Köln | Der Fortschritt ist eine Schnecke. Das gilt auch für den Umbau Kölns zu einer fahrradfreundlichen Stadt. Ungeduld und Unzufriedenheit der Radfahrer lassen sich am besten durch Transparenz mildern. Das weiß auch die Stadtverwaltung – und hat jetzt das Informationsangebot im Internet erweitert: Ab sofort sind dort die aktuellen Ergebnisse der elf Zählstellen abrufbar.

Da erfährt man, dass Venloer Straße, Neumarkt und Zülpicher Straße die Straßen mit dem meisten Radverkehr sind. Ob das Wissen hilft, ist das eine. Das andere ist, dass bestenfalls ein Drittel der 600 Kilometer Radwege in Köln in mehr oder weniger gutem Zustand ist. Ein Drittel ist „naja“ – so Fahrradbeauftragter Jürgen Möllers –, das letzte Drittel müsste schnellstmöglich in Schuss gebracht und den Anforderungen des wachsenden Radverkehrs angepasst werden.

2,3 Millionen Euro jährlich für Rad-Verkehrsinfrastruktur

Immerhin – es tut sich etwas. So sind inzwischen 1.800 Kölner Einbahnstraßen für Radfahrer auch in Gegenrichtung geöffnet. Zahlreiche Fahrradstraßen sind in Planung, die von Autos nur mit Genehmigung befahren werden dürfen. Stolz verweist die Stadt auf jährlich 1.000 neue Abstellanlagen. 2,3 Millionen Euro stehen der zuständigen Abteilung im Jahr für ihre Aufgaben zur Verfügung. Die Zahl der Beschäftigten wurde auf 16 aufgestockt. Davon hätte Kölns Fahrradbeauftragter vor rund 15 Jahren nur zu träumen gewagt.

Mit vier Zählstellen entlang der Ost-West-Achse hat es 2008 begonnen

Entlang der Ost-West-Achse wurden 2008 an Hohenzollern und Deutzer Brücke, an Zülpicher Straße und Neumarkt die ersten Zählstellen in den Boden eingelassen. Sie wurden im Vorjahr durch genauere Systeme ersetzt. Es folgten in einer 2. Phase Venloer Straße (2014) und ein Jahr später Bonner Niederländer Ufer, Alfred-Schütte-Allee, Alfons-Silbermann-Weg, Marcel-Proust-Promenade im Stadtwald und Vorgebirgspark. In einer 3. Phase soll das Netz bis in die 2020er Jahre auf bis zu 25 Zählstellen erweitert werden. Vor allem im bislang vernachlässigten Rechtsrheinischen, hier vor allem in Kalk und Mülheim, aber auch in Nippes. Je nach Ort erfassen die Messstellen „Alltags“- und „Freizeit“-Verkehr. Der Umfang der Zählung sei bundesweit einmalig, rühmen sich die Verantwortlichen.

Durch die unterschiedlichen Zeitpunkte der Inbetriebnahme sind Jahresvergleiche nur schwer möglich. So wurden 2014 insgesamt rund 5,8 Millionen Fahrten mit dem Rad gezählt. Allein in diesem Jahr wurden bis jetzt schon 4,9 Millionen registriert. Dies zeigt: Der Radverkehr nimmt zu. Lag sein Anteil am Gesamtverkehr 2008 bei 12 Prozent, sind es jetzt 15. Ziel sind 33 Prozent in den 2020er Jahren.

„Händische“ Erhebungen ergänzen die automatischen Zählungen

Die automatischen Zählungen werden kontinuierlich durch „händische“ Erhebungen ergänzt. Etwa zu Parken, Routenplanungen oder Geschwindigkeitsmessungen. Die Ergebnisse dienen zur Überprüfung eingeleiteter Maßnahmen und als Grundlage für weitere Planungen.

Trotzdem – es hakt vor allem an der Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen, die sich für eine Verbesserung der Rad-Verkehrsinfrastruktur einsetzen. Der Ausstieg von „Ring frei“ ist dafür das aktuelle Beispiel: Die Initiative, die den Autoverkehr auf den Ringen zugunsten der Radfahrer zurückdrängen will, stieg aus dem Arbeitskreis mit der Stadt aus, weil es ihr zu lange dauerte. Vielleicht geht es bald schneller, wenn sich Kölns neue Verkehrsdezernentin Andrea Blome auch mal auf dem Rad durch Köln traut. Im Sommer will sie es endlich versuchen. Und auch die Oberbürgermeisterin dazu bewegen. Willkommen im Raddschungel Köln!

[infobox]Bei Kritik und Lob kann man sich direkt an den Fahrradbeauftragten wenden: fahrradbeauftragter@stadt-koeln.de

Hier können sich Radfahrer über Zahlen und Konzepte zum Radverkehr in Köln informieren: http://www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/verkehr/radfahren/, https://www.offenedaten-koeln.de/ und http://www.eco-public.com/ParcPublic/?id=677

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Autor: ehu | Foto: ehu
Foto: Nur ein dünner Metallstreifen in der Straße: Die Zählstelle an der Venloer Straße registriert regelmäßig die meisten Radfahrten.