Das Archivbild zeigt Papst Franziskus. | Foto: via dts nachrichtenagentur

Vatikanstadt | Papst Franziskus hat der Ukraine in einem Interview „Mut zu Verhandlungen“ empfohlen – und dafür Kritik geerntet. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln“, sagte er dem Schweizer Fernsehen RSI.

Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fuhr er fort: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ Der Direktor des vatikanischen Presseamtes, Matteo Bruni, sagte später zu der Aussage, dass Franziskus sich vor allem eine „diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden“ wünsche. Der Papst habe aber deutlich gemacht, dass eine Verhandlung „niemals eine Kapitulation“ sei.

Trotz der Klarstellung kam Kritik an den Äußerungen auf: Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, dass niemand mehr Frieden als die Ukraine wolle. Auf ihrem Territorium herrsche seit zehn Jahren Krieg, unzählige Menschen seien getötet worden. Göring-Eckardt fügte jedoch hinzu: „Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann – nicht die Ukraine.“

Wer von der Ukraine verlange, „sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine“. Die Grünen-Politikerin sagte: „Über Frieden wird und muss verhandelt werden – aber auf Augenhöhe.“ Denn Frieden könne es nur geben, wenn er gerecht sei, er dürfe die Existenz und Identität der Ukraine nicht infrage stellen. Auch müsse Russland für seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden.

Die Präsidentin des Evangelischen Kirchentages 2025 in Hannover, Anja Siegesmund, sagte unterdessen dem RND: „Die Sehnsucht nach Frieden darf nicht dazu führen, dass das Recht des vermeintlich Stärkeren siegt. Wir stehen weiter an der Seite der Ukraine. Wer die eigene Freiheit verteidigt, bedarf der Unterstützung aller, die jetzt in Freiheit leben. Wir leben in Frieden und Freiheit. Und das soll die Ukraine als souveränes Land auch.“

Thierse kritisiert Papst-Appell an Ukraine

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat den Appell von Papst Franziskus zu Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine kritisiert. „Ich halte die Äußerungen von Papst Franziskus für politisch falsch, auch wenn ein Kirchenführer nicht die realpolitisch-pragmatischen Auffassungen von Politikern unterstützen muss“, sagte Thierse dem „Tagesspiegel“ (Montagsausgabe).

„Es wäre besser, wenn sich der Papst mit seinem Appell zu Friedensverhandlungen zuerst an den Aggressor Putin richten würde. Einen solchen Appell würde ich nachdrücklich unterstützen.“ Sollte die Ukraine dem Rat des Papstes folgen, „so hätte das schwere Folgen für die Ukraine und Europa“. Putin würde sich ermuntert sehen, „seinen brutalen Imperialismus fortzusetzen“, sagte Thierse, der bis 2021 Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken war.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) erklärte am Sonntag auf Anfrage des „Tagesspiegels“, der Heilige Stuhl habe die Sache auch angesichts des Zusammenhangs im Interview eingeordnet. Dieser Erklärung aus Rom sei „nichts hinzuzufügen“, teilte DBK-Sprecher Matthias Kopp dem „Tagesspiegel“ mit.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann reagierte unterdessen empört auf die Äußerungen von Papst Franziskus: „Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“, sagte Strack-Zimmermann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben).

„Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?“ Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses fügte hinzu: „Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.“

Wagenknecht nimmt Papst gegen Kritik in Schutz

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht verteidigt Papst Franziskus gegen Kritik an seinen Äußerungen zur Ukraine. „Die Aufforderung des Papstes, endlich Friedensverhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs aufzunehmen, ist mutig und klug“, sagte Wagenknecht den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagausgaben).

„Anders als die Bellizisten aus Union, Grünen und FDP, die unser Land mit Taurus-Lieferungen direkt zur Kriegspartei machen möchten, nimmt Papst Franziskus die Friedensbotschaft des Christentums ernst.“ Die Kritik an ihm sei respektlos und vielfach unter der Gürtellinie. „Im Ukraine-Krieg wird schon lange nicht mehr gewonnen, sondern nur noch gestorben“, so die Parteivorsitzende.

Nach den Worten von Franziskus sollte die Ukraine den Mut haben, ein Ende des Krieges mit Russland auszuhandeln. „Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird“, hatte der Papst dem Schweizer Rundfunksender RSI gesagt. Er denke, „dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt, den Mut der weißen Fahne hat und verhandelt“, so der Pontifex.