Köln |  Das kriminalpräventive Sozialprojekt „klarkommen!“ soll junge nordafrikanische Flüchtlinge, die ohne Familie in Köln ankommen, vor dem Abrutschen in die Kriminalität bewahren und eine erste Hilfestellung bei der Integration bieten. Novum dabei: die Koordination des Projekts soll die Polizei übernehmen, zwei soziale Träger übernehmen die Projektarbeit – bundesweit einmalig.

Mehr Hilfe, mehr Integration und die Jugendlichen durch gemeinsame Projektarbeit und Förderung weg von der Straße bringen. Das sind die Eckpfeiler des Präventionsprojektes, für das NRW-Innenminister Ralf Jäger am 22. September 2014 in Köln den offiziellen Startschuss gab. Die NRW-Initiative „klarkommen!“ wendet sich in Köln vor allem an junge nordafrikanische Flüchtlinge, die ohne Familie in Deutschland ankommen und die teilweise bereits seit Jahren an ein Leben auf der Straße gewöhnt sind.

In Köln seien diese Jugendlichen, die den Status als unbegleitete minderjährige Asylsuchende tragen, durch Taschendiebstähle und Trickbetrügereien aufgefallen, so Jäger. Einige von ihnen sorgten als sogenannte „Antänzer“ in der Vergangenheit für Schlagzeilen. Sie lenkten Passanten geschickt ab, um sie dann zu bestehlen. „Wir wollen diese Jugendlichen vor einem weiteren Abrutschen in die Kriminalität bewahren und helfen ihnen deshalb, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren“, so Innenminister Jäger. Außerdem fügt er hinzu: „Prävention ist der beste Opferschutz“. Umgesetzt werden soll das Projekt vor Ort durch Sozialarbeiter der beiden Partner des Projekts – zum einen die Arbeiterwohlfahrt Köln (AWO), zum anderen „Bikup“ –  die Internationale Gesellschaft für Bildung, Kultur und Partizipation. Die Polizei übernimmt dabei die Koordination, macht die Träger auf Jugendliche aufmerksam, die bereits auffällig geworden sind. „Im Verlauf des Projekts ist die Polizei nicht ersichtlich“, erklärt Projektleiterin Heidemarie Wiehler. Diese werde von den Jugendlichen überwiegend mit etwas Negativem verbunden, stehe für die meisten rein im Zusammenhang mit Bestrafung.

Zahl der jugenlichen Intensivtäter gestiegen

Doch warum betreibt die Polizei Sozialarbeit? Die Jugendkriminalität in NRW befinde sich auf einem historischen Tiefststand, so Jäger.  Gleichzeitig beobachte man jedoch eine Zunahme bei der Zahl der jugendlichen Intensivtäter. So gingen rund 40 Prozent aller Fälle von Kinder- und Jugendkriminalität in Nordrhein-Westfalen auf das Konto einiger Weniger. In Köln fokussiere man sich auf eine Gruppe von rund 40 jugendlichen Flüchtlingen aus nordafrikanischen Staaten, denen über 170 Straftaten zugeordnet werden können.  

Die Initiative „klarkommen!“ begegnet dem Kölner Problem, dass Kinder und Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund vermehrt Straftaten begehen. „Die Taten verunsichern die Menschen und sorgen für Misstrauen gegenüber allen Zuwanderern. Deshalb handeln wir“, sagte Jäger. Für ihn steht fest: „Zuwanderung ist Teil eines offenen Europas und bietet viele Chancen. Wir profitieren von der kultureller Vielfalt. Und gerade Köln ist eine weltoffene Stadt.“ In Köln gestalten Polizei und Stadt gemeinsam das vom Innenministerium finanzierte Projekt aus. Stadtdirektor Guido Kahlen begrüßt die Initiative des Landes. Jäger wie Kahlen sind sich darüber einig, dass man sich in geeigneten Projekten um die Jugendlichen kümmern muss, bevor sie gänzlich in die Kriminalität abrutschen und schließlich im Gefängnis landen. „Dann stehen diese Menschen mit Mitte zwanzig da, sind vorbestraft, haben eine Haftstrafe abgebüßt und verfügen über keinerlei Ausbildung. Sie müssen dann vom Staat alimentiert werden. Dem müssen wir vorbeugen, Prävention betreiben“, erklärt Jäger.

