Wird in Köln alles nur noch dem Verkehr untergeordnet? Das Symbolbild zeigt unterschiedliche Verkehrszeichen.

Köln | Die Kalker Hauptstraße soll Einbahnstraße werden, so die Idee der Politik in BV und Rat. Der Bürgerverein Köln Kalk und die Standortgemeinschaft Kalk senden einen dramatischen und differenzierten Appell. Eines fällt auf: In den Gremienlauf sind nur der Verkehrsausschuss und die Bezirksvertretung Kalk einbezogen, aber nicht der Wirtschaftsausschuss oder der Stadtentwicklungsausschuss. Die Frage muss gestellt werden: Blickt die Kölner Politik zu eindimensional auf die Stadtentwicklung nur durch die Brille der Verkehrspolitik? Ein Kurzkommentar von Andi Goral

Die Kölner Infrastruktur im Bereich der Individualmobilität wird umgebaut. Überall in der Stadt. Die Kölner Politik ist wild entschlossen bei der Sache und die Stadtverwaltung hält immer mehr dafür die Steigbügel. Das ist auf der einen Seite gut und richtig, genannt sei in diesem Zusammenhang der Klimaschutz. Und ja, die Fahrradinfrastruktur in der Stadt wurde über Jahre vernachlässigt und es gut, dass sich was tut.

Vielfältige nicht einfältige Kompetenzen gefragt

Der offene Brief der Kalker Bürger:innen offenbart aber Schwächen des Umbaurausches des Individualverkehrs, in dem sich die Kölner Politik und Stadtverwaltung aktuell befinden. Es berät die Bezirksvertretung Kalk. Das ist gut so, denn dort ist die Vor-Ort-Kompetenz gebündelt. Der Verkehrsausschuss verfügt über Kompetenz in verkehrlichen Fragen.

Bei der Kalker Hauptstraße handelt es sich aber um eine Straße mit Einzelhandel und einer Shopping Mall. Warum ist der Wirtschaftsausschuss hier nicht involviert? Wer bringt Kompetenz ein in Wirtschaftsfragen? Die BV Kalk oder der Verkehrsausschuss? Genau das fragen der Bürgerverein Kalk und die Standortgemeinschaft und das richtigerweise.

Welche Auswirkungen ergeben sich für die Stadtentwicklung und die Immobilienbewirtschaftung in der Stadt? Eine Frage, die die Bürger:innen aufwerfen, aber nicht die Stadtverwaltung und die Kölner Politik? In der Vorlage der Verwaltung dreht sich alles einzig und alleine nur um den Verkehr. Sitzt die Stadtentwicklungskompetenz in der Bezirksvertretung Kalk oder im Verkehrsausschuss?  Der Antrag von SPD und Linken, der diese Entwicklung anstieß, spricht nur allgemein von „Studien“, die ergeben hätten, dass Radfahrer und Fußgänger mehr shoppen. Gibt es eine Studie zu Köln? Zu den Kölner Einkaufsstraßen in den Veedeln? Wenn ja, warum fehlt diese in der Vorlage der Stadtverwaltung?  Mir ist keine Studie bekannt, vor allem keine Studie, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie berücksichtigt.

Die Bürger:innen fordern einen sensiblen Umgang mit der Situation vor Ort und ein Eingehen darauf. Richtig. Sicher können Ideen und Anregungen aus anderen Städten Lerneffekte vermitteln, aber sie sind zwingend abzugleichen mit der Situation vor Ort und ob es überhaupt Passungen zwischen den unterschiedlichen Gegebenheiten gibt.  

All das gehört in einen Evaluationsprozess, der nicht zwingend langsam sein muss, sondern durchaus auch schnell gehen kann. Aber bevor die Politik und Stadtverwaltung solche Entscheidungen treffen, müssen sie sich mehrdimensional mit Chancen und Risiken auseinandersetzen und nicht eindimensional. Verkehr ist dabei nur eine Komponente.

Erfahrungen sammeln und dann den nächsten Schritt gehen

Und eine weitere Frage muss gestattet sein: Die Deutzer Freiheit befindet sich im Verkehrsversuch, die Venloer Straße soll folgen. Auch hier ist die Situation innerhalb Kölns schon zwischen Ehrenfeld und Kalk nicht vergleichbar. Aber wäre es nicht besser, die Evaluation und Erfahrungen abzuwarten und nicht parallel noch ein weiteres Projekt anzustoßen? Also ergebnisoffen aus der eigenen Stadt und den eigenen Projekten lernen, diese optimieren und dann den nächsten Schritt gehen? Das wäre zudem nachhaltiger.

Und noch eines für die Schwarz-Weiß-Maler: Es geht nicht um Auto gegen Fahrrad oder Fahrrad gegen Auto. Genau diese Denke führt in die Sackgasse, der einen, die das Auto und der anderen, die nur das Fahrrad propagieren. Mobilität ganzheitlich und nachhaltig denken, im Veedel und dessen lokale Wirtschaftskraft stärken, muss das Ziel sein und das vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft. Veedel meint aber den Stadtbezirk und der kann ganz schön weitläufig sein. Auch der ÖPNV muss hier mitgedacht werden und nicht nur die Fahrzeit von zwei Buslinien und deren Kosten. Daher ist es gut, dass der Bürgerverein Kalk und die Stadtarbeitsgemeinschaft Kalk sich aktiv in die Debatte einbringen und mehr Breite fordern.