Aufbauarbeiten an der Kunstroute Kyllburg der Arbeit von Mattanja Coehoorn

Köln/Kyllburg | Am heutigen Sonntag, 11. Juni startet die 4. Kunstroute Kyllburg. Eine Route, die in der Stadt Kyllburg beginnt und auf den Hahn führt. Report-K traf Künstler:innen, den künstlerischen Impressario Olivier Rijcken und sah bei einigen Aufbauarbeiten zu.

Ein Seil mitten durch den Wald und einen steilen Abhang hinunter oder hinauf gespannt. Mattanja Coehoorn aus den Niederlanden steht mit einer Machete am Gürtel unten und blickt auf die ersten Stämme die, wie ein Wasserfall, den Berg hinabliegen. Eine ganze Reihe von Menschen helfen beim Aufbau des Kunstwerkes. Sie ist zum ersten Mal bei der Kunstroute Kyllburg dabei. Sie ist eine von 10 neuen Künstler:innen, die aus 20 Bewerbungen ausgewählt wurde, ihr Landart-Projekt auf dem Hahn aufzubauen.

Besondere Landschaft

Das Besondere an der Kunstroute Kyllburg ist nicht nur die fantastische Natur und Landschaft, sondern ihr Konzept. Die Künstler:innen, können, müssen aber nicht, Arbeiten aus ihren Ateliers oder Studios verladen und sozusagen beliebig in die Natur stellen. Sie sind eingeladen, vor Ort zu arbeiten, mit dem Ort, mit der Natur. Sie suchen sich selbst einen Ort aus, an dem Sie ihre Arbeit, ihr künstlerische Intervention oder Integration einbringen. Und so bleibt der Hahn, den manche Stadtwald oder Kurpark nennen, ein Ort der Natur mit gigantischen Bäumen, mit Licht, Schatten, Zivilisationsgeräuschen von nebenan.

Mattanja Coehoorn bei den Aufbauarbeiten

Landart

So arbeitet Mattanja Coehoorn. Sie bringt nicht ihre Kunst aus dem Studio in die Natur ein. Sie arbeitet mit den Materialien, die sie vor Ort findet. Material in ihrem natürlichen Umfeld. Ihre Arbeiten sind näher an der Natur. Und selbst wie groß ihre Arbeit vor Ort wird ist nicht vorbestimmt. Es ergibt sich daraus, wie viele Helfer:innen sie unterstützen. Als sie im April zum ersten Mal in Kyllburg ist, fasziniert sie der Ort und der Hahn. 10 bis 15 Ideen hätten sich vor Ort entwickelt, so Coehoorn. Das viele Moos habe sie inspiriert, dort Zeichen, Wörter einzuschneiden. Aber dann habe sich die Idee der Linie im Wald entwickelt. Eine Linie, die aus dem Material gebildet wird, das vor Ort liegt. Totholz, das den Abhang hinauf oder hinab, je nach Sichtweise eine Linie zeichnet. Die Wege, die die Menschen betreten unterbrechen sie.

Für andere Lebewesen mag sie eine Barriere bilden. Es ist eine Landmarke im üppigen dichten Wald. Eine Landmarke, die auch wieder vergehen wird. Ein Kunstwerk, das sich verändern wird. Etwa durch die Jahreszeiten, wenn Schnee darauf liegt oder Regen die Hell-Dunkel-Kontraste variieren wird. Und wenn die Bäume zerfallen werden. Sie lege eine Spur in den Wald sagt Coehoorn. Es gebe keine weitere Message, als die Verbindung zwischen den Menschen und der Erde, auf die wir aufpassen müssten, sagt Coehoorn und trägt wieder neue Baumstämme zu ihrer Spur, die sie auf dem Hahn legt.

Teamarbeit

Wer die Kunstroute Kyllburg besuchen will, der muss wandern und die Wege, da es in der Natur ist, sind nicht barrierefrei. Die Veranstalter bedauern dies zwar. Für 2023 suchte sich das Kunstroute Team um Olivier Rijcken das Thema „Fülle“ aus. Veranstalter ist der gemeinnützige Verein „Kyllburg Verein(t)“. Im Sommer 2019 fand die erste Kunstroute in Kyllburg statt. Sie hat Fans und Unterstützer und ist, wie die Arbeit von Mattanja Coehoorn, nicht selten Teamarbeit. Kunst entsteht hier nicht im Gedanken des Universalgenies, das selbst wirkt, sondern gemeinsam. Elle aus Kyllburg ist Fan der Kunstroute, hilft und unterstützt, wo sie nur kann. Für sie ist es toll, wenn sie Freunden im Sommer die Kunstroute zeigen kann. Die, die dabei seien, seien alle mit viel Herzblut engagiert, die Kunstroute auf dem unteren, mittleren und oberen Hahn herzuzeigen.

