Rom | aktualisiert | Papst Benedikt XVI. will am 28. Februar zurücktreten. Das teilte Benedikt XVI. überraschend während einer Ratssitzung zur Heiligsprechung der Märtyrer von Otranto in lateinischer Sprache am Montag mit. Benedikt XVI., der seit dem 19. April 2005 im Amt ist, wäre erst der zweite Pontifex überhaupt, der freiwillig von seinem Amt zurücktritt.

Zuvor hatte lediglich Coelestin V. im Jahre 1294 das Amt aus eigenem Antrieb niedergelegt. Über die Gründe für den Rückzug von Benedikt XVI. wurde zunächst nichts bekannt. Die Nachricht sei „wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel“ gekommen, kommentierte Kardinaldekan Angelo Sodano.

Der Rücktritt des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche ist im Kirchenrecht geregelt. Der Papst darf demnach zurücktreten, wann immer er will.

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Entscheidung Benedikts stößt auf Anerkennung und Respekt – Politiker und Kirchenvertreter zollen Respekt für geplanten Rücktritt des Papstes

Mit Überraschung, aber auch Anerkennung und Respekt haben Kirchenvertreter und Politiker in Nordrhein-Westfalen auf die Entscheidung des Papstes Benedikt XVI. reagiert, zum 28. Februar aus seinem Amt ausscheiden zu wollen. Zugleich lobten viele das Oberhaupt der katholischen Kirche für seine Amtsführung der vergangenen Jahre.

Kraft lobt „mutigen Schritt“

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) bezeichnete die Entscheidung von Benedikt als „mutigen Schritt“. Sie wünsche ihm „alles Gute und der katholischen Kirche, dass sie bei der Nachfolge schnell eine gute Entscheidung treffen wird, denn sie steht vor großen Herausforderungen“.

Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne), die auch Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist, erklärte: „Die Begründung von Papst Benedikt, dass ihm die Kraft fehle, das Amt angemessen auszuüben, zeugt von einem besonders verantwortungsvollen Amtsverständnis“. Nach Ansicht von CDU-Landeschef Armin Laschet nötigt die Entscheidung des 85-jährigen Kirchenoberhaupts den „allerhöchsten Respekt“ ab. Dies „habe seit fast 700 Jahren kein Papst so gesagt und für sich so entschieden.“

Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (Schriftliche Originalerklärung im Wortlaut bei den Stimmen) erklärte, ihn habe die „tiefe Sammlung und Gebetsversunkenheit“ des Papstes stets beeindruckt. Vor allem der Besuch des Pontifex beim Weltjugendtag 2005 in Köln bleibe „unvergessen“. Der Bischof von Münster, Felix Genn, betonte, dem Papst sei es in seiner Amtsführung vor allem darum gegangen, „die Botschaft der Liebe Gottes den Menschen unserer Zeit zu verkünden und nahe zu bringen“.

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker würdigte Benedikt XVI. für „seinen beispielhaften Dienst in der Kirche unserer Zeit“. Der Papst sei einer der „bedeutendsten Intellektuellen unserer Zeit“. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck erklärte, Benedikt habe dem Amt „einen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt“. Der Dialog mit den verschiedenen Kräften und Strömungen der Zeit sei ihm „eine Herzensangelegenheit“ gewesen.

Kritik von Ranke-Heinemann

Kritik kam dagegen von der Theologin Uta Ranke-Heinemann. In einem Interview mit den Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe (Dienstagausgaben) kritisierte sie die Sexuallehre der katholischen Kirche und die Tatsache, dass der Papst Kondome nur für männliche Prostituierte erlaubt. Zudem missfalle ihr der „Wahn von einem Männerbiotop im Vatikan, das unter Ratzinger verstärkt wurde“. Ranke-Heinemann hatte in den 50er-Jahren zusammen mit Joseph Ratzinger in München Theologie studiert.

