Die dramatischste Entscheidung dieser Ratssitzung und auch für Köln stand erst in den frühen Morgenstunden des heutigen Tages auf dem Sitzungsprogramm und das nach einem Sitzungsmarathon der ohne Pause schon mehr als 10 Stunden andauerte. Es ist 1:10 Uhr morgens als Jörg Frank, der zukünftige Kämmerer, die Fraktion der Grünen in den Nebenraum bittet und die Sitzungsunterbrechung beantragt. Auf der Tribüne auch Opernintendant Laufenberg. Als die grüne Fraktion um 1:20 Uhr wieder den großen Ratssaal betritt spenden vereinzelt Ratsmitglieder Applaus. Dann schreitet Roters zur Abstimmung und die endet furchtbar knapp für seine Vorlage. 25 SPD Stimmen, neun FDP Stimmen und die Stimme des Oberbürgermeisters sind 35 Ja Stimmen für den Neubau des Schauspielhauses. 31 Stimmen dagegen und die Grünen haben sich komplett enthalten. Politisch ist das hochspannend, denn Roters ist als der gemeinsame Kandidat von SPD und Grünen angetreten und nur durch die Stimmen der grünen Wähler Oberbürgermeister geworden. Schon jetzt, noch nicht einmal 100 Tage im Amt sucht, oder muss er sich neue Mehrheiten suchen, jenseits derer die ihn auf den Schild gehoben haben. Da wird sich sicher der ein oder andere Wähler der Grünen fragen, warum er Roters unterstützt hat, wenn dieser schon bei der ersten wirklich wichtigen Abstimmung die Grünen nicht mitnimmt und sich mit ihnen abstimmt oder einen Konsens sucht.

Damit wird die Stadt Köln jetzt die Oper sanieren und das Schauspielhaus neu bauen. Der Kostendeckel soll bei rund 300 Millionen Euro liegen. Dabei handelt es sich um eine Kostenschätzung der Architekten und eines externen Kostenprüfers DU Diederichs, die der Rat so zur Kenntnis genommen hat. Es wird keinen Ballettproberaum geben, das Produktionszentrum wird an der Oskar-Jäger Straße liegen und die Orchesterproberäume an der Stollberger Straße. Finanziert werden soll das Vorhaben über Kommunalkredite. Ab 2014 müssen dann die Zuschüsse an die Bühnen der Stadt Köln erhöht werden. Eigentlich war ein Kostendeckel von 230 Millionen Euro vorgesehen. In der Vorlage heißt es selbst, dass die Stadt in 2010 mit einer Deckungslücke von 153,7 Millionen und 2011 mit 134,9 Millionen Euro im Haushalt rechnet. Im Juli 2009 hatte der damalige OB Schramma noch einen Planungsstopp verfügt.

Ausschnitte aus der Debatte im Rat
Eva Bürgermeister, SPD, betonte, das Oberbürgermeister Roters, SPD, eine gut abgewogene und abgestimmte Vorlage vorgelegt habe. Der Vorschlag der Verwaltung sei der einzig richtige Weg: Neubau des Schauspielhauses, Reduzierung der Baukörper und Sanierung der Oper komme den Bühnen zu Gute. Mit dem Verzicht auf einen Ballettprobesaal sei das Thema Tanz für Köln aber noch nicht erledigt, so die SPD-Ratsfrau. Bei genauerer Betrachtung und Abwägung würde die Sanierung 220 Millionen Euro kosten. Das sei für diese Lösung eindeutig zu teuer, so Ratsmitglied Bürgermeister. Beim Neubau bekomme man auch eine städtebauliche Neugestaltung des Opernquartiers und eine Verbesserung der kulturellen Infrastruktur für die Bühnen der Stadt Köln. Damit sei der Neubau besser und nachhaltiger. Eva Bürgermeister sagte zudem, dass es bei dieser Entscheidung um Baukosten gehe, die den städtischen Haushalt erst ab 2014 betreffen würden, dann wenn der Betriebszuschuss erhöht werden muss. Allerdings forderte die SPD, dass die Zahlen belastbar bleiben und wenn Korrekturen nötig seien, dass diese verträglich vorgenommen werden. Dazu forderte die SPD ein begleitendes Kosten- und Zeitmanagement, sowie eine enge Schnittstelle des OB zu den Projektverantwortlichen.

Dr. Elster, CDU, kritisierte das die wichtigen und komplexen Ratsvorlagen fristgerecht, aber dennoch zu kurz in die Fraktion gekommen sind. Elster rechnet damit, dass das Gesamtprojekt 350 Millionen Euro kostet und das der Oberbürgermeister mit einem Projekt dieser Dimension schon im September in die Politik gehen hätte müssen und es nicht allein zur Chefsache erklären hätte sollen. Denn 70 Millionen Euro seien auch schon im September aus dem Ursprungsentwurf rausgestrichen worden. Elster missbilligte klar, dass diese wichtige Entscheidung im Schweinsgalopp durchgeführt werden mussten. Elster bezog sich auf die erste Vision eines neuen Hauses als man den Wettbewerb ausgelobt hatte: „Wir wollten ein Drei Sparten Haus im Opernquartier etablieren, das ist bei genauer Betrachtung der Vorlage des Oberbürgermeisters nicht erreicht, der Tanz gestrichen.“ Elster befürchtet, dass durch diese Streichung die Entscheidung für die nächsten 65 Jahre gilt.

