Münster | Das NRW-Verfassungsgericht in Münster beschäftigt sich mit einer Klage der früheren Linksfraktion gegen den Haushalt der Landesregierung für das laufende Jahr. Zum Prozessauftakt heute warf sie Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) vor, den Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 erst im Dezember vergangenen Jahres in den Landtag eingebracht zu haben. Die Frist dafür sei aber zweieinhalb Monate zuvor abgelaufen. Die Linke sieht darin eine Verletzung des parlamentarischen Budgetrechts.

Der Anwalt der Linken, Hans-Peter Schneider, sagte der Nachrichtenagentur dapd nach dem Prozess: „Die Regierung hat eine Haushaltsnotlage herbeigeführt, um freiwillige soziale Leistungen in Höhe von einer Milliarde Euro zu sparen, die in einem Nothaushalt nicht bezahlt werden dürfen.“

Kritik der Richter

Der ehemalige haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion, Rüdiger Sagel, erklärte zur Klage gegen einen Verstoß des sogenannten Vorherigkeitsprinzips: „Aus unserer Sicht war das politisch motiviert.“ Nachdem das NRW-Verfassungsgericht im März 2011 den Nachtragsetat 2010 kippte und geringere Schulden anordnete, sei noch mehr als ein halbes Jahr Zeit gewesen, um den Haushalt fristgemäß zum 30. September 2011 einzubringen. Nach den kritischen Nachfragen der Richter an die Landesregierung sei er „sehr zuversichtlich“, dass das Gericht der früheren Linksfraktion bei der Urteilsverkündung am 30. Oktober recht geben werde.

Nachdem der Staatssekretär des Finanzministeriums, Rüdiger Messal, begründete, dass der verzögerte Haushalt 2011 Auswirkungen auf den Haushalt 2012 gehabt habe, fragte der Vorsitzende Richter Michael Bertrams: „Wieso sollte die Landesregierung nicht in der Lage gewesen sein, parallel einen Haushalt zu entwerfen?“

Messal verwies zudem darauf, dass es einen Zeitraum „zur politischen Sondierung“ geben musste. Man habe das Möglichste getan, um den Haushalt so frühzeitig wie möglich vorzulegen, aber wegen der besonderen Umstände sei dies nicht zu einem normalen Zeitpunkt möglich gewesen. Daraufhin entgegnete Bertram: „Das sind politische Schwierigkeiten, die das politische Geschäft eines jeden Haushaltsjahres bestimmen.“

„Es ging der Landesregierung darum, Neuwahlen herbeizuführen“

Die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Bärbel Beuermann, sagte: „Es ging der Landesregierung nur darum, Neuwahlen herbeizuführen und die Kontrolle über das gesamte Haushaltsjahr zu gewinnen.“ Auch wenn die Linke von der zu erwartenden Grundsatzentscheidung nicht mehr profitieren könne, so hoffe sie zumindest, dass die demokratische Kontrolle durch das Parlament gestärkt werde und solche Fristen künftig eingehalten werden.

Die rot-grüne Minderheitsregierung war nach knapp zwei Jahren gescheitert, weil der Düsseldorfer Landtag bei der entscheidenden Abstimmung im März 2012 den Haushaltsentwurf der Regierung ablehnte und sich damit auflöste. Bei einer Neuwahl im Mai flog die Linksfraktion aus dem Landtag. Der Etat 2012 wird voraussichtlich im November verabschiedet.

Autor: Jean-Charles Fays/dapd