Die Polizei trennte die beiden Demonstrationen am Kölner Heumarkt am 16. September 2023. | Foto: Bopp

Köln | Zum ersten Mal fand in Köln der „Marsch für das Leben“ statt. Unter anderem rief das Bündnis „Pro Choice“ zum Gegenprotest auf. Insgesamt gab es sechs Veranstaltungen des Gegenprotest. Auf beiden Seiten standen sich hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber, die die Polizei trennte. Bei einer Blockade setzten die Beamten in Köln Schlagstöcke ein. Die Kölner Polizei spricht davon, dass ihre Beamten Tritten und Schlägen ausgesetzt war.

Der Kölner „Marsch für das Leben“ startete am Kölner Heumarkt. Dort fand zudem der Gegenprotest vom „Bündnis pro Choice“ statt. Auf dem Kölner Heumarkt sprach auf der vom Bundesverband Lebensrecht veranstalteten Kundgebung die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL) Susanne Wenzel, die der Ampelregierung vorwarf, gegen das Leben zu arbeiten und Frauen im Schwangerschaftskonflikt alleine zu lassen. Zudem sprach der Mediziner Paul Cullen, der vom Asta der Universität Münster und den Kritischen Mediziner:innen scharf für seine Haltung gegenüber Schwangerschaftsabbrüchen und in der Covid-19-Pandemie kritisiert wird, über den Wert und das Recht auf Leben. Cullen ist Mitglied im Bundesvorstand des Bundesverband Lebensrecht und Vorsitzender des Vereins „Ärzte für das Leben“.

Der „Marsch für das Leben“

Das Bündnis „Pro Choice“ sieht in dem „Marsch für das Leben“ einen Schulterschluss zwischen den beiden großen Kirchen, christlichen Fundamentalistinnen und Fundamentalisten und extrem rechter Organisationen. Auch die AfD unterstützt den „Marsch für das Leben“. Deren Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah sprach in einer Mitteilung der Partei und ließ im Vorfeld des ersten Kölner Marsches für das Leben verlautbaren: „Deutschland steckt in einer tiefen, moralischen Krise. Mit der Abwertung der Frau in ihrer Rolle als Mutter geht ein Verlust an Mutterschutz in Recht, Gesundheits- und Sozialfürsorge einher.“ Aus der kommunalen AfD beteiligte sich das Ratsmitglied Christer Cremer. In der parallel in Berlin stattfindenden Veranstaltung begrüßte die Bundesvorsitzende des Bundesverbandes für das Lebensrecht Maria Linder, den Berliner Erzbischof Heiner Koch, Bischof Rudolf Vorderholzer, Weihbischof Josef Graf sowie die Weihbischöfe Florian Wörner und Matthias Heinrich. In Köln wurde Weihbischof Dominikus Schwaderlapp gesehen, der nicht auf der Kundgebung sprach.

Der Gegenprotest

Das Bündnis „Pro Choice“ Köln spricht von rund 3.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die gegen den „Marsch für das Leben“ in Köln auf die Straße gingen. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker stellte sich auf „X“ vormals „Twitter“ hinter den Gegenprotest. Das Bündnis bestehe aus einem breiten Spektrum feministischer Gruppen, Studierender, Beratungsvereinen oder Antifaschistischen Bündnissen, so „Pro Choice“. Es sei gelungen den „Marsch für das Leben“ schon nach 200 Metern zum Stillstand zu bringen, so „Pro Choice“. Das Bündnis des Gegenprotests beklagt Polizeigewalt. Die Kölner Polizei spricht davon, dass der „Marsch für das Leben“ mehrfach umgeleitet werden musste und es bei einer Blockade auch zum Einsatz von Schlagstöcken kam, wie Videos auf „X“ vormals „Twitter“ ebenso zeigen.

Luzie Stift, Sprecherin des „Pro Choice“-Bündnisses, kommentierte die Aktionen noch am gleichen Tag: „Wir freuen uns sehr über unseren heutigen kompletten Erfolg. Dieser ist für die ganze Gesellschaft extrem wichtig. Den Marsch für das Leben aufzuhalten ist keine Frage, die nur Frauen und Menschen mit Geschlechtsidentitäten, die von Konservativen und Rechten nicht anerkannt werden, betrifft. Es ist eine Frage der Freiheit und der Selbstbestimmung, die ALLE Freund*innen von grundlegenden Menschenrechten als zentral anerkennen müssen. Es geht um nicht weniger als die Möglichkeit für Frauen, Transpersonen, homosexuelle Menschen und andere, ihr Leben gesund und in Frieden leben zu können. Das Bündnis aus konservativen Organisationen mit großem Einfluss in der Gesellschaft wie den Kirchen, und extrem rechten Akteur*innen aller Art, dass den Marsch für das Leben organisiert, stellt grundsätzliche demokratische Rechte all dieser Personengruppen in Frage. Und diese Bedrohung darf nicht unterschätzt werden: Man muss nur auf das Urteil des obersten Gerichtshofes der USA schauen, der am 24.6.2022 das Recht auf Abtreibung kippte. Diese extreme Einschränkung des Rechtes auf Selbstbestimmung und Gesundheit droht Frauen im gegenwärtigen politischen Rechtsruck auch hier. Ein Schulterschluss zwischen konservativen und rechtsextremen Organisationen, wie er beim Marsch für das Leben stattfindet, ist auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene möglich. Die ständigen Berichte über die abnehmende, ohnehin schon mangelhafte Abgrenzung der CDU gegen die AfD illustrieren dies deutlich. Wir haben den „Marsch für das Leben“ also auch aufgehalten, um den Anfängen zu wehren. Unsere politischen Forderungen gehen aber darüber hinaus und treffen auch die gesamte Gesellschaft, denn auch in der bestehenden Gesellschaft sind reproduktive Rechte nicht garantiert, sind Frauen, Queers und Transpersonen nicht sicher. Auch jetzt, nach dem erfolgreichen Protest gegen den Marsch, sind unsere Forderungen weiterhin: Weg mit dem §218! Für einen sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen!“

Kritik an der Polizei

„Die Tagespost“, die katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur kritisierte die Kölner Polizei und nannte deren Maßnahmen nicht nachvollziehbar. Der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker wirft die Zeitung vor auf „Facebook“, Partei für die Gegendemonstranten ergriffen zu haben und damit „Ihre Pflicht zur Neutralität schwer verletzt“ zu haben.

Durch die Blockaden führte die Kölner Polizei die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Marsch für das Leben“ zurück auf den Kölner Heumarkt. Die Versammlung war gegen 17.45 Uhr beendet.

Im Vorfeld des ersten „Marsch für das Leben“ entbrannte ein politischer Streit um einen Terminhinweis der Kölner CDU. Report-K berichtete:

ag