Frau von Bülow, Grüne, trug die Bedenken ihrer Fraktion vor, es gäbe noch zu viele offene Fragen in der Vorlage, die geklärt werden müssten. Etwa die Aufstellung der Baufolgekosten und wie viel die Betriebskosten ausmachen. In der Vorlage sei die Sanierung 30 Millionen Euro billiger als der Neubau. Um wie viel wären die Baufolgekosten bei einer Variante weniger teuer als bei einer anderen, fragen die Grünen und weiter „Wie belastbar sind die Sanierungskosten ?“  „Wie viel ist ein Neubau mehr wert als die Sanierung?“ Diese Fragen müssten angesichts der abgespeckten Version geklärt werden. Darum baten die Grünen die Entscheidung bis in die nächste Ratssitzung zu vertagen. Von Bülow fand deutliche Worte: „Sorgfalt muss vor Schnelligkeit gehen.“

Volker Görtzel, FDP ist der Auffassung, dass die Sanierung wesentlich höhere Risiken birgt. Die FDP will mit dem Neubau einen Platz von nationalem Rang schaffen und bezeichnete die Sanierung des Schauspielhauskomplexes als Ruine im Herzen unserer Stadt. Görzel rief den Ratsmitgliedern zu: „Kunst statt Fassade, Kunst durch Fassade.“

Jörg Detjen, Die Linke, machte deutlich, dass es bei dieser Frage und den hohen Kosten auch um kommunale Daseinsvorsorge gehe. Es gehe nicht um Neubau oder Sanierung, sondern es gehe um die gesamte Spannbreite der kommunalen Daseinsvorsorge und für die Politik darum Schwerpunkte zu setzen und abzuwägen. Darauf hätten die Kölner Bürger ein Recht. Erst der Rat in der nächsten Legislaturperiode ab 2014 habe mit einer enormen Steigerung von weiteren 30 Million Euro zu rechnen. Schon heute betrage der jährliche Zuschuss an die Bühnen der Stadt Köln schon 50 Millionen Euro. Ab 2014 so rechnete Detjen vor, läge der Zuschuss schon bei 80 Millionen Euro. Dies sei eine gigantische Summe, stellte der Linke fest. Im Angesicht der Probleme die auf die Stadt zukämen, zähle jede Million Euro, so Detjen. Köln sei schon lange keine heimliche Hauptstadt mehr, sondern eine Metropole zwischen Berlin und Paris. Der Rat sollte intensiver – angesichts der immensen Summe – diskutieren wie soll Kunst, Kultur, Sport und Bildung in Köln aussehen und wo er Prioritäten setzen will.

Dr. Martin Müser, Kölner Bürgerbündnis kritisierte dass es sich bei den jetzt vorgelegten Konzepten und Plänen nicht um eine seriöse Kostenschätzung handele. Die Betriebskostenzuschüsse seien nur auf Basis der Baukosten errechnet, aber nicht auch auf die inhaltliche Arbeit ausgerichtet worden. Und ein tolles Haus brauche auch einen tollen Inhalt folgerte Müser. Zudem seien höhere Eintrittspreise und höhere Zuschauerzahlen kalkuliert worden. Müser betonte, dass das Kölner Bürgerbündnis die Oper und das Schauspiel inhaltlich nach vorne bringen will und das Mehr an qualitativer Arbeit, das man durch die Verpflichtung der Intendanten Baier und Laufenberg erreicht habe auch in Zukunft sichern will. Das Kölner Bürgerbündnis plädierte ebenfalls wie die Gruppierung Deine Freunde auf eine Vertagung der Entscheidung.

Angesichts der immensen Belastungen, die auf alle öffentlichen Haushalte zukommen, sind die Nachfragen und Bedenken jetzt einen solchen Neubau zu finanzieren berechtigt. Erlaubt sein muss auch, ob die Region Rheinland nicht enger zusammen rücken müsste und ob drei feste und pompöse Häuser im Umkreis von 100 Kilometern eigentlich noch zeitgemäß sind. Auch unter dem Gesichtspunkt, das gerade auch die Oper, aber auch das Schauspiel eigentlich da hin gehen muss, wo die Menschen sind, denn üppig, vor allem bei den Jüngeren, strömen sie nicht in die Häuser, außer es ist gerade c/o pop im alten Schauspielhaus. Der Ansatz mehr Geld für die Inhalte auszugeben scheint doch sehr verlockend. Kulturinteressierte freuen sich im Moment ganz besonders darüber, dass es durch den Umbau neue Erfahrungen an ungewöhnlichen Orten geben wird.

Weitere Entscheidungen in der Ratssitzung vom 17./18.12.2009 finden Sie hier >>>

[ag]