Köln | Seit 2015 betreibt die parteilose Politikerin Henriette Reker Social Media Accounts und eine Website. 2015 trat sie zum ersten Mal zur OB-Wahl an. Diese Wahlkampf-Accounts verlieh Reker nach ihrer ersten Wahl zur Oberbürgermeisterin an die Stadt Köln. In dieser Phase wurden die Kosten für die Pflege aus öffentlichen Mitteln der Stadt Köln bezahlt. Zum Kommunalwahlkampf 2020 übernahm Reker diese Accounts wieder als private parteilose Politikerin. Bei einigen Accounts verlinken die Impressum-Seiten jetzt wieder auf die offizielle Stadt Köln-Website, bei anderen nicht. Stadtsprecher Alexander Vogel sagt, die Stadt Köln als Gebietskörperschaft habe keine Zugänge zu diesen Seiten und pflege diese auch nicht. In Paderborn gab es einen ähnlich gelagerten Fall und jetzt eine Diskussion im Stadtrat. Die Stadt Münster regelt die Social Media Auftritte ihrer Oberbürgermeister ganz anders. Könnte dies nicht Vorbild für Köln sein?

Es geht hin und her

2015 Wahlkampf-Accounts, von 2016 bis August 2019 offizielle Oberbürgermeisterinnen-Accounts ausgeliehen an die Stadt Köln mit Kostenübernahme für die Pflege und Mitarbeitende, ab September bis zur Stichwahl im September 2020 dann wieder Wahlkampfmaschine der parteilosen Politikerin Reker und jetzt? Jetzt anscheinend wieder Oberbürgermeisterinnen-Accounts. So zumindest Twitter und auch Instagram, denn dort nennt Reker die Amtsbezeichnung. Auf Facebook ist sie weiterhin als Politikerin geführt. Die Impressumsseiten von Twitter und Instagram verlinkt auf henriettereker.de, die direkt auf die Oberbürgermeisterseite bei www.stadt-koeln.de verweist, die von Facebook nennt für alle Social Media Accounts von Henriette Reker ihren Wahlkampfmanager als verantwortlich im Sinne des Presserechts. Es bleibt unübersichtlich, auch bei Postings, so zeigt etwa die Twitterseite ein Motiv aus der „Gut für Köln“-Wahlkampagne Rekers und dann folgen amtliche Verlautbarungen. (Eine genauere Dokumentation finden Sie am Ende des Artikels)

Diese Internetzeitung wollte daher wissen, ob die Stadt Köln nach der Wahl 2020 wieder die Accounts gemietet habe, wie zuvor, oder diese ins Eigentum der Stadt Köln übergingen und wer diese Accounts jetzt pflegt? Dazu schreibt der Leiter des städtischen Presseamtes Alexander Vogel: „Der Stadt Köln gehört weder henriettereker.de noch einer der Social Media Accounts unter dem Namen ‚Henriette Reker‘. Die Stadt hat auch keine Zugänge und pflegt diese auch nicht, damit hat die Stadt auch keinen Einfluss was dort als Angaben gemacht wird.“

So machen es die anderen

Es gibt Stimmen in der Kölner Politik und in Kölner Medien, die diese Unklarheiten zu den Social Media Accounts der Oberbürgermeisterin als nicht relevant einordnen. Da bleibt die Frage des Wahlkampfes und fairer Wahlkampfchancen in der Kommunalwahl 2020. In Paderborn etwa führten die dortigen Grünen eine medial erfolgreiche Kampagne gegen den amtierenden Oberbürgermeisterkandidaten der CDU im Kommunalwahlkampf und sein Agieren im Umfeld von Social Media Accounts und der Uneindeutigkeit von Amt und Wahlkämpfer an. Sogar einen Verfassungsrechtler brachten die Grünen ins Spiel, der sich eindeutig für eine Trennung von Amt und Wahlkampf aussprach. Der Paderborner OB schaltete seine Social Media Accounts noch im Kommunalwahlkampf vor dem Wahltermin im September 2020 ab. Jetzt diskutiert der neue Rat der Stadt Paderborn über eine Social Media Strategie. Es gibt dort Stimmen sich an Münster zu orientieren, wo die Stadt für die Oberbürgermeister/in, einen eigenen offiziellen städtischen Account betreibt.