Der Münsteraner Theologe und Sozialethiker Karl Gabriel erwartet auch unter einem neuen Papst keinen kirchenpolitischen Kurswechsel. „Das Konklave dürfte einen Italiener oder einen Nicht-Europäer zum Nachfolger machen. Dass ein weiterer nicht-italienischer Europäer zum Papst gewählt wird, halte ich für unwahrscheinlich“, sagte der Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Uni Münster. Daher werde es wohl auch nach dem überraschenden Amtsverzicht von Benedikt XVI. keine gravierenden kirchenpolitischen Reformen geben.
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Stimmen aus Deutschland und der Welt

Angela Merkel: Sie hat Papst Benedikt XVI. den „allerhöchsten Respekt“ gezollt. Wenn der Papst „nach reiflicher Prüfung zu dem Entschluss gekommen ist, seine Kraft reiche nicht mehr für die Ausübung seines Amtes, so hat das meinen allerhöchsten Respekt. Er hatte eine schwere Entscheidung zu treffen“, sagte die Kanzlerin am Montagnachmittag in Berlin.
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Claudia Roth (Grüne): „Schon als Kardinal und Chef der Glaubenskongregation war Josef Ratzinger ein Vertreter der konservativen Kirchenhierarchie und kämpfte gegen fast alle fortschrittlichen Tendenzen in seiner Kirche. Gegen eine pluralere Theologie, gegen die Befreiungstheologie, gegen Reformen bei der katholischen Sexuallehre und für den Zölibat“, schreibt Roth in einem Gastbeitrag. Sie reagierte mit „tiefem Respekt“ auf die Entscheidung des Papst.
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Peer Steinbrück (SPD): Für ihn war Benedikt der XVI. „in wichtigen Konflikten auf der Welt … immer als Stimme des Friedens und der Versöhnung vernehmbar“.
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US-Präsident Obama:  „Michelle und ich erinnern uns gerne an unser Treffen mit dem Heiligen Vater im Jahre 2009, und ich selbst habe unsere gemeinsame Arbeit in den letzten vier Jahren sehr geschätzt“.
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Stimmen aus NRW und Köln:

Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters: „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung des Papstes. Sein Antritt als Oberhaupt der katholischen Kirche ist in Deutschland mit großen Hoffnungen begleitet gewesen. Gerade in Köln ist sein Besuch beim Weltjugendtag und seine den Menschen zugewandte Haltung in bester Erinnerung und viele sprechen noch heute mit großer Bewunderung davon. Er hat das Amt in einer schweren Zeit leiten müssen. In den vergangenen Wochen wurde sichtbar, dass dies auch an seinen Kräften gezehrt hat.“
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Stellungnahme von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI.:  „Die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt unseres Heiligen Vaters hat auch mich überrascht und tief berührt. Sie erfüllt mich mit großem Respekt und mit großer Dankbarkeit, aber auch mit Traurigkeit. Noch vor vier Wochen hatte ich schriftlich angefragt, ob er sich vorstellen könnte, den Abschlussgottesdienst zum Eucharistischen Kongress bei uns in Köln zu feiern. Er ließ mir antworten: Warte noch vier Wochen. Ich ahnte nichts. Die Wartezeit war vergangene Woche um, ich fragte bei seinem Sekretär nach, und es hieß: Warte noch eine Woche. Der heutige Tag brachte die Antwort.

Wie unser Heiliger Vater selbst sagt, hat er sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern sich vor Gottes Angesicht gewissenhaft geprüft. Dabei ist er zu der Gewissheit gelangt, dass seine Kräfte „infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“, wie er selbst wörtlich sagte.

Als ehemaliger Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg und Erzbischof von München und Freising war Joseph Ratzinger gleichsam unser Nachbar. Als Papst Benedikt XVI. hat er uns als Brüder und Schwestern im Glauben gestärkt, gerade in Deutschland. Unvergessen ist der Weltjugendtag 2005 hier bei uns in Köln, bei dem wir mit jungen Menschen aus allen Nationen unseren gemeinsamen Glauben gefeiert haben. Bei seinem letzten Besuch in Deutschland 2011 hat Papst Benedikt XVI. in seinen Ansprachen gleichsam noch einmal den ganzen Horizont seiner Theologie und des katholischen Glaubens aufscheinen lassen. In seinen Jesusbüchern, die zu Bestsellern wurden, hat er zur Auseinandersetzung mit der Person Jesu, der Mitte aller Zeiten, auf seine ganz persönliche Weise eingeladen.

Papst Benedikt XVI. hatte es als oberster Hirte der Weltkirche nicht leicht, und er hat es sich nie leicht gemacht. Um die Gemeinschaft zu stärken und zu festigen, bereiste der Papst die ganze Welt, obwohl in seinem Alter Weltreisen mit einem Mammutprogramm eine echte Strapaze sind. Um die Verbindungen zwischen den einzelnen katholischen Ortskirchen zu verlebendigen, besuchen sich auch die Bischöfe als Repräsentanten dieser Kirchen untereinander. Weil wir alle mit dem Papst Kommunikation halten, stehen wir auch untereinander in Kommunion. Solche Begegnungen sind selbstverständliche Konsequenz unseres gemeinsamen katholischen Glaubens. Unser Heiliger Vater hat dies gleichsam personifiziert.

