Köln | Das Land NRW zeigt mit seiner Sozialberichterstattung „Integrierte Wohnungsnotfall-Berichterstattung 2020 in Nordrhein-Westfalen. Struktur und Umfang von Wohnungsnotfällen“ dass die Zahl der Wohnungslosen in Köln seit Jahren steigen. Report-K befragte die Parteien und die Stadtverwaltung zu Ursachen und politischen Lösungsansätzen: Das sagt die Kölner Stadtverwaltung.

Die Zahl wohnungsloser Menschen in Köln nimmt seit 10 Jahren zu. Woran liegt es?

Eine differenzierte Betrachtung des heterogenen Personenkreises Wohnungsloser Menschen ist zur Beantwortung dieser Frage sinnvoll. Die Wohnungsnotfallberichterstattung des Landes NRW erfasst quantitativ alle Menschen, die nach dem Ordnungsbehördengesetz zum Stichtag 30.06. eines jeden Jahres untergebracht sind. Gezählt werden Geflüchtete Menschen (in Abhängigkeit von ihrem Aufenthaltsstatus), Wohnungslose Menschen, die Ordnungsbehördlich untergebracht wurden sowie Menschen deren Wohnungen aufgrund anhängiger Räumungsklagen zur Verhinderung von akuter Obdachlosigkeit beschlagnahmt wurden.

Nicht gezählt werden obdachlose Menschen, also Menschen, die weder eine eigene Wohnung haben noch in einer Unterkunft untergebracht sind, sondern „kein Dach über dem Kopf“ haben (sogenannte Straßenobdachlosigkeit). Die Stadt Köln geht nach Schätzungen von rund 300 Personen aus.

Der Anstieg in den vergangenen Jahren ist multikausal zu betrachten.

Ein Anstieg über die letzten 10 Jahre ist zunächst einmal dem Umstand der insgesamt wachsenden Bevölkerung geschuldet, wodurch anteilig auch die Zahl wohnungsloser Menschen steigt.

Ein weiterer Grund für einen Anstieg ist der Umstand, dass im Bereich kommunal ordnungsbehördlicher Unterbringungen eine steigende Verweildauer zu erkennen ist, dies erhöht bei konstanten Neuaufnahmen die Gesamtzahl. Stagnierende Auszüge aus Unterbringungseinrichtungen einhergehend mit längerer Verweildauer sind kausal somit auf fehlenden Wohnraum zurückzuführen. Ebenfalls wächst der Anteil an untergebrachten wohnungslosen Menschen, die aufgrund ihrer langjährigen Straßenbiographie, Sucht- und psychischen Erkrankungen früher altern und chronisch erkranken. Ein Leben auf der Straße ist für diesen Personenkreis nicht mehr zu bewältigen, sie bedürfen einer umfänglichen, auch pflegerischen Betreuung, finden jedoch oftmals im Regelsystem der Heimpflege keine Berücksichtigung.

Alleine im Corona-Pandemie-Jahr stieg die Zahl um nahezu 1.000 Personen. Können Sie das erklären?
Es trifft zu, dass laut der Wohnungsnotfallberichterstattung des Landes NRW, die für Köln ausgewiesene Zahl der nach dem Ordnungsbehördengesetz untergebrachten Menschen um rund 1000 Personen gestiegen ist.
Diese Steigerung ist jedoch nicht in Gänze auf eine tatsächliche Steigerung von wohnungslos gewordenen Menschen zurückzuführen. In dieser Statistik werden zum jeweiligen Stichtag alle Menschen gezählt, die nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen und ordnungsbehördlich untergebracht sind. Hierzu zählen auch Geflüchtete, soweit sie einen gesicherten Aufenthaltsstatus haben und ordnungsbehördlich untergebracht sind. Asylsuchende werden in dieser Statistik nicht erfasst, auch wenn sie in Geflüchtetenunterkünften untergebracht sind.
In den Jahren 2011-2019 wurden allerdings nicht alle untergebrachten Geflüchteten als Wohnungslose gemeldet, da der aufenthaltsrechtliche Status nicht hinreichend bekannt war und nur qualifiziert geschätzt werden konnte. Im August 2019 erfolgte das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustauschesverbesserungsgesetzes-2. DAVG und ermöglichte den Behörden einen besseren Informationsaustausch mit dem Ergebnis, den genauen Aufenthaltstitel der untergebrachten Geflüchteten erfassen zu können.
Zum einen ist dies darauf zurückzuführen, dass nunmehr aufgrund des tatsächlich vorliegenden Aufenthaltsstatus durch den ermöglichten Datenabgleich Geflüchtete im Rahmen der Wohnungsnotfallstatistik gemeldet werden konnten, die bisher bereits auch in den Vorjahren untergebracht waren, aber laut den Vorgaben des Landes nicht „gezählt“ werden durften.
Ein weiterer Anstieg ist auf den Anstieg von Beschlagnahmungen von Wohnraum zurückzuführen. Es ist davon auszugehen, dass in Folge der Corona-Pandemie Menschen entweder ihre Arbeit verloren oder zumindest erhebliche Einkommensverluste hatten, wodurch sie ihre Miete nicht mehr zahlen konnten und die Wohnung fristlos gekündigt wurde. Die Fachstelle Wohnen des Amtes für Soziales, Arbeit und Senioren hat durch eine erhöhte Zahl von Wohnungsbeschlagnahmungen und Übernahme der Mieten Menschen in ihren bisherigen Wohnungen gehalten, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Siehe auch: Antwort auf die erste Frage.
Die steigende Zahl weist darauf hin, dass die Ansätze von Politik und Verwaltung nicht fruchten. Können Sie erklären woran das liegt?
Die Anreize zur Schaffung geförderten Wohnraums fruchten; auch im laufenden Jahr werden die hierfür zur Verfügung stehenden Fördermittel in ganzer Höhe ausgegeben werden können.
Oberstes Ziel im Rahmen der Wohnungslosenhilfe ist die Vermeidung von Obdachlosigkeit. Gleichzeitig gilt es, die Versorgung und Betreuung wohnungsloser Menschen zur Milderung der Folgen von Wohnungslosigkeit sicherzustellen, dies geschieht stets mit der Zielsetzung Beendigung der Wohnungslosigkeit durch Bezug einer eigenen Wohnung.
Die Stadtverwaltung Köln bietet für wohnungslose Menschen ein differenziertes Hilfesystem an – von ausreichend Notschlafplätzen, betreutes Wohnen, Kontakt- und Beratungsstellen, humanitäre Hilfe, Streetwork, etc.
Diese umfangreichen Angebote verhindern weiterhin wirksam das Leben auf der Straße. Hier sei außerdem darauf hingewiesen, dass die Stadt jedem Menschen eine Unterkunft ermöglicht; oftmals wollen oder können obdachlose Menschen diese Hilfe jedoch nicht annehmen.
Innerhalb des letzten Jahres ist es (auch unter Pandemiebedingungen) gelungen, das Kölner Hilfesystem mit immensem Einsatz insbesondere auch durch die Freien Träger der Wohnungslosenhilfe in den Bereichen Beratung/Unterstützung und auch im Bereich ordnungsbehördlicher Unterbringungen nicht nur zu halten, sondern sogar auszuweiten.
Die Bemühungen, betroffenen Menschen aus der Wohnungslosigkeit heraus zu helfen, werden durch weiterhin nicht ausreichenden bezahlbaren Wohnraum behindert.
Gibt es neue Ansätze, die die Verwaltung in den politischen Prozess einbringen wird?
• Das Projekt Housing First beispielsweise, in Kooperation mit den Trägern Vringstreff e. V., Sozialdienst kath. Frauen e. V. Köln (SkF) und Sozialdienst Kath. Männer e.V. Köln (SKM) ist gestartet und wird weiterentwickelt. Housing First kann jedoch nur dann einen dauerhaften Beitrag zur Verringerung von Wohnungslosigkeit leisten, wenn ausreichend angemessener Wohnraum zur Verfügung steht.
• Das Projekt „OMZ“ (Obdachlose mit Zukunft) wird von Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft ferner als ein mögliches weiteres Zukunftsprojekt betrachtet, begleitet und unterstützt, in dem obdachlose Menschen in weitgehender Selbstverwaltung einen Halt in ihrem Leben suchen.
Wie können solche operativ schnell umgesetzt werden, da Hilfe ja nicht langsam sondern schnell von Nöten scheint?
• Eine beschleunigte Umsetzung neuer Housing-First-Projekte setzt natürlich das Vorhandensein weiteren Wohnraums voraus. Derzeit werden immerhin sechs Menschen in diesem Projekt begleitet.
• Es besteht eine nachhaltig hohe Nachfrage nach günstigem Wohnraum auf dem Kölner Wohnungsmarkt. Insbesondere durch junge Menschen in Ausbildung und Studium und durch Familien sowie durch Menschen in prekären finanziellen und sozialen Verhältnissen. Anerkannte Asylbewerber*innen und als Geflüchtete anerkannte Personen bilden nur einen kleinen Teil der Personen, welche auf den Wohnungsmarkt drängen und stehen in entsprechender Konkurrenz. Dieser Personenkreis steht vermutlich zusätzlichen Vorbehalten privater Vermieter*innen gegenüber aufgrund ihres jeweiligen Migrationshintergrundes.
Es besteht ein Auszugsmanagement seitens des Amtes für Wohnungswesen, welches mit Hilfe von sozialen Träger*innen und ehrenamtlichen Unterstützer*innen laufend versucht, Geflüchtete mit sicherer Bleiberechtsperspektive bei der Wohnraumsuche auf dem freien Wohnungsmarkt zu unterstützen.
Wie bewerten und unterstützen Sie Initiativen wie das OMZ?
Im Rahmen der Räumung des besetzten Hauses Bonner Straße 126 wurde eine ordnungsbehördliche Unterbringung der dortigen Personen in einem angemieteten Objekt der Stadt Köln ermöglicht, so dass eine Obdachlosigkeit als Gefahr für die öffentliche Sicherheit abgewendet werden konnte (vgl. § 14 Ordnungsbehördengesetz NRW).
Die Mitglieder Wohnungslosenprojekt OMZ leben und arbeiten seit Anfang des Jahres in Deutz. Das Projekt wird mit Unterstützung des Amtes für Wohnungswesen und des Amtes für Arbeit, Soziales und Senioren der Stadt Köln fortgeführt und weiterentwickelt: Zur Unterstützung der Prozesse in dieser Erprobungsphase wird den Bewohnenden seitens des Amts für Soziales, Arbeit und Senior*innen zukünftig eine sozialarbeiterische Unterstützung zur Seite gestellt werden. Die grundsätzliche Idee und Vorhaben, ein Wohnobjekt selbstverwaltende zu gestalten, wird positiv bewertet.
Rechnet die Stadt Köln mit weiter steigenden Zahlen?
Die zukünftigen wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind aktuell nicht abschätzbar. Wie viele Menschen zukünftig in Existenznöte und Mietzahlungsschwierigkeiten geraten werden und somit von Wohnungslosigkeit betroffen sein, werden bleibt abzuwarten. Die Entwicklung des Kölner Wohnungsmarktes bleibt ebenfalls abzuwarten.
Aus baulicher Sicht:
Die Stadt Köln versucht mit vielfältigen Instrumenten dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum entgegenzuwirken.
Eins der wichtigsten Instrumente ist das Stadtentwicklungskonzept Wohnen (StEK Wohnen), das 2014 mit großer Mehrheit vom Rat beschlossen wurde.
Das StEK Wohnen legt in acht Handlungsfeldern mehrere Maßnahmenvorschläge dar, um den zentralen Herausforderungen Kölns als wachsende Metropole begegnen zu können. Hierzu zählt insbesondere die Sicherung von bezahlbarem Wohnraum in einem zunehmend angespannten Wohnungsmarkt.
Zu den zentralen Instrumenten zählen das Wohnungsbauprogramm, das Kooperative Baulandmodell und die Vergabe stätischer Grundstücke nach Konzeptqualität, welche die kontinuierliche Bereitstellung von preiswertem und öffentlich gefördertem Wohnungsbau sichern sollen. Das Instrument „soziale Erhaltungssatzung“ wird eingesetzt, um die Wohnungsstruktur im Bestand zu erhalten, Verdrängung zu verhindern und beabsichtigte Modernisierungsmaßnahmen sozialverträglich umzusetzen.
Konzeptvergabe als Vergabeinstrument: soll beispielsweise die Schaffung von bezahlbarem, zielgruppenorientiertem, energieeffizientem und/oder städtebaulich attraktivem Wohnungsbau auf städtischen Flächen.
Kooperative Baulandmodell: Schaffung neuer öffentlich geförderter Wohnungen. Bauherr*innen, Investor*innen, Vorhabenträger*innen werden bei Planvorhaben, die eine Bebauungsplanung benötigen verpflichtet, 30 Prozent der Wohnungen im öffentlich geförderten Segment zu errichten – vorausgesetzt es entstehen mehr als 20 Wohneinheiten.
Gleichzeitig werden sie stärker in die Pflicht genommen, sich an den ursächlichen Folgekosten ihrer Vorhaben zu beteiligen. Beispielsweise für Kindertagesstätten, Grünflächen und Spielplätze. Aktuell laufen stadtweit mehr als 50 Planverfahren mit einem Anteil von insgesamt mehr als 4.800 öffentlich geförderter Wohnungen.
Zudem wurde die Wohnungsbauleitstelle in der Verwaltung eingerichtet, um durch frühzeitige Beratung, Betreuung und verwaltungsinterne Koordination größerer Flächen, eine zügigere Entwicklung zu ermöglichen.

Hinweis der Redaktion: Auch die anderen demokratischen Fraktionen im Kölner Rat sind angefragt.
In der Liste finden Sie die Antworten der Parteien, die sich bislang äußerten:
https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-Koeln/Steigende-Wohnungslosigkeit-in-Koeln-das-sagt-die-Koelner-Linke-148517
https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-Koeln/Steigende-Wohnungslosigkeit-in-Koeln-das-sagt-die-Koelner-SPD-148619
https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-Koeln/Steigende-Wohnungslosigkeit-in-Koeln-das-sagen-die-Koelner-Gruenen-148780
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Die Berichterstattung zur Sozialberichterstattung des Landes NRW finden Sie hier:
https://www.report-k.de/Koeln-Nachrichten/Koeln-Nachrichten/Wohnungslosigkeit-steigt-in-Koeln-Koeln-ist-unruehmlicher-Spitzenreiter-in-NRW-148491

https://www.report-k.de/Politik-Nachrichten/Politik-NRW/Mehr-Wohnungslose-in-NRW-im-Jahr-2020-148481

Autor: Andi Goral