Rotes Tuch

Marie Senftleben legte Steine frei, die unter Moos und Efeu schlummerten. In den Fugen fließt jetzt rotes Tuch. Rotes Tuch, das Aufmerksamkeit schafft. Sie zeigt damit einen Prozess auf: Die Steinmauer, die die Natur in eine Ordnung brachte, die Natur, die diese wieder übernahm ist jetzt wieder ein kulturell geordneter Raum. Dazu gibt es in der Stiftskirche, ganz oben auf dem Berg, eine Entsprechung im Kreuzweg. Dort verhängte Senftleben fünf Bögen mit Tüchern in unterschiedlichen Rottönen. Ihr Fingerzeig: Hier gestaltete die Hochkultur Bögen. Ihr Verweis: Klöster und Kirchen als Kulturträger. Ihre Kritik: Diese Hochkultur sei pervertiert worden. Ihre roten Tücher verhängen die Hochkultur. Eine kritische Auseinandersetzung mit Natur und Kultur.

Fülle, Fülle, Fülle

Um Rot geht es auch in der Arbeit Papaver Occidentale von Dorothee Bores. „Fülle“ bringt sie mit einer Arbeit in die Kunstroute ein, die in ihrem Atelier entstand. „Fülle“ fand sie im Mohn. Der Mohnblüte und dass sich in einer einzigen Mohnkapsel rund 40.000 Samen finden. Mohn sei Symbol für die Fruchtbarkeit, so Bores. Auf Armiereisen schweben die Entwicklung einer Mohnkapsel jetzt auf einem schmalen grünen Aufgang auf dem Hahn. Die Papiere leuchten rot gefärbt und lassen das Licht changieren und sind mit Klarlack vor der Witterung geschützt. Bores ist zum ersten Mal dabei. Sie wuchs in Kyllburg auf, lebte in St. Thomas und zog nach Trier, wo sie heute arbeitet.

Der blaue Vorhang

Ben Hirtz ist das Kontrastprogramm zum Rot von Bores und Senftleben. Er bringt die Farbe Blau auf den Hahn von Kyllburg. Von ihm finden sich Arbeiten in verschiedenen Stadien auf dem Hahn, denn er beteiligt sich regelmäßig an der Kyllburger Kunstroute. So findet sich die Arbeit „The Blue Line“ aus dem Jahr 2021. Ihr Blau verblasst bereits ein wenig aber die Arbeit nicht minder fulminant. Seine Arbeiten erinnern an den belgischen Künstler Jean Verame, der mit der Farbe Blau Natur markierte und so gigantische Landmarken schaffte, wie etwa die blau angemalten Felsen in einem Wüstental auf der Halbinsel Sinai in der Nähe des Katharinenklosters und Berges Sinai. Wo Verame auf gigantischen Flächen Blau einbringt und mit Details spielt, sind die Arbeiten von Ben Hirtz subtiler und zärtlicher in der Natur, da sie auf Plakativität im Gigantischen verzichten. Sie zeigen Richtungen oder verändern den Blick auf das Davor und Dahinter. „Blau strahlt“, sagt Hirtz.

Bei der Arbeit 2021 „The Blue Line“ war der Ausgangspunkt ein gesplitterter Baum. Der steht immer noch auf dem Hahn. Hirtz und Rijcken bauten ein Gerüst auf und bearbeiteten die Spitze. Der Teil des Baumes, der umfiel blieb exakt so liegen. Hirtz arbeitete eine Linie ein, handwerklich perfektioniert. Es ist der Kontrast zwischen der Natur und der Geradlinigkeit des künstlerischen Eingriffs, den Hirtz hier herausschält.

