Düsseldorf | Gefühlt war er nie wirklich weg. Doch jetzt macht Christian Lindner seine Rückkehr auf die bundespolitische Bühne offiziell. Exakt 451 Tage nach seinem spektakulären Rücktritt als FDP-Generalsekretär drängt der 34-Jährige wieder in die Führungsebene der Partei. Am Samstag soll Lindner in Berlin zu einem der drei Stellvertreter von Parteichef Philipp Rösler gewählt werden. Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei. Lindner positioniert sich neu. Und der Posten des Rösler-Vizes scheint dabei nur eine Durchgangsstation zu sein.

Mit einem politischen Knall trat Lindner im Dezember 2011 als FDP-General zurück. Über die Gründe von damals wird noch immer gerätselt. Dass der Schritt aber etwas mit dem Verhältnis zu Rösler zu tun hatte, gilt als offenes Geheimnis. Aus „politischen Gründen“ habe er dem Parteichef die Möglichkeit geben wollen, das Amt neu zu besetzen, sagt Lindner rückblickend. In der nun neuen Konstellation werde man aber „sicher auf einen Nenner kommen“.

Auf den politischen Vorruhestand hat sich Lindner in den vergangenen 451 Tagen nicht konzentriert. Seine Auszeit dauerte lediglich drei Monate und einen Tag. Wie es der Zufall so wollte, zerbrach im März 2012 die rot-grüne Minderheitsregierung in NRW und es standen urplötzlich Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland an. Die FDP, die zu diesem Zeitpunkt in Umfragen bei maximal drei Prozent festgemauert schien, zauberte Lindner als Spitzenkandidaten aus dem Hut. Der machte einen klugen Wahlkampf, positionierte die NRW-FDP als Gegenmodell zur Bundespartei und fuhr im Mai mit 8,6 Prozent ein fulminantes Ergebnis ein.

Spätestens da war vielen Freidemokraten klar: in der kriselnden FDP ist Lindner einer der wenigen Hoffnungsträger. So verging in den vergangenen Monaten auch fast keine Woche, in der Lindner nicht in irgendeiner Weise als Nachfolger des angeschlagenen Parteichefs Rösler gehandelt wurde. Wie ein Phantom schwebte der nordrhein-westfälische Partei- und Fraktionsvorsitzende von Düsseldorf aus über der Bundespartei. Er selbst tat das einzig Kluge und hielt sich aus allem heraus. Ganz ungelegen werden Lindner die Spekulationen aber nicht gekommen sein – schließlich blieb er damit im Gespräch.

Mächtiger Förderer

Trotz seiner noch relativ jungen 34 Jahren beherrscht Lindner das politische Spiel aus dem Effeff. Seit 1995 ist der gebürtige Wuppertaler FDP-Mitglied. Schon als 19-Jähriger kam er in den NRW-Landesvorstand. Zwei Jahre später, 2000, zog er als bis dato jüngster Abgeordneter der Landesgeschichte in den Düsseldorfer Landtag ein. Zu seinen Förderern zählte vor allem der damalige FDP-Chef in NRW, Jürgen Möllemann.

In der Bundespolitik machte Lindner dann unter Parteichef Guido Westerwelle Karriere: 2007 wurde er in den FDP-Bundesvorstand gewählt, bei der Bundestagswahl 2009 errang Lindner mit 30 Jahren ein Mandat. Im Dezember 2009 machte Westerwelle ihn zum Generalsekretär. Unter seiner Ägide feilte die Partei an einem neuen Grundsatzprogramm. Der plötzliche Rücktritt bremste die bis dato steile Karriere ab.

Innerhalb der Partei kann Lindner auf einflussreiche Fürsprecher setzen. Mit niemandem Geringeres als der grauen Eminenz der Liberalen, dem ehemaligen Außenminister und FDP-Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher, bringt Lindner dieser Tage ein gemeinsames Buch auf den Markt. „Christian Lindner steht für eine neue, moderne, weltoffene FDP“, sagte Genscher im vergangenen Jahr und warf all seine Autorität in die Waagschale. Auch FDP-Urgestein Gerhart Baum erteilte ihm einen liberalen Ritterschlag: „Herr Lindner ist für mich schon seit Langem ein Liberaler, wie er im Buche steht.“

Auch inhaltlich sieht sich Lindner in der Tradition der Alt-Liberalen. Statt über Steuersenkungen spricht der Politologe lieber über freiheitliche Werte. Hilfreich in der Außendarstellung ist ihm sein unbestritten herausragendes rhetorisches Talent. Über eine Stunde kann Lindner ohne Manuskript frei und druckreif reden. Im Düsseldorfer Landtag ist er damit zum heimlichen Oppositionsführer avanciert.

Wie lange sich der künftige FDP-Vize noch mit dem trockenen Alltag der nordrhein-westfälischen Landespolitik herumschlagen wird, bleibt offen. Mit dem Stellvertreterposten kann er nun erst einmal seine Machtbasis in Berlin stärken. Sollten die Tage von Parteichef Rösler irgendwann gezählt sein, wird Lindner vorbereitet sein.

Autor: Christian Wolf, dapd