Darum ist die Frage wichtig

Neben der dauernd ungeklärten Frage ob Henriette Reker jetzt als parteilose Politikerin oder in ihrer Funktion als Amtsträgerin kommuniziert, gibt es weitere offene Fragen. Wenn, wie Alexander Vogel schreibt, die Stadt Köln als Gebietskörperschaft keinen Zugang zu den Accounts hat, gleichzeitig aber die Oberbürgermeisterin als rechtliche Vertreterin, diese in Ihrer Funktion als Amtsträgerin nutzt, ist dann etwa eine amtliche Dokumentation (Veraktung) womöglich nicht sichergestellt?

Neben den öffentlich sichtbaren Nachrichten können etwa bei Twitter, aber auch bei allen anderen Social Media Accounts, Direktnachrichten ausgetauscht werden. Diese, so stellte das Verwaltungsgericht Berlin bei einer Klage von „Frag den Staat“ gegen das Bundesinnenministerium (BMI) fest, seien amtliche Nachrichten und daher bei öffentlichem Interesse auch herauszugeben. Dieser Fall ist mit vom BMI eingelegter Sprungrevision jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Folgen die Richter des Bundesverwaltungsgerichts der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, dann müssten Behörden in Deutschland auch Direktnachrichten verakten. Wenn aber die Stadt Köln als Gebietskörperschaft gar keinen Zugriff auf die Social Media Konten von Reker hat, dann ist fraglich, ob sie diesem Anspruch gerecht werden kann.

Die eigentliche Frage ist, warum diskutiert der Kölner Rat, nicht wie die Paderborner über die Social Media Strategie, sowohl der Stadt, wie auch der oder des Amtsinhabers auf dem Chef/innensessel und orientiert sich an guten Lösungen anderer Städte wie etwa Münster?

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[infobox]Infobox: Umfangreichere Dokumentation

Die von der parteilosen Politikerin Henriette Reker im Wahlkampf genutzte Website henriettereker.de zeigt derzeit gar keine Inhalte mehr an. Auch nicht ihr Wahlprogramm aus der Kommunalwahl 2020, sondern linkt direkt auf die Seite der Oberbürgermeisterin im offiziellen städtischen Webaccount https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/oberbuergermeisterin

Die Webadresse henriettereker.de ist bei Twitter als Impressumsseite angegeben. Bei Instagram nutzt Reker die Webadresse henriette-reker.koeln, die auch auf den städtischen Account als Impressumsseite verlinkt.

Im städtischen Internetangebot finden sich im Impressum dann folgende Angaben zur Anbieterkennzeichnung nach § 5 Telemediengesetz: „Stadt Köln, Die Oberbürgermeisterin, Henriette Reker“ und als verantwortliche Redaktion: „Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Leitung Alexander Vogel, Online Redaktion der Stadt Köln“.

Facebook nutzt Reker weiter als parteilose Politikerin und macht hier andere Impressumsangaben

Anders als auf Twitter gibt Henriette Reker auf Facebook nicht Oberbürgermeisterin an, sondern Politiker/in. Auch hier linkte die Facebook-Seite heute Vormittag um 10:08 Uhr noch auf henriette-reker.koeln, die wiederum auf die offizielle Website der Stadt Köln verlinkte. Dort wird allerdings im Impressum folgende Angabe gemacht: „Meine Sozialen Medien, inkl. meiner Facebook-Seite werden betreut durch –Team Reker– vertreten durch Frederik Schorn (ViSdP)“. Aber in dem aktuellen Posting schreibt Reker: „Als Fastelovendsjeck blutet mir heute das Herz. Aber: Für die Verwaltung ist heute ein normaler Arbeitstag, für Köln ein Tag wie jeder andere. Ich bitte Sie: Bleiben Sie heute zuhause. Die nächste Session kommt bestimmt. HR“ Wenn Sie hier von „Verwaltung“ schreibt, kommuniziert Sie dann hier nicht als Oberbürgermeisterin in amtlicher Funktion?

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Autor: Andi Goral
Foto: Die Screenshots vom 14. Februar zeigen Ausschnitte aus den Social Media Accounts von Facebook und Twitter von Henriette Reker einmal als Politikerin und als Oberbürgermeisterin mit dem Keyvisual ihrer Wahlkampagne „Gut für Köln“.