Ben Hirtz erklärt seine Arbeit

2023 zeigt Hirtz den „Blauen Vorhang“. Er habe viel skizziert, wie er nach den Twins und der blauen Linie weitermachen könne, so Hirtz. Jetzt hängen Holzstäbe, die der Künstler sammelte im Wald auf dem Hahn. Ein geradliniges Stahlseil ist gespannt. Die blauen Stäbe sind aus dem Holz der Haselnuss. Sie formen eine eigene Bewegung im Waldwind. Er habe zudem lange nach dem richtigen Ort gesucht. Ein umgefallener Baum habe die Linie markiert, die kräftigen Fichten seien wichtig, wie zudem der Lichteinfall. Hirtz hofft, dass der Kultursommer Rheinland-Pfalz, die Kunstroute noch lange fördert und er sagt: Der Hahn in Kyllburg ist noch groß genug für mehr Kunst.

Entensammler

Zwei, die auch schon lange dabei sind, sind Erik Westen und Annemike Gudden aus Zendscheid. Alles fing vor 10 Jahren mit einem Aufruf des Kyllburger Bürgermeisters an, die leerstehenden Ladengeschäfte in der Stadt mit Leben zu erfüllen. Kunst oder das, was die Kyllburger Bürger so sammeln. So entstanden die ersten Ausstellungen. Die ersten Kunstrouten waren Ausstellungen in den leeren Schaufenstern. Die Gegend rund um Kyllburg ziehe Künstler:innen an. Hier sei Platz. Westen zeigt in diesem Jahr seine Badeentensammlung. Die sind aus aller Welt mitgebracht und nicht nur die Kyll heruntergeschwommen. Sie kommen aus Costa Rica oder den USA. Insgesamt 150 Badeenten zeigt Erik Westen, alle frisch gebadet in der Hochstraße des Friseur Lux.

Geschichten im Pavillon

Geschichten im Pavillon

Den Pavillon bespielt Ursel Hirtz in der Hochstraße. Sie zeigt dort Papierarbeiten, ganz leicht und beweglich. Daher müssen diese in den Pavillon und können nicht auf dem Hahn in Wald präsentiert werden. Hirtz ist Geschichtenerzählerin. Sie beschäftigt sich mit Geschichten und dem was diese mit ihr machen. Ihre Erkenntnis, alles ist im Fluss, nichts ist fertig und es gibt immer offene Enden. Inspirationen, die sie in ihren künstlerischen Arbeiten zudem realisiert und im Pavillon auf der Kunstroute 2023 zeigt. Grundlage ihrer Geschichten sind alte Mythen und alte Märchen aus aller Welt. Etwa Geschichte aus der „Edda“ der Kelten. Eine Woche lang hängte sie die mitgebrachten Materialien in dem Pavillon, pausierte und schloss jetzt den rund 2 Wochen dauerten Prozess zur Findung ihrer Arbeit, ihrer Bilder ab. Jetzt sei es gut und sie sei zufrieden. Ihre Arbeiten im Pavillon sind jetzt bis September in Bewegung und nie eine Sekunde gleich zu erleben.

Noch ist die Arbeit von Lucia Keidel verhüllt und vor Regen geschützt
Die Arbeit von Lucia Keidel

Wo Eichen wachsen

Aus Oldenburg kommt im roten Camper Lucia Keidel. Sie steht kurz vor dem Abschluss für interdisziplinäre Künste in Maastricht und ihre Arbeit in Kyllburg ist Teil davon. Im März war sie zum ersten Mal auf dem Hahn und suchte nach Eichenbäumen. So viele fänden sich dort nicht erzählt die jüngste Künstlerin der Kunstroute 2023. Aber sie fand zwei und gestaltete dort eine faszinierende Bodenarbeit mit Eicheln, Moos und Lehm. Lucia Keidel brachte die Materialien mit. Sie sammelte unglaublich viele Eicheln im vergangenen Jahr einem sogenannten Mastjahr.

Aufbauarbeiten an der Kunstroute Kyllburg 2023

Auch ihre Arbeit, wie die von Coehoorn, ist der Vergänglichkeit preisgegeben. Als performative Künstlerin störe sie dies nicht. Sie schaffe einen Moment Erfahrung. Sie gebe ihr Material dem Wald zurück und dieses verschmelze mit der Natur und entstehen im Momentum. Schon bei ihrer ersten Tour über den Hahn und die Kyllburger Kunstroute sei sie überwältigt und berührt gewesen. Es gebe auch alte Wälder in ihrer norddeutschen Heimat, aber Berge machten daraus etwas Verwunscheneres.

Treffen der Künstler:innen am Haus der Begegnung in Kyllburg. Hier stellen die Teilnehmenden sich gegenseitig ihre Arbeiten vor.