„Barrieren überwinden“

Die in Köln eingesetzten Sozialarbeiter sind mit den kulturellen Sitten und Gebräuchen der betroffenen Kinder und Jugendlichen vertraut, fast alle sprechen arabisch, haben teilweise eine familiäre Verbindung zu Nordafrika.  „Sie überwinden Barrieren und schaffen Vertrauen“, erklärte Jäger.  Dabei nimmt die Sprache einen Schlüsselrolle ein. Die Jugendlichen erhalten gezielte Sprachförderung, werden in ihrem Schulalltag unterstützt und ihr Tagesablauf erhält eine geregelte Struktur. Gleichzeitig lernen die Jugendlichen, mit den Normen und Werte der Gesellschaft zu handeln.

Momentan ist die Gruppe, um die sich das junge Team aus Pädagogen und Sozialarbeitern des Projekts kümmert noch unter zehn Personen stark. Jedoch begleite man gleichzeitig eine Peergroup von rund 30 bis 40 Personen, darunter auch junge Erwachsene, die die Angebote des Teams regelmäßig in Anspruch nähmen, so  Team-Mitglied und Pädagoge  Bernd Langhorst.

Konkrete Hilfestellung

Wie beispielsweise Malik. Der heute 16-Jährige kam vor einem Jahr aus Marokko nach Köln. Ganz alleine. Malik beherrscht kaum die deutsche Sprache. Von der Polizei wurde er mehrfach bei Diebstählen und Trickbetrügereien aufgegriffen. Mit „klarkommen!“ soll er sich integrieren können. Die Sozialarbeiter wissen, wie man auf ihn zugehen muss, sprechen seine Sprache. Malik bekommt jetzt eine gezielte Sprachförderung. Seine Freizeit wird durch regelmäßige Termine und Freizeitangebote strukturiert. Er lernt Dinge des Alltags zu regeln.

Die Jugendlichen könne man in zwei große Gruppen einteilen, so Sozialarbeiter Ruppert Franz. Die eine Gruppe bestehe aus Jugendlichen, die bereits in ihrem Heimatland entwurzelt und auf sich allein gestellt seien und die nicht selten seit Jahren auf der Straße lebten, noch bevor sie Deutschland erreichten. „Diese Jugendlichen sind dann durch das Straßenleben sozialisiert, haben ein anderes Rechts- und Unrechtsempfinden.“, so Franz. Die zweite Gruppe bildeten diejenigen, die von ihrer Familie aus ihrer Heimat losgeschickt würden, um in Europa eine Möglichkeit zu finden, die gesamte Familie in der Heimat ernähren zu können. Meist seien diese hochverschuldet, zahlten im Schnitt 2.500 Euro an Schleuser, die ihnen die illegale Einreise nach Europa ermöglichten. Geld, dass sie sich, oft aus dubioser Quelle, liehen. Dadurch und durch die Erwartungshaltung der Familie laste auf diesen Jugendlichen ein ernomer Druck, so Franz. Sie wollten es unbedingt schnell zu etwas bringen. Hier müsse man den Jugendlichen erst erklären, dass dies so nicht möglich sei, dass sie erst eine fundierte Ausbildung und Sprachkenntnisse benötigten.

Bildungsauftrag und Sicherheitsaspekt

Man wolle daher diese Jugendlichen an die Hand nehmen und sie an das deutsche Bildungssystem heranführen, so Jäger. Auch für Jugendliche, die den Status als Geduldete hätten, gälte der Bildungsauftrag des Landes. Hinzu komme der Sicherheitsfaktor: „Prävention ist der beste Opferschutz. Unser Ziel ist es, die Sicherheit in den besonders betroffenen Stadtteilen zu erhöhen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich in Köln, auf ihrem Weg durch die Stadt sicher fühlen.“,  so Jäger.

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„klarkommen! Chancen bieten durch Prävention vor Ort“wird als Pilotprojekt in drei Städten in NRW durchgeführt und zu 100 Prozent durch das Land finanziert.  Rund eine Millionen werden für das Projekt, dass in drei Kommunen im Land durchgeführt wird, jährlich durch das Innenministerium zur Verfügung gestellt, auf Köln entfallen somit rund 350.000 Euro jählich.  Das zunächst auf drei Jahre angesetzte Projekt  läuft außer in Köln auch bereits in Duisburg und Dortmund.

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Autor: Daniel Deininger
Foto: NRW-Innenminister Ralf Jäger und Kölns Stadtdirektor Guido Kahlen beim offiziellen Startschuss des Projekts.