Die wiederholte Kritik am versammlungsrechtlichen Umgang mit dem "Protestcamp" am Chlodwigplatz wies das Polizeipräsidium Köln heute zurück. Der für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortliche Leitende Polizeidirektor Udo Behrendes stellt fest: "Unser Handeln als staatliche Versammlungsbehörde bewegt sich in dem durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesteckten Rahmen. Die jüngsten Appelle der CDU Köln können dagegen in der Gesamtbetrachtung als Aufforderung an die Polizei Köln zu rechtswidrigem Handeln verstanden werden."

Die Stellungnahme der Polizei Köln im Wortlaut:
Das inzwischen auf dem Chlodwigplatz betriebene "Protestcamp" stellt zweifelsfrei eine Versammlung im Sinne des Artikels 8 Grundgesetz dar. Thematisch geht es bei der Veranstaltung vorrangig um Aspekte im Spektrum "direkte Demokratie" und "soziale Gerechtigkeit". Die dortige Meinungsbildung erfolgt durch Diskussionen der ständig anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander sowie mit kurzfristig teilnehmenden Interessierten; die Meinungskundgabe erfolgt unter anderem durch Transparente und Handzettel. Damit entspricht die Veranstaltung in ihrem Gesamtgepräge dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten "engen Versammlungsbegriff". In der von der Kölner CDU zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001 zur Berliner Loveparade heißt es dazu: "Dementsprechend sind Versammlungen im Sinne von Artikel 8 Grundgesetz örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. Die darauf bezogene Versammlungsfreiheit genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz gesteigerten Schutz". Das Bundesverfassungsgericht führt in dieser Entscheidung weiter aus: "Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit … gewährleistet insbesondere Minderheitenschutz und verschafft auch denen Möglichkeiten zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der direkte Zugang zu den Medien versperrt ist."

Das Grundgesetz und das Versammlungsgesetz geben kein Muster für die Form von öffentlichen Demonstrationen und Versammlungen vor. Im Gegenteil stellt die sogenannte Gestaltungsfreiheit ein tragendes Prinzip des Demonstrations- und Versammlungsrechts dar. Es obliegt danach grundsätzlich dem Veranstalter über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung zu bestimmen. In der Rechtsprechung wurden neben "klassischen" Demonstrationsformen unter anderem auch Mahnwachen, Hüttendörfer und Straßentheater als Versammlungen im Sinne des Artikels 8 Grundgesetz anerkannt.

Die Kölner Polizei hat als Versammlungsbehörde den vorrangigen Auftrag, eine nach Artikel 8 Grundgesetz zulässige Versammlung zu schützen. Darüber hinaus hat sie zu prüfen, ob durch die Ausübung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit andere Rechtspositionen beeinträchtigt werden. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit sind dabei nach dem Versammlungsgesetz nur bei "unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat den Versammlungsbehörden in diesem Zusammenhang das Prinzip der "praktischen Konkordanz" aufgegeben: In einem schonenden Ausgleich (so die Worte des Bundesverfassungsgerichts) sollen unterschiedliche Rechtspositionen miteinander harmonisiert werden – dies wiederum im Rahmen des "Kooperationsprinzips", also möglichst im Dialog und einvernehmlich mit den Veranstaltern.

Der bisherige Umgang der Polizei Köln mit den Veranstaltungen am Rudolfplatz und Chlodwigplatz entspricht exakt diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben: In mehreren Kooperationsgesprächen und durch versammlungsrechtliche Auflagen wurden zunächst die widerstreitenden Interessen mit einer gewerblichen Veranstaltung dahingehend gelöst, dass das "Protestcamp" vom Rudolfplatz zum Chlodwigplatz umgezogen ist. Anschließend wurden nach einem Ortstermin die nicht unmittelbar mit dem politischen Anliegen verbundenen Schlaf- und Versorgungszelte abgebaut. Letztlich kam es auch auf dem Chlodwigplatz noch einmal zu einer räumlichen Verlagerung des "Protestcamps", um den Lkw-Verkehr zu einer ebenfalls auf dem Chlodwigplatz eingerichteten Baustelle nicht zu behindern. Die von der CDU Köln als "Zeltlager" bezeichnete Veranstaltung besteht im Zuge der von der Polizei Köln durchgeführten Kooperationsgespräche und Auflagenbescheide inzwischen noch lediglich aus einem einzelnen, offenen "Infozelt" von cirka 25 qm Grundfläche.

Die Kölner Polizei beobachtet weiterhin aufmerksam die Abläufe auf dem Chlodwigplatz. Sie wird auf Veränderungen der angemeldeten Veranstaltungsform genauso reagieren wie auf eventuell störende Begleitumstände (z. B. Ruhestörungen). Insgesamt geht es darum, ein friedliches Miteinander unterschiedlicher Interessengruppen bei der Nutzung des öffentlichen Raums zu gewährleisten.

Die Kölner CDU appelliert demgegenüber in ihrer Internetveröffentlichung vom 27.7.2011 an den Polizeipräsidenten, "das Zeltlager am Chlodwigplatz und endlich auch die beschämende ‚Klagemauer‘ auf der Domplatte aufzulösen". Darüber hinaus wird in der Veröffentlichung eine "lasche ordnungspolitische Linie der Polizeiführung" beklagt. Zunächst ist festzustellen, dass eine von kommunalen Ratsfraktionen aufgestellte "ordnungspolitische Linie" keinen rechtlich relevanten Prüfungsmaßstab für die Polizei Köln im Rahmen ihrer Aufgabe als staatliche Versammlungsbehörde darstellt. Zu der von der Kölner CDU ergänzend thematisierten "Klagemauer-Kundgebung" ist lediglich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.8.2007 (Az. 6 C 22.6) hinzuweisen. In diesem Urteil hat sich das Gericht konkret mit dieser Kundgebungsform auseinander gesetzt und die "Klagemauer" höchstrichterlich als rechtmäßige Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes eingestuft.

[cs, ots]