32 Kunstwerke aus vier Jahren finden sich aktuell auf der Kunstroute Kyllburg. Auf der Kunstroute Kyllburg stehen nicht nur Natur und Kunst in einem Dialog, sondern hier schafft Kultur einen Bewusstseinsraum für europäische Kulturlandschaft, menschliche Eingriffe und führt weit darüber hinaus in die Fragestellung von Dimension von Natur, Kultur, Mythos und Rationalität sowie den unterschiedlichen Umgang jedes Individuums und wie dieses damit umgeht und sich selbst darin definiert.

Die vierte Kunstroute

Die Organisation begann bereits 2018 und zum ersten Mal gab es die Kunstroute 2019. Jetzt ist es die vierte Kunstroute und wie Bürgermeister Wolfgang Kremer sagt eine Veranstaltung, die mit allen Sinnen zu erleben ist. Es ist Olivier Rijcken, der künstlerische Leiter, der es auf den Punkt bringt: Die Kunstroute ist heute nicht mehr wegzudenken für die Menschen, die das Städtchen in ihren Bann gezogen habe. Es war das erste Mal, dass sich Künstler:innen bewerben mussten und eine Jury auswählte. Dies habe einen qualitativen Sprung gebracht, so Rijcken. Es freue zudem, dass in diesem Jahr wieder die Schaufenster in der Innenstadt von Kyllburg einbezogen seien und es sei erstaunlich, was Menschen alles so sammelten. Das bringe Gesprächsstoff zwischen Nachbarn.

Die Kunstroute habe das Thema des rheinland-pfälzischen Kultursommers aufgegriffen „Westwärts“ und mit „Fülle“ interpretiert. Reiche Ernte sei so eine Fülle, so Rijcken, der aber auch kritische Aspekte einwob: Fülle sei auch Artenvielfalt und die gehe gerade verloren. Menschen die nicht in Hülle und Fülle in der Gesellschaft lebten, werden mehr. Dabei seien die Möglichkeiten endlos, dies zeige auch die Kunstroute, aber wir seien gefordert Respekt vor Mensch und Tier zu zeigen. Am Eröffnungstag nahmen rund 200 Kunstinteressierte teil und erlebten in intensiven Gruppenführungen Kunst und Natur auf dem Hahn.

Eröffnung der Kyllburger Kunstroute

11. Juni 2023
Die Kunstroute findet bis 10. September 2023 statt
Rundweg: 3 Kilometer (Nicht barrierefrei, da Waldwege, geländegängige Rollstühle möglich)
Hunde gestattet, Hinterlassenschaften wieder mitnehmen
Startpunkt: Marktplatz 10, Haus der Begegnung

Alle Infos zur Kunstroute Kyllburg und den teilnehmenden Künsterler:innen: https://kunstroute-kyllburg.de/

Kyllburg liegt in der Eifel und ist mit der Eifelbahn erreichbar. Allerdings ist diese durch die Hochwasser im Juli 2021 immer noch unterbrochen. Von Köln aus ist Kyllburg daher folgendermaßen erreichbar: Bis Kall mit der Eifelbahn RB 24, danach Schienenersatzverkehr bis Gerolstein. Ab Gerolstein funktioniert die Eifelbahn bis Trier wieder.


Termine Kunstroute Kyllburg 2023

11. Juni, 14.00 Uhr
Eröffnung der 4. Kunstroute
mit den Künstlerinnen und Künstlern und Führungen, Haus der Begegnung

17. Juni, 19.30 Uhr
Konzert: Brassband Blaast de Bazuin (NL)
auf Camp Kyllburg

21 . Juni, 19.30 Uhr
Sonnenwendfeier
musikalisch begleitet von Katherina Bornefeld und Judith Marien im Kelten-Kompass

24. Juni, 14.00 Uhr
Führung
Startpunkt: Haus der Begegnung

6. Juli, 19.30 Uhr
Konzert: Handpan Performance Ties Rijcken
im Kelten-Kompass

9. Juli, 14.00 Uhr
Führung mit Geschichten von Ursel Hirtz
Startpunkt: Haus der Begegnung

30. Juli, 14.00 Uhr
Führung
Startpunkt: Haus der Begegnung

13. August, 16.00 Uhr
Geschichten von Ursel Hirtz und Musik von Helmut Bleffert
im Kreuzgang der Stiftskirche

27. August, 14.00 Uhr
Führung
Startpunkt: Haus der Begegnung

10. September, 15.30 Uhr
Finissage mit Konzert
Veranstaltungsort und die Akteure werden in Kürze bekannt gegeben