Plakate der drei Spitzenkandidat*innen bei der Landtagswahl NRW Hendrik Wüst, CDU, Thomas Kutschaty, SPD und Mona Neubaur, Grüne.

Köln | Die Demoskopen sehen CDU und SPD nahe beeinander, wobei die CDU in den Umfragen im Mai immer die Nase vorne hatte. Wer wird also neuer NRW-Ministerpräsident Kutschaty oder Wüst? Der grünen Spitzenkandidatin Mona Neubauer wird die Rolle der Königsmacherin zugeschrieben. Report-K stellt hier die wichtigsten Köpfe der NRW-Landtagswahl 2022 vor.

Zwei Juristen streben das höchste Amt in der Düsseldorfer Staatskanzlei an. Hendrik Wüst, CDU, wechselte vom Posten des NRW-Verkehrsministers in das Amt des Ministerpräsidenten. Dieses übernahm er von Armin Laschet, wie auch den Vorsitz der NRW CDU, nachdem Laschet in die Bundespolitik und das Amt des Bundeskanzlers anstrebte. Wüst kann sich also bei der NRW-Wahl nicht auf einen Amtsbonus verlassen und er hat noch keine Landtagswahl gewonnen. Sein Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD kennt das Ministeramt noch aus seiner Zeit als Justizminister unter der roten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die die Landtagswahl 2017 verlor und damit ihren damaligen Herausforderer Armin Laschet überraschte. Die Wähler*innen in Köln und NRW haben also am Sonntag die Wahl zwischen zwei Juristen, die eher kühl und kontrolliert agieren. Kutschaty kann als Sozialdemokrat aber mit seiner Herkunft punkten: Er ist der Sohn eines Eisenbahners aus Essen. Seit vier Jahren führt er die Opposition gegen die Schwarz-Gelbe Landesregierung aber bekannt ist Kutschaty damit nicht geworden. Damit ist er nicht alleine oder kennen Sie die Fraktionsvorsitzende der NRW Grünen im Landtag? Im Januar 2021 kannten nach dem „WDR NRW Trend“ 47 Prozent der Nordrhein-Westfalen den Mann nicht, der jetzt auf den Großplakaten hängt.

Kutschaty kommt aus Essen

Es ist das Jahr 1968 als Thomas Kutschaty in Essen das Licht der Welt erblickt. Er wächst in einer Sozialwohnung in Essen-Borbeck auf. Der Vater ist Eisenbahner und nimmt den Jungen mit zu SPD-Veranstaltungen. 1986 tritt Kutschaty in die SPD ein und wird Juso und damit beginnt wie bei so vielen Politikerinnen seine Parteikarriere, auf der später auch seine politische Karriere gründet. Denn hier bilden sich die tragenden Netzwerke, die Politiker heute brauchen, um in den Parteigremien nach oben zu kommen. Damit ist Kutschaty nicht alleine, das gibt es auch bei der CDU und bei den Grünen. Die Seiteneinsteigerinnen sind eher selten. Schon ein Jahr nach seinem Parteieintritt wird Kutschaty Sprecher der Jusos in Essen-Borbeck und Mitglied im SPD-Ortsverein. Es folgen Bezirksvertretung und sachkundiger Einwohner im Rat der Stadt Essen. Nach dem Jurastudium eröffnet Kutschaty mit einem Kollegen eine Kanzlei in Essen. Kutschaty ist verheiratet und die Liebste lernt er bei den Jusos kennen. Das Paar hat zwei Söhne und eine Tochter. 2005 folgt das Landtagsmandat und 2010 wird er Justizminister in der Regierung Kraft und füllt dieses Amt sieben Jahre aus. Das läuft nicht immer ganz reibungslos, die Gefängnisse in NRW sind marode und es gibt spektakuläre Ausbrüche. Seit 2005 gewinnt er die Direktmandate in seinem Essener Wahlkreis. Aber in Essen verzeichnet er nicht nur Erfolge.

