sich unseren Lesern bitte kurz vor.

Hamide Akbayir: Ich bin 54 Jahre alt, verheiratet und Mutter von 2 erwachsenen Kindern. Vom Beruf bin ich chemisch- technische Assistentin, arbeite seit 1980 im Institut für Biochemie der Universität zu Köln. Meine politische Laufbahn begann schon im Jahre 1992. Ich war 1993 bis 1997 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. 1998 trat ich in die PDS ein. 1998 bis 2004 gehörte ich dem Ausländerbeirat der Stadt Köln an. 2007 bis 2010 war ich Mitglied des Landesvorstands der Partei DIE LINKE.

Ich war 2010- 2012 Abgeordnete des Landtags von NRW für die Fraktion DIE LINKE. Dort habe ich im Bereich Frauenpolitik, Umwelt- und Europapolitik gearbeitet. Nach der vorgezogenen Landtagswahl im Mai 2012 bin ich wieder zu meinem alten Beruf an der Uni zurückgekehrt.
 
Warum haben Sie sich für eine politische Laufbahn entschieden? Wie bekommen Sie Ihren Beruf und die Politik unter einen Hut? Was reizt Sie am Bundestagsmandat?

Weil ich denke, dass die Politik sich dann ändern kann, wenn viele mitmachen und mitmischen. Die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft haben mich dazu bewegt, politisch zu werden. Als Migrantin habe ich die Erfahrung gemacht, dass Gleichberechtigung im Alltag 1992 alles andere als selbstverständlich war und das auch heute noch so ist. Deshalb habe ich mich zunächst als Mitglied des Ausländerbeirates der Stadt Köln dafür engagiert. Dort setzte ich mich für gleiche Rechte für Alle ein und als LINKE fordern wir Wahlrecht für alle, die hier leben.

Als Abgeordnete im Landtag von NRW habe ich mich besonders für die Rechte der der Frauen und MigrantInnen eingesetzt. Damit will ich aber nicht sagen, dass man die Probleme nur im Parlament lösen kann. Ganz im Gegenteil: Für mich hat die außerparlamentarischer Arbeit einen wichtigen Stellenwert – gerade als Abgeordnete Denn ich kann  mich darauf verlassen, dass engagierte Menschen aus Initiativen und Gewerkschaften die Politik, die Parteien und ihre Abgeordneten immer wieder daran erinnern, ihre Hausaufgaben zu machen. Und das ist für mich Demokratie.

Wie ich erwähnt habe, arbeite ich in meinem alten Beruf wieder weiter. Sicher ist es nicht leicht gewesen, Familie-Beruf und die Politik unter einen Hut zu bekommen. Erst recht als Frau: Man muss Unterstützung der Familie haben. Aber auch die der Kinder. Für mich gehört alles zusammen. Aber um Familie und Beruf vereinbaren zu können, müssen seitens der Politik die Voraussetzungen geschaffen werden: Wir brauchen mehr KITA- und Betreuungsplätze. Deshalb bin ich gegen das Betreuungsgeld, weil damit die Frauen davon abgehalten werden, ihren Beruf auszuüben und sich beruflich weiterzuentwickeln.

Deshalb möchte ich mit meiner Kandidatur vor allem die Frauen ermutigen, sich einzumischen: Frauen überwinden heute immer mehr die Rolle, die ihnen im traditionellen Familienbild und rückwärtsgewandten religiösen Weltbildern vorgeschrieben wird. Sie wehren sich, in den Herkunftsländern vieler Migrantinnen gegen rückständige Systeme und Gewalt, hier in Europa gemeinsam auch gegen ungerechte Bezahlung und Lohndumping. Wenn diese Gruppierungen ihre Arbeit vereinen, entsteht eine starke Frauensolidarität und das ist für mich viel wert.

Was wollen Sie in Berlin für Schwerpunkte setzen?

Meine Schwerpunkte werden die Bereiche sein, die ich auch im Landtag NRW bearbeitet habe: Umweltpolitik, Frauen- und Europa- und eine Weltpolitik. Darüber hinaus möchte ich mich für die Belange der Kinder und Jugend einsetzen.

Was möchten Sie in Berlin für Köln erreichen?

Für Köln werde ich mich für ein Nachtflugverbot am Flughafen Köln/ Bonn einsetzen, und für den Ausbau des Schienennetzes in Köln , den wir für eine ökologische Verkehrspolitik brauchen. Ein weiteres wichtiges Thema ist für mich die Sicherheit von Gefahrguttransporten. Besonders werde ich mich dafür einsetzen, dass kein unsinniger Atommülltourismus in NRW stattfindet, solange niemand weiß, wo z.B. die Brennelemente-Kugeln aus dem Forschungsreaktor in Jülich letztlich bleiben sollen. Der Landtag von NRW hat mit der Stimme der LINKEN in der 15. Wahlperiode den Transport zunächst gestoppt, bis diese Frage geklärt ist.

Viele Kommunen, darunter auch Köln, sind hoch verschuldet. Wie muss die finanzielle Situation der Kommunen verbessert werden und wie wollen Sie sich hier für Köln einbringen?

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit Kürzungen z.B. bei der Städtebauförderung, im Nahverkehr und bei den Fördermitteln der Bundesagentur für Arbeit die finanzielle Lage auch in Köln noch verschärft. Deshalb werde ich mich im Bundestag auch dafür einsetzen, dass sinnvolle Projekte hier in Köln wieder in vollem Umfang auch vom Bund finanziert werden.

Dass die Städte kein Geld haben, um Schulen und Straßen zu reparieren, um genügend Kita- Plätze anzubieten und Wohnungen zu bauen, während die Geldvermögen der reichsten 10% der Gesellschaft immer weiter wachsen, hat strukturelle Ursachen, die auf Bundesebene grundsätzlich gelöst werden müssen.

Der Bund lässt die Kommunen nach wie vor bei Sozialausgaben wie den Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen und den Kosten der Arbeitslosigkeit hängen. Und auch die Steuergeschenke der Bundesregierungen an Vermögende und Unternehmen seit der rot- grünen Unternehmenssteuerreform kommen die Kommunen teuer zu stehen: Die Gewerkschaft ver.di hat in ihrem Kommunalfinanzbericht 2012 festgestellt, dass den Städten und Kreisen in NRW deshalb allein im Jahr 2011 3, 2 Milliarden € Steuereinnahmen entgangen sind.

DIE LINKE hat deshalb in ihrem Wahlprogramm ein Konzept für eine Steuer- und Gemeindefinanzreform vorgelegt, das den Kommunen bundesweit 15 Milliarden € Mehreinnahmen jährlich bringen und zudem kleinere und mittlere Einkommen bis etwa 6.000 € steuerlich entlasten wird.

Weitere Kandidaten im Wahlkreis Köln IV:

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Rainer Blum: „Der Bundestag sollte ein Spiegel der Gesellschaft sein“ >>>

Guido Fischer, FDP: „Schimpfen alleine hilft nicht, Engagement ist gefragt“ >>>


Jetzt schon notieren: 22. September 2012 ab 17 Uhr report-k.de Live-Ticker zur Bundestagswahl mit starkem Blick und Fokus auf Köln und in Echtzeit allen Daten, Fakten und Stimmen aus Deutschland und NRW.

Autor: Frida Baumgarten | Foto: PR
Foto: Hamide Akbayir, Linken-Direktkandidatin im Wahlkreis Köln IV