Köln | Heute Mittag wurde am Kölner Landgericht der 26-Jährige Nico B. aufgrund seiner Beteiligung an der Hooligan-Massenschlägerei am Kölner Rudolfplatz im Januar 2014 wegen Landfriedensbruchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätze à 20 Euro verurteilt. Am 18. Januar 2014 war es am Rudolfplatz zu einer Massenschlägerei zwischen Kölner und Dortmunder Fans auf der einen und Schalker Fans auf der anderen Seite gekommen.

Nico B. ist 26 Jahre alt, kommt gebürtig aus Essen und studiert zurzeit. Von der Realschule ging er auf die Berufsschule und machte dort sein Fachabitur. Er steht kurz vor der Fertigstellung seiner Bachelorarbeit und hat kürzlich ein Praktikum absolviert. Bei unabhängiger Betrachtung ist das ein gebildeter junger Mann, der sein Leben in die Hand nimmt und eine großartige Zukunft vor sich hat.

Als Nico B. gemeinsam mit 80 anderen Dortmunder und Kölner Ultras über den Habsburger Ring mit lautem Gebrüll einer anderen Hooligan Gruppe aus Schalke entgegen sprintet, ist die Vorstellung vom jungen Mann mit der großartigen Zukunft wie weggewischt. Mit den Armen um sich werfend und dem Kampfspruch „Komm her. Jetzt gibt’s auf die Fresse!“ auf den Lippen, ist er ganz vorne mit dabei, als die gewaltbereiten Gruppen an diesem Januartag um 14:30 Uhr mitten auf dem Kölner Rudolfplatz ineinander krachen.

Nico B.: „Nur nach Köln gefahren, um ein Fußballspiel zu gucken.“

Nico B. erzählt zu Beginn dieser Verhandlung eine ganz andere Geschichte. Früh morgens setzt er sich in Essen in den Zug in Richtung Köln, um dort „nur ein Fußballspiel zu gucken“. Passend zu seiner Reise in die Domstadt und als Symbol der Fanfreundschaft zwischen Borussia Dortmund und dem 1. FC Köln zieht er an jenem Tag seine rot-weißen Sneaker an und trifft sich gemeinsam mit Kölner Fans in einer Kneipe in der Altstadt. Die dort versammelte Gruppe – insgesamt 100 Männer – fahren gemeinsam zum Zülpicher Platz. Dass die Gruppe dort hingefahren war, um sich in der Innenstadt mit den verfeindeten Schalkern zu einer Prügelei zu treffen, will der Angeklagte nicht gewusst haben.

Bereits zu diesem Zeitpunkt unterbricht die Vorsitzende Richterin Treutinger die Ausführungen von Nico B. In einem Whatsapp-Gruppenchat findet sich dessen eindeutige Antwort auf die Ankündigung einer Schlägerei mit Schalker Fans am Tag des Freundschaftsspiels: „Ich bin dabei.“. Aus den bisherigen Prozessen gegen andere beteiligte Ultras geht eindeutig hervor, dass kein Zweifel an einer Verabredung zur Prügelei besteht, so Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn.

Die vom Angeklagten aufgestellte Behauptung, hätte er von der Verabredung zum Prügeln gewusst, wäre er nicht zum Fussball gegangen, entbehrt mit der Nachricht aus dem Gruppenchat jeglicher Grundlage. Was er bei dem Zusammenprall mit den gegnerischen Fans genau gemacht hat, daran kann er sich nicht erinnern. Es sei „alles viel zu schnell gegangen“ und er sei „völlig perplex“ gewesen. Ob Nico B. am Tattag jemanden körperlich verletzt hat, kann nicht nachgewiesen werden. „Zugeschlagen habe ich eigentlich nicht“, sagte er. Die Teleskopschlagstöcke und Quarzhandschuhe, die die Gruppe nachweislich dabei hatte, will er nicht gesehen haben.

