Köln | Die Grünen im Kölner Stadtrat melden für die heutige Sitzung des Rates eine zweite Personalie an. Zum einen wollen sie Dr. Harald Rau vom Rat für eine zweite Amtszeit als Sozialdezernent wiederwählen lassen. Die zweite Personalie betrifft den Austausch an der Spitze des Aufsichtsrates der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB).

Die Grünen-Fraktion tauschen in der Funktion des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der KVB ihren Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer und Vorsitzenden des Verkehrsausschusses gegen den Vize-Fraktionschef Manfred Richter aus, so der Plan. Voraussetzung: Der Kölner Rat stimmt diesem Wunsch der größten Fraktion heute zu. Die Grünen erklären dies damit, dass sich Hammer auf die kommende Kommunalwahl konzentrieren möchte. Es lohnt ein Blick in die Historie und Betrachtung vor dem heutigen Ist-Zustand.

Eine lange Liste von grünen Versprechungen

Wer sich das grüne Kommunalwahlprogramm aus dem Jahr 2020 noch einmal durchliest findet nicht nur beim Thema KVB, sondern auch in anderen Themenfeldern interessante grüne Versprechen, die vor dem Ist-Zustand heute, also vier Jahre später sich nicht in der Kölner Realität wiederfinden. Dabei war die Ausgangslage gut: Mit Abstand stärkste Fraktion im Rat und die Grünen besetzen den wichtigen Posten des Aufsichtsrats der KVB mit Lino Hammer. Zwei Machtpositionen, mit denen die Mobilitätswende, die die Grünen im Wahlprogramm versprechen, umgesetzt oder wenigstens angegangen werden könnte.

Die grünen Ziele 2020 waren unter anderem „Taktfrequenzen und Betriebszeiten auf den existierenden Linien verstärken sowie die Kapazität der Züge auf der Ost-West-Achse erhöhen“, „dafür sorgen, dass die Fahrpläne der KVB eingehalten werden“ oder „in den Gremien des Verkehrsverbunds (VRS) keinen weiteren Preiserhöhungen für die Nutzung des ÖPNV zustimmen und Verhandlungen mit dem VRS über sozialverträglichere und vereinfachte Preisstrukturen führen, wie ein 365-Euro-Jahresticket und kostenlosen ÖPNV für unter 18-Jährige“. In dem Papier finden sich noch viele weitere Punkte, wie Wasserbusse, umfassender und durchgängiger Nachtverkehr, Seilbahn oder die Planungen von unwirtschaftlichen Großprojekten wie dem Ost-West-Tunnel beenden.

Personal ist eine strategische Managementaufgabe von Vorstand und kontrollierendem Aufsichtsrat

Der IST-Zustand ist ein ganz anderer. Picken wir einen, aber den wichtigsten Punkt heraus: Die Kölner Verkehrsbetriebe fahren im Notfahrplan. Der Grund: Personalmangel. Der ist aber kein Naturereignis, der aus heiterem Himmel auf die Kölner KVB herabfiel, sondern kündigte sich an: Demografischer Wandel oder die Forderungen aus der gesellschaftlichen Mitte, dokumentiert durch 1,5 Grad Ziel, Thematisierung Klimakrise mit zehntausenden Menschen auf der Straße etwa bei Fridays for Future. Dies manifestierte sich im grünen Wahlprogramm und nicht nur dort und war Teil des Erfolges. Hat das Management der KVB diese Signale nicht vernommen? Und wenn nicht wo blieb der Aufsichtsrat, spätestens mit der grünen Übernahme durch Lino Hammer?

Ein sensibilisiertes Management hätte die Signale hören können, lange bevor der Notfahrplan ausgerufen wurde. Der nächste Fehler, das lernt man eigentlich in Managementgrundkursen oder man kann es ergoogeln: wenn das Unternehmen schon zu wenig Mitarbeitende hat, dann muss das Management auf die verbliebenen Mitarbeitenden achten. Ist das passiert? War Personalmanagement bei der KVB strategisches Thema und ist der Aufsichtsrat hier seiner Kontrollpflicht nachgekommen?

Denn eines ist klar: Das Leitungsgremium der KVB, also der Vorstand, muss dem Aufsichtsrat insbesondere über die Personalpolitik in Form der Personalplanung berichten.  Es verwundert nicht, dass die Grünen daher Manfred Richter vorschlagen, einen Personaler, auch wenn Richter bislang nicht als kommunaler Verkehrspolitiker im Rampenlicht stand.  

Und da ist dann noch die Affäre Thomas Schaffer und der Dienstwagen, die in die Zeit des Aufsichtsratsvorsitzenden Lino Hammer fällt. Als diese im Juni des vergangenen Jahres tobt, fährt die KVB schon im Notbetrieb. Der Aufsichtsrat unter Hammer flüchtete in juristische Spitzfindigkeiten und der Imageschaden war gigantisch und nicht nur extern.

Das sagen die Grünen

In einem schriftlichen Statement sagt Lino Hammer zu seinem Ausscheiden aus dem KVB Aufsichtsrat: „Zum Ende einer Legislaturperiode wächst der Koordinierungsaufwand in den politischen Gremien. Die Kommunalwahl kommt näher und die Stadt steht vor großen Herausforderungen. Als stärkste Fraktion im Kölner Rat haben wir eine übergeordnete Verantwortung für die Steuerung politischer Prozesse. Dafür braucht es jetzt zusätzliche Ressourcen. Damit ich mich dieser Aufgabe als Fraktionsgeschäftsführer mit voller Aufmerksamkeit widmen kann, werde ich mein Mandat als Aufsichtsrat bei der KVB AG und damit auch den Vorsitz niederlegen. Mit Manfred Richter schlagen wir eines unserer erfahrensten Ratsmitglieder als meinen Nachfolger vor.“

Manfred Richter, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen Fraktion, sagt zu dem angestrebten Personalwechsel schriftlich: „Lino Hammer hat viele wichtige Veränderungen bei der KVB angestoßen und begleitet. Wir sind ihm für seine Arbeit sehr dankbar, die ich nun aufgreifen und weiterführen werde. Die kommenden Wochen werden von zahlreichen Gesprächen geprägt sein. Ziel ist, dass die KVB für ihre Zukunftsaufgaben bestmöglich aufgestellt ist – dies im Rahmen der engen finanziellen Spielräume, den geplanten Infrastrukturmaßnahmen sowie den Herausforderungen der Mobilitätswende.“

Notbremsung?

Der Wechsel an der Spitze des KVB-Aufsichtsrates fühlt sich eher an wie eine Notbremsung der Grünen in allerletzter Minute. Dass mit Manfred Richter ein Personaler an die Spitze des Gremiums berufen werden soll, spricht Bände. Ob in den etwas mehr als 12 Monaten, die bis zur Kommunalwahl 2025 verbleiben, auch nur ein Punkt aus dem grünen Wahlprogramm 2020 erfolgreich umgesetzt werden kann, bleibt fraglich. Eines steht außer Frage: Die Grünen hatten mit Lino Hammer die entscheidenden Machtpositionen inne: Leitung des Verkehrsausschusses des Rates der Stadt Köln und Aufsichtsratsvorsitz bei der KVB in Personalunion. Dafür wurde extrem wenig umgesetzt.

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