Es wird berichtet, nach seiner Ankündigung des Rücktritts habe unter den Kardinälen, die im Apostolischen Palast versammelt waren, für einen Moment fassungsloses Schweigen geherrscht. Wie es weiter heißt, soll das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes bereits im März stattfinden. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so kurz vor meinem 80. Geburtstag noch einmal an einem Konklave teilnehmen muss.

Schon verschiedentlich habe ich davon berichtet, was mich an Papst Benedikt XVI. beeindruckt: In meinen zahlreichen Begegnungen mit ihm bei festlichen Gottesdiensten in Sankt Peter, bei Audienzen oder auf Synoden und Konferenzen beeindruckt mich am stärksten seine tiefe Sammlung und Gebetsversunkenheit. Hier ist etwas vom Geheimnis des Menschen Joseph Ratzinger zu ahnen. Die Schwerkraft seines Lebens verlagert sich im Gebet in die Hände Gottes. Ich lade Sie deshalb alle ein: Beten wir um Gottes Geist, dass er in seiner Kirche wirke. Beten wir für diese unsere Welt, die, wie unser Heiliger Vater sagt, „durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen“ wird. Beten wir für das bevorstehende Konklave, dass der Geist Gottes den unter uns erwählt, der die Kirche Jesu Christi in dieser Zeit sicher und kraftvoll zu führen vermag. Der jetzige und der zukünftige Papst sollen sich auf uns Beter verlassen können.“
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Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Nikolaus Schneider erklärt: “ „Die Ankündigung des Rücktrittes von Papst Benedikt habe ich mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. In besonderer Weise denke ich an unser Zusammentreffen in September 2011 im Augustinerkloster zu Erfurt, wo Papst Benedikt an einer Lutherstätte die existentielle Frage Martin Luthers ,Wie bekomme ich einen gnädigen Gott‘ in eindrucksvoller Weise aufgeworfen hat. Ich danke auch im Namen des Rates der EKD für alle theologischen Gespräche und Diskussionen. Dass Papst Benedikt, der im 86. Lebensjahr steht, von sich aus das Amt abgibt, empfinde ich als bewegend, und es erfüllt mich mit großem Respekt.
Ich wünsche Papst Benedikt nun von ganzem Herzen erfüllte Jahre, die er ohne die Bürde des Amtes verleben möge. Dass Ämter nur auf Zeit wahrgenommen und dass man ab einem bestimmten Lebensalter von allen amtlichen Pflichten befreit ist, gehört zum Maß des Menschlichen. Es ist ein gutes Zeichen, dass Papst Benedikt dieses durch das Evangelium eröffnete Maß des Menschlichen durch Ankündigung seines Rücktrittes zum Ausdruck bringt. Ich wünsche Papst Benedikt Gottes Segen für die kommende Zeit.““
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Die DITIB zum Rücktritt des Papstes: “ Das interreligiöse Gespräch war Ihm ein Anliegen und so er hat er zu verschiedenen Anlässen dessen Bedeutung ausdrücklich betont.Im Rahmen des Weltjugendtags in Köln gab es auf Einladung der DITIB (20.08.2005) eine Begegnung mit muslimischen Vertretern zu einem Abendprogramm. Später auch zu dem nächsten Anlassseines offiziellen Besuchs in seiner Heimat hat er in Berlin (22. September 2011) die Gelegenheiten der Zusammenkunft mit der DITIB und weiteren muslimischen Vertretern gesucht.

Das Verbindende über eine Vergangenheit hin zu einer gedeihlichen Zukunft, daran hat er aktiv mitgearbeitet. Dass Muslime selbstverständlich Teil der deutschen Gesellschaft seien, war ein wichtiger gesellschaftlicher Impuls.Muslime gehörten für den Papst längst zur deutschen Realität. Darin betonte er ebenfalls die Bedeutung über das Gesellschaftliche, hin zur Familie: Dass bei den Muslimen der familiäre Zusammenhalt als kleinster, aber wichtigster gesellschaftlicher Samen vorbildlich wirke, beeindrucke ihn. So mahnte er die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, „beständig daran zu arbeiten, sich gegenseitig besser kennen zu lernen und zu verstehen“.

Autor: Michael Bosse, dts