Treutinger: „Ziehen Sie die Hosen aus und erzählen Sie mir was geschehen ist.“

Für die Vorsitzende Richterin und auch für den Oberstaatsanwalt sind die vermeintliche Unkenntnis des Angeklagten von der Verabredung überraschend. Auf energisches Zureden der Vorsitzenden Richterin hin, beginnt Nico B. dann doch geständig zu werden. Sein Rechtsanwalt erklärt, sein Mandant habe sich zu Beginn der Verhandlung womöglich nicht präzise ausgedruckt. Nico B. habe von der Verabredung zu einer Schlägerei mit den Schalke-Ultras auf dem Rudolfplatz an jenem Tag gewusst. Er sei jedoch nicht davon ausgegangen, dass es zu dieser kommen würde. Der Angeklagte kenne solche gewaltsamen Auseinandersetzungen nur aus dem Stadion. Dort würden diese aber immer sofort durch örtliche Polizeikräfte aufgelöst werden. Er habe beim besten Willen nicht damit gerechnet, dass man in Köln auf die Schalker treffen werde, da doch die Polizei niemals zwei große Gruppen unkontrolliert durch die Stadt laufen ließe. Zudem sei dies das erste Mal, dass er eine solche Massenschlägerei in einem öffentlichen Raum erlebt habe. Mit der Nachricht in der Whatsappgruppe habe er zwar äußerlich seine Zusage zur Schlägerei kundgetan, aber innerlich wollte er diese nicht. Auch als sich die Gruppe – vom Zülpicher Platz aus kommend – kurz vor dem Rudolfplatz – in einer Seitenstraße versammelte und vermummte, war er immer noch nicht davon ausgegangen, dass es zu einem Aufeinandertreffen mit den Schalker Fans kommen werde. Die Maskierung sehe nur „cooler aus für Fotos auf Facebook“, so Nico B..

Rot-weiße Turnschuhe werden Nico B. zum Verhängnis

Es ist ein bestimmtes Kleidungsstück, das immer wieder im Rahmen der Beweisaufnahme mit den einzelnen Zeugen besprochen wird: Die roten-weißen Turnschuhe, die Nico B. an jenem Tag trug. J. Krüger, ein Journalist aus Köln war am 18.01.2014 zur Tatzeit am Rudolfplatz. Er ist der Zeuge, dem die roten Schuhe von Nico B. ganz vorne in der – ansonsten schwarz-gekleideten – Köln-Dortmunder Hooligangruppe aufgefallen sind. Er ist derjenige, der das Gebrüll von Nico B. und dessen Kampfschrei zu Protokoll gibt. M. Galetta, ein weiterer geladener Zeuge, kann sich im Gerichtssaal nur noch an das Gebrüll der Schläger, dem Chaos und dem lauten Knall beim Zusammenprallen der Gruppen erinnern. Nur von den auffälligen roten Schuhen und der blauen Jeans, die er nach seiner damaligen Aussage bei der Polizei gesehen habe, erzählt er nichts.

„Mal in einer stillen Stunde in sich gehen.“

In der Urteilsverkündung der Strafkammer verdeutlicht die Vorsitzende Richterin der von Nico B. begangenen Tat innewohnenden Unrechtsgehalt: Bei einer Massenschlägerei zwischen zwei vermummten Gruppen an einem Samstagnachmittag am Rudolfplatz, wird das Sicherheitsgefühl der Menschen beeinträchtigt. Nico B. sei zwar durchaus nicht der Organisator des Aufeinandertreffens gewesen, jedoch wusste der Angeklagte, dass er die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde.

Strafmildernd wirkte für den Angeklagten sein Geständnis, auch wenn nur im zweiten Anlauf. Sie habe zwar Verständnis dafür, dass „das mit dem Reue-Zeigen vor Gericht manchmal so eine Sache sei“. Aber Nico B. müsse „an der Selbstreflektion arbeiten“. Sie drängte vor allem darauf, dass er nun „an einem Scheideweg in seinem Leben steht“. Sollte er so weitermachen wie bisher, sei sein Studium auch nichts mehr wert. Übrig bliebe ihm dann nur noch die „JVA Ossendorf“.

Autor: Louis Goral-Wood