2016 wird Kutschaty SPD-Chef in Essen. Es brodelt im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 im Essener Norden und die SPD-Ortsvereine im Essener Norden wehren sich gegen die Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt. Ein SPD-Mann sticht besonders heraus: Der ehemalige Bergmann und SPD-Ratsherr Guido Reil, der zur AfD wechselt und bundesweit für Schlagzeilen sorgt. Dazu kommt die Essener SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz, die 2016 zugeben muss ihren Lebenslauf gefälscht zu haben. Kutschaty wird als SPD-Chef vorgeworfen im Fall Reil konfliktscheu gewesen zu sein und im Fall Hinz nachlässig und später die Freiheit des Mandats zu missachten. In Kutschatys Wahlkreis wird die AfD mit Guido Reil 13,1 Prozent bei der Landtagswahl 2017 erzielen. Nach der Landtagswahl wird Kutschaty Fraktionsvorsitzender der SPD im NRW-Landtag.

Es kommt zu einer Doppelspitze mit Sebastian Hartmann, der SPD-Landeschef wird. Dies geht nicht gut und es kommt zum offenen Machtkampf zwischen Kutschaty und Hartmann, den der SPD-Mann aus dem Rheinland 2021 verliert. Auch weil die SPD bei der Kommunalwahl 2020 ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis landesweit einfährt.

Bei der Bundestagswahl 2021 ist Kutschaty Teil des Teams Olaf, obwohl er sich zuvor gegen die Groko positioniert hatte, in der Scholz Vizekanzler und Finanzminister war. Kutschaty sorgt im Bundestagswahlkampf für Rückenwind aus NRW und die SPD erreicht 29,1 Prozent. Der Rest ist bekannt: Olaf Scholz wird Bundeskanzler und unterstützte dafür jetzt Kutschaty im Landtagswahlkampf. Kutschaty setzt auch mit inhaltlichen Plakaten auf wenige Themen in NRW: Wohnen, klimagerechte Arbeitsplätze, Gesundheit und Bildung. Aus der Landtagswahl 2017 weiß Kutschaty noch, dass in NRW Wahlen mit Schulpolitik gewonnen oder verlustig gehen können. 2017 war es Löhrmann von den Grünen, 2022 ist es Yvonne Gebauer von der FDP. Und mit wem würde Kutschaty koalieren? Hier gibt sich der SPD Mann aus Essen offen. Sein Herausforderer Hendrik Wüst kommt aus Westfalen.

Hendrik Wüst – der Mann mit Fortune seit einem halben Jahr

Über Hendrik Wüst schüttet, wenn es eine solche gäbe, die politische Glücksgöttin ihr Füllhorn seit gut einem halben Jahr aus: Er beerbt Armin Lascht als Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender in NRW sowie bekommt den MPK-Vorsitz und damit die bundespolitische Bühne gleich zu Beginn seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident. Darauf muss Wüst stolz sein, denn den Wähler*innen prangt auf den Plakaten immer entgegen: „Unser Ministerpräsident“ oder sind die CDU-Wahlstrategen noch unsicher, ob alle Menschen in NRW Wüst kennen. Wüst wird am 19. Juli 1975 in Rhede geboren. Er pflegt noch heute die Tradition am Ort: er ist Mitglied im Schützenverein und der Kreisjägerschaft in Borken. Jura studiert er in Münster, wo er neben Coesfeld und Brüssel sein Referendariat absolviert. Wüst ist verheiratet und ist Vater einer Tochter. Wie Kutschaty auch zieht es Wüst schon als jungen Mann in die Politik und er gründet den Stadtverband der Jungen Union in Rhede. Mit 25 wird er Landesvorsitzender der Jungen Union NRW. Hier entstehen die Netzwerke, die für aktuelle Politik-Karrieren so wichtig sind. Schon mit der Landtagswahl 2005 zieht Wüst in den Landtag von NRW ein, denn er holt das Direktmandat im Wahlkreis Borken I und ist jüngster Abgeordneter im damaligen Landtag. 2006 wird er NRW CDU Generalsekretär, da ist er 30 Jahre jung.

Die „SZ“ ordnet Wüst damals als „schneidigen Law-and-Order-Politiker“ ein, davon ist ein wenig im aktuellen Wahlprogramm der CDU zu spüren. Die „FAZ“ sagt damals über ihn „hart gesottener Wadenbeißer“ oder die „Zeit“ urteilt: „‚Rüttgers Mann fürs Grobe‘“. Aber in diese Zeit fallen viele Verfehlungen von Wüst, wie etwa die Einbehaltung unrechtmäßiger Zuschüsse, die er allerdings zurückzahlt. Wüst war zudem in die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre verwickelt, bei der unter anderem Gespräche mit dem damaligen Ministerpräsidenten Rüttgers auf Landesparteitagen der CDU gekauft werden konnten. In der Partei gewinnt Wüst Einfluss durch seine Wahl zum Landesvorsitzenden der mächtigen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) in NRW der CDU. Neben seinem Landtagsmandat übernimmt Wüst zeitweilig mehrere Geschäftsführerposten als Medienlobbyist unter anderem beim Zeitungsverlegerverband NRW und anderen.

