Fundort der Bilingue in der Almosi-Schlucht in Tadschikistan. Der Archäologe Dr. Bobomullo Bobomulloev dokumentierte den Fund 2022 und schickte Fotos an die Kölner Linguisten, wodurch der entscheidende Durchbruch bei der Entzifferung der unbekannten Kuschana-Schrift gelang. | Foto: Dr. Bobomullo Bobomulloev

Köln | Ein Team von Nachwuchswissenschaftlern der Universität zu Köln hat es geschafft eine Schrift zu entschlüsseln, die der Wissenschaft seit über siebzig Jahren Rätsel aufgibt: die sogenannte ‚unbekannte Kuschana-Schrift‘. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren untersuchten Svenja Bonmann, Jakob Halfmann und Natalie Korobzow Fotografien von in Höhlen gefundenen Inschriften sowie Schriftzeichen auf Schalen und Tontöpfen aus verschiedenen zentralasiatischen Ländern, um das Puzzle zusammenzufügen.

Am 1. März gaben sie ihre partielle Entzifferung der unbekannten Kuschana-Schrift bei einer Online-Konferenz der Akademie der Wissenschaften der Republik Tadschikistan erstmals bekannt. Aktuell können etwa 60 Prozent der Schriftzeichen gelesen werden, am verbleibenden Rest arbeitet die Gruppe intensiv, heißt es seitens der Universität zu Köln.

Neuer Fund brachte den Durchbruch für die Nachwuchswissenschaftler

Aber was genau hat es mit dieser rätselhaften Schrift auf sich? Die ‚unbekannte Kuschana-Schrift‘ ist ein Schriftsystem, das in Teilen Zentralasiens zwischen etwa 200 v. und 700 n. Chr. in Gebrauch war. Sie kann sowohl mit frühen Nomadenvölkern der eurasischen Steppe als auch mit der Herrscherdynastie der Kuschana in Verbindung gebracht werden. Bislang sind mehrere Dutzende kurze Inschriften bekannt. Zudem existiert ein längerer dreisprachiger Text, der in den 1960er Jahren von französischen Archäologen in Afghanistan gefunden wurde: auf einem Felsblock auf 4.320 m Höhe am Berg Qarabayu. Das Schriftsystem ist seit den 1950er Jahren bekannt, konnte jedoch bislang nicht entziffert werden.

Im Jahr 2022 wurde im Nordwesten Tadschikistans, etwa 30 km von der Hauptstadt Duschanbe entfernt, ein kurzer zweisprachiger Text gefunden, der in eine Felswand geritzt war. Auf diesem befindet sich diese unbekannte Kuschana-Schrift. Sofort starteten mehrere Forscher:innen unabhängig voneinander einen erneuten Entzifferungsversuch. Letzten Endes gelang es den Kölner Linguist:innen das Schriftsystem teilweise zu entziffern. Sie arbeiteten dem tadschikischen Archäologen Dr. Bobomullo Bobomulloev zusammen, der am Fund und an der Dokumentation der Schrift beteiligt war.

Reise der Kölner Nachwuchswissenschaftler nach Antworten geht weiter

Die Kölner Linguisten planen für die Zukunft in enger Zusammenarbeit mit tadschikischen Archäologen Forschungsreisen nach Zentralasien, da mit Neufunden weiterer Inschriften zu rechnen ist und vielversprechende potenzielle Fundstätten bereits lokalisiert sind.

rs