Von Raben, Blumen und den Möglichkeiten des Papiers
Annette Schumann hat ihr Künstlerbuch ihrer Lieblingsfabel gewidmet. Darin schmeichelt ein Fuchs einem Raben so lange, bis dieser sein Käsestück aus dem Schnabel fallen lässt, um dem Fuchs zu zeigen, wie toll er singen kann. Der listige Fuchs hat damit sein Ziel erreicht – er kann den Käse selber fressen. Schumann erzählt die Geschichte in ihrem Künstlerbuch so neu, dass „sich der Text selbst im Buch widerspiegelt“, sagte die Künstlerin heute. So wächst etwa der Rabe auf jeder einzelnen Seite des Buches, wie er auch innerlich durch die Schmeicheleien des Fuchses wächst.

So fantasievoll wie Schumanns Buch sind auch zahlreiche Werke ihrer Kommilitonen. Lisa Antonié Scherer hat etwa ein Buch entwickelt, dass sich aus einem Dreieck heraus zu unterschiedlichen Objekten falten lässt. So wird jedes Lesen des Buches zu einem neuen Erlebnis. Eine andere Studentin hat die Worte „Ich liebe dich“ in sieben verschiedenen Sprachen aufgeschrieben und die einzelnen Seiten zu einer roten Blumen-Skulptur gefaltet. Ein weiteres Buch illustriert Auszüge aus dem Roman „Wogengleiter“. Dabei wurden die einzelnen Illustrationen als aufklappbare Pappbilder konstruiert und in die Seiten des Buches eingebunden. Alle Künstlerbücher spielen dabei mit der Vielfalt von Papier und dem Zusammenspiel von Form, Text und Bild.


Annette Schumann vor ihrem Künstlerbuch zu einer französischen Fabel


In Gedenken an Kevin und Khalil
Seit 2005 zeigt die KMB jährlich eine Ausstellung mit Werken von Studenten der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. In diesem Jahr beschäftigten sich die Studenten ein Semester lang mit Künstlerbüchern – von der Schrift über die Bindung bis zur Vorbereitung und Präsentation der Ausstellung selbst. Angst, dass die Bücher für eine Schau ungeeignet sein könnten, hat Elke Purpus, Direktorin der KMB, nicht. „Bislang ist das noch nie vorgekommen“, bestätigte auch John Gerard, Lehrbeauftragter und Projektleiter an der Hochschule. Dafür wäre die Betreuung auch zu intensiv. So würde in jeder Woche über die verschiedenen Bücher im gesamten Kurs gesprochen. „So entwickeln sich die Ideen von Woche zu Woche, manche wird dabei auch wieder verworfen“, so Gerard.

Gerard unterrichtet seit 2003 an der Alanus Hochschule. Als Künstler widmet er sich den vielfältigen Möglichkeiten von Papier. In der Ausstellung in der KMB sind auch einige seiner Werke zu sehen – etwa sein Gedenkbuch zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Das Buch ist ein fragiles Objekt, bei dem jede einzelne Seite die Form einer Hausfassade besitzt. Zusammengehalten werden die einzelnen Seiten durch dünne Verbindungen, sodass das „Haus“-Buch jederzeit einzustürzen droht. In Gedenken an die beiden verstorbenen jungen Männer Kevin und Khalil, die bei dem Einsturz ihr Leben verloren, wurde das gesamte Buch mit Texten ohne den Buchstaben „K“ geschrieben.


In dieses Künstlerbuch wurden Papp-Illustartionen eingebunden. Sie können als dreidimensionale Bilder aufgeklappt werden


Künstlerbücher – Lesen als Happening
Als Künstlerbücher gelten solche Bücher, die ein Gesamtkunstwerk aus Bild, Schrift, Form und Material bilden. Sie können rein visuelle Objekte oder gar Skulpturen sein. Das Künstlerbuch ist eine Art Happening, erklärte heute Purpus. So sollen die Bücher alle Sinne vom Auge bis zum Tastsinn und Geruch ansprechen. Das Lesen wird hier zum Erlebnis. Schade ist es daher, dass die Bücher in der KMB in Vitrinen präsentiert werden und von den Besuchern daher nicht selbst in die Hand genommen werden können. Daher denkt die KMB derzeit noch über einen „Nachmittag der offenen Vitrinen“ nach. Eines der Bücher erwartet am Ende der Ausstellung dann noch eine besondere Auszeichnung – es wird von der KMB angekauft und in die Sammlung aufgenommen.

In der Ausstellung sind Werke von Anastasia Bykova, Felizitas Fuchs, John Gerard, Younju Jang, Jiwon Kim, Jutta Knebel, Corinna Krawietz, Lisa Scherer, Annette Schumann, Albert Sonnabend, Marcela Sanchez und Hsieh Tsan-Yu zu sehen. Zu sehen ist die Ausstellung "Seitenansichten" vom 29. Juni bis zum 25. Juli in der KMB.

Cornelia Schlößer für report-k.de | Kölns Internetzeitung