Wüst vollzieht einen Imagewandel par Excellence. Präsentierte er sich am Beginn seiner Karriere als extrem konservativ und kantig ist er jetzt der immer lächelnde smarte Politiker mit Pokerface, dem nicht anzusehen ist, was er selbst denkt. Nach 2017 ruft Laschet Wüst als Verkehrsminister. Der kommt und wird eingebunden. Als Krisenmanager erarbeitet er sich beim Bau der Leverkusener Autobahnbrücke einen guten Ruf. Wüst muss auch die Mallorca-Affäre seiner Umweltministerin Heinen-Esser managen, die Fragen offen lässt, wie etwa seit wann wusste Wüst davon? Heute redet er öffentlich lieber übers Radfahren als über die Jagd. Gewinnt er die Landtagswahl am 15. Mai in NRW, dann dürfte er auch bundespolitisch an Einfluss gewinnen, wie sein Ministerpräsidentenkollege Günther aus Schleswig-Holstein. Zwei junge und smarte Karrieremänner, mit denen sich der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz dann messen müsste.

Die Königsmacherin Mona Neubaur von den Grünen

Mona Neubauer ist Ihnen unbekannt? Damit steht Neubaur bei dieser Wahl nicht alleine und zeigt gleichzeitig auf, wie wenig bekannt das grüne Spitzenpersonal in NRW ist. Die Frage wer aktuell die Landtagsfraktion der Grünen führt können nur wenige bis gar keine Wählerinnen in NRW beantworten. Dabei liegt die Partei selbst mit 17 Prozent der Stimmen wieder mit vollem Wind in den Segeln auf großer Fahrt. Das dürfte auch bundespolitischer Rückenwind sein, nach der NRW-Flaute bei der Landtagswahl 2017. Immer noch nicht vergessen haben viele Klimaschützerinnen, dass die Partei in der Phase als Rot-Grün in Bezug auf RWE und den Hambacher Forst keine Bella Figura machte. Mona Neubauer ist kein NRW-Kind, sondern kommt aus Süddeutschland, genauer gesagt aus Bayrisch-Schwaben. Die bayrischen Schwaben gelten in ihrem Bundesland als nicht besonders weltoffen, umso erstaunlicher ist es also, dass Mona Neubaur genau für ihre Offenheit gerühmt wird.

Neubaur positioniert die NRW Grünen offen in der Koalitionsfrage. Neubaur hat Erfahrungen aus der Wirtschaft bevor sie zur grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung wechselte. Auch Neubaur kennt die innergrünen Netzwerke, ohne die heute eine Politkarriere eher unwahrscheinlich ist. Neubaur wird nachgesagt, dass ihr Sprachstil angelehnt an Robert Habeck ist und leicht zur Floskelhaftigkeit tendiert. Smart und zeitgerecht präsentiert sich Neubaur auf ihren Plakaten auf dem Rennrad. Neubaur spricht die Wählerinnen der bürgerlichen Mitte an und folgt damit einem Trend, der die Grünen Bundesvorsitzenden Baerbock und Habeck in höchste Regierungsämter brachte. Ohne die Grünen wird es auch in NRW nicht gehen, so viel scheint nach den Umfragen klar. Offen bleibt mit wem die Grünen koalieren werden, auch wenn die Grüne Jugend in NRW Rot-Grün fordert. Eines pfeifen die Spatzen allerdings von den Düsseldorfer Landtagsdächern, ein Ressort wollen die Grünen wohl nicht: Das Schulministerium. Bei der Konstellation Rot-Grün soll es dafür allerdings einen Kölner SPD-Aspiranten geben. Mal sehen wie die Wählerinnen sich entscheiden werden. Nur eines steht jetzt schon fest: An der Spitze von NRW wird kein/e Rheinländer*in stehen.

LANDTAGSWAHL NRW 2022 BEI REPORT-K

Report-K berichtet ab 18 Uhr am 15. Mai in einem Liveticker über den Ausgang der Landtagswahl NRW mit einem Fokus auf die Kölner Ergebnisse und Stimmen aus Köln.