Köln | Auf der Deutzer Werft wehen hunderte Fahnen mit dem Konterfei Öcalans und der Aufforderung ihn freizulassen. Viele Redner und die tausenden Kurden die an diesem Samstag nach Köln gekommen sind fordern die Freilassung des Kurdenführers, zu dem so Selhattin Demirtas, Ko-Vorsitzender der Demokratisvchen Partei der Völker (HDP) seit über 50 Tagen kein Kontakt bestehe. Die Polizei bestätigt den Eindruck einer friedvollen Veranstaltung. Nur wenige bekamen mit, dass die Deutzer Brücke für mehrere Stunden wegen eines verdächtigen Gegenstandes gesperrt werden musste.

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Links und rechts waren Buden und Stände aufgebaut, in einem riesigen Gefäß waren hunderte von Wassermelonen und schon gegen Mittag liefen die ersten Grills und die Dönerspieße heiß. Es roch lecker. Viele Familien mit ihren Kindern waren gekommen, man lag auf der Wiese oder tanzte gemeinsam zu den vielen Musikgruppen die auftraten. Manchmal hatte man den Eindruck es handele sich alleine nur um ein kurdisches Kulturfestival. Aber dieser friedliche Eindruck wurde immer wieder durchbrochen und nicht nur von den Reden. Manchen Teile der Veranstaltung waren sehr militärisch, so marschierten junge Menschen auf der Bühne und davor. Eine Plakatwand auf Kartons prangerte die Kriegsverbrechen im Kurdengebiet im Mittleren Osten an. Viele Menschen trugen militärische Uniformen oder Teile davon.

Eines ist jedem klar der heute das Geschehen auf der Deutzer Werft verfolgte. Die Kurden, die aus ganz Deutschland und Teilen aus Europa wollten heute ein friedfertiges Zeichen setzen, ihre demokratischen Rechte einfordern und formulierten ihre politischen Forderungen und Analysen klar und deutlich. Es gelang ihnen, neben Agitation, ein differenziertes Bild zu zeichnen und vermittelten eindringlich, wie komplex die Lage im Mittleren Osten und vor allem in Syrien ist und welche Lösungen und Einsatz sie von der Weltgemeinschaft, aber auch der Bundesregierung erwarten.


Steve Sweeney

Öcalan mit Nelson Mandela verglichen

Steve Sweeney von der Gewerkschaft Unite national aus Großbritannien, kritisierte die Inhaftierung Öcalans und vor allem dass er keinen Kontakt zu seinen Anwälten und seiner Familie haben dürfe. Er sehe darin den Versuch die Stimme der Kurden zum Verstummen zu bringen und die Rolle Großbritanniens und forderte, dass Öcalan freizulassen, denn er gebe Millionen einen Stimme und verkörpere die Hoffnung für die Kurden. Sweeney fürchtet, dass es keinen Frieden geben könne, wenn Öcalan weiter eingesperrt bleibe. Sweeney verglich Öcalan mit Nelson Mandela, der auch für die Freiheit seines Volkes gekämpft habe.

Ein Sprecher der kurdischen Verbände und der Interventionistischen Linken sprach von 70.000 Besuchern der Kundgebung. Die Polizei rechnet mit rund 20.000. Ayten Kaplan freute sich über den friedlichen Verlauf der Kundgebung und lobte die Zusammenarbeit mit der Kölner Polizei. Es sei gut, dass die Kurdinnen und Kurden ihre demokratischen Rechte nun doch noch wahrnehmen konnten.


Salih Muslim

Salih Muslim, der Ko-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Union (PYD), betonte wie wichtig es den Kurden sei ein Signal der Einheit der Völker zu setzen. Man wolle für Menschenrechte und Demokratie im Mittleren Osten einstehen. Er machte aber auch unmissverständlich klar, dass man die Rechte des kurdischen Volkes verteidigen werde. Der Türkei warf er vor mit dem Islamischen Staat zusammen zu arbeiten und jetzt, wo man sehe, dass dieser nicht erfolgreich sei, selbst gegen das kurdische Volk vorzugehen. Die Kurden würden nicht für die Spaltung im Mittleren Osten stehen, sondern für die Gemeinschaft.

Sowohl bei der Rede von Salih Muslim, als auch Selhattin Demirtas, Ko-Vorsitzender der Demokratisvchen Partei der Völker (HDP) kam es immer wieder zu lautstarken Rufen aus der Menge, die den türkischen Staatspräsidenten als Mörder bezeichneten.

Selhattin Demirtas

Demirtas machte Al Nusra, die freie syrische Armee, den IS und die AKP für das Leid der Menschen im Mittleren Osten verantwortlich und betonte, dass die Kurden die einzigen seien, die sich gegen diese Kräfte stellten. Der AKP, der türkischen Staatspartei warf er vor mit dem Islamischen Staat gemeinsame Sache zu machen. Demirtas nannte die Mitglieder des IS Barbaren. „Die AKP habe ihre Hoffnung auf diese Barbaren gesetzt um die Kurden zu verdrängen“. Da der IS auf dem Rückmarsch sei, sei das türkische Militär jetzt in Syrien einmarschiert. Die offizielle Politik, so Demirtas, könne 50 Millionen Kurden nicht einfach ignorieren. Der Kampf der Kurden gegen den IS sichere auch die Sicherheit in Deutschland mahnte Demirtas und dieser sei auch ein Kampf für die Menschheit.

In der Türkei befürchtet Demirtas eine Einmannregierung und dass das Parlament ausgehebelt werde. Seit 15 Jahren sei dies die schwächste Phase der AKP analysiert Demirtas, sie sei so angreifbar wie noch nie zuvor. „Sie haben Angst und sind von Panik erfasst“, so Demirtas. Es sei gut, dass der Putsch am 15. Juli nicht erfolgreich war, so der Politiker der HDP. Für Erdogan sei dies ein Geschenk Gottes gewesen und wenn Erdogan und die AKP es könnten, würden sie das Parlament auflösen, die TV-Sender und die Gerichte schließen. Nur die Kurden würden würden Widerstand leisten, so Demirtas. Man strebe keine Lösung der Kurdenfrage mit Waffen und Krieg an, aber Widerstand sei legitime Selbstverteidigung.

Demirtas fordert die Freilassung Öcallans und kritisiert, dass seit 50 Tagen weder seine Anwälte, noch seine Familie Kontakt haben. Die türkische Community frage sich, ob er noch am Leben sei, schließlich sei auch die Gefängnisinsel vom Putsch betroffen gewesen. Demirtas kündigte einen Hungerstreik an. Demirtas machte in Köln deutlich wie wichtig Öcallan für die kurdische Bevölkerung sei. Es gebe 10 Millionen Unterschriften von Menschen, die die Freiheit forderten.


Bernd Riexinger

Auch Bernd Riexinger, Parteivorsitzender der Linken, forderte die Freilassung Öcalans und nannte dessen Isolationshaft Folter, die es in Europa nicht geben dürfe. Er werde bei der türkischen Regierung eine Besuchserlaubis beantragen. Öcallan solle nach seiner Freilassung die Friedensverhandlungen für die Kurden führen. Die EU und die Bundesregierung müssten sich für den Demokratieprozess in der Türkei einsetzen und es sei nicht zu akzeptieren, dass demokratische Politiker verfolgt werden. Riexinger nannte die Intervention des türkischen Militärs in Syrien einen Krieg gegen die Kurden, der von der NATO geduldet werde. Die EU müssen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sofort beenden und den schmutzigen Flüchtlingspakt kündigen. Auch einen Abzug der Bundeswehr aus der Türkei forderte Riexinger. Zudem forderte Riexinger eine sofortige Aufhebung des PKK-Verbotes, die vor dem Hintergrund des Kampfes der Kurden gegen den IS nicht mehr passend sei.

Autor: Andi Goral