Köln | Das Kölnische Stadtmuseum zeigt studentische Arbeiten der FH Köln, die sich mit dem Bismarck-Turm in Köln-Marienburg beschäftigen. Denn das Museum zeigt derzeit die Ausstellung „Achtung Preussen! Köln 1815-2015“ in der Alten Wache. Die Studenten von Professor Paul Böhm beschäftigten sich mit dem Denkmal, dass derzeit vor allem durch Nichtsichtbarkeit glänzt, schlagen eine neue Sichtbarkeit und alternative Nutzung vor.

Die „Wacht am Rhein“

Der Kölner Bismarck-Turm trug den Namen „Wacht am Rhein“ und war kein Aussichtsort, sondern eine Feuersäule, wie die meisten der Türme. Bismarck polarisierte über eine lange Zeit. Heute gibt es Stimmen, die sagen der Mythos sei gebrochen, Bismarck sei zu einer Figur der Geschichte geworden. Zu seinem 80. Geburtstag am 1. April 1895 reisten auch 5.000 Studenten vornehmlich aus den Burschenschaften nach Friedrichsruh, wo der ehemalige Reichskanzler seinen Altersruhesitz gewählt hatte. Man trägt Bismarck 450 Ehrenbürgerschaften an, 45 hat er zu diesem Zeitpunkt bereits. Das ist der Mythos Bismarck. 1898 stirbt Bismarck. Man geht davon aus, dass mit dem Tod rund 700 Bismarck-Denkmäler geplant und 500 auch realisiert werden. Aber nicht der Staat finanziert diese, sondern private Initiativen, so auch in Köln. Dort tut sich Schokoladenfabrikant Heinrich Stollenwerck hervor, der nebenan in Marienburg eine Villa besitzt.

Türme als öffentliches Zeichen für den Mythos Bismarck?

240 Bismarck-Türme werden im gesamten Land errichtet, über 140 sind heute noch erhalten. Auch im Rheinland. Dort sind es alleine 23. In Bonn sind es zwei, aber die Bonner Burschenschaft Alemannia zu Bonn hatte sich in der Verehrung für Bismarck besonders hervorgetan. Am 3.12.1898 riefen die Studenten, die sich damals in Hamburg trafen, dazu auf „gewaltige granitene Feuerträger“ zu errichten. In einem elektronischen Faksimile auf der Website bismarcktuerme.de heißt es: „Eingedenk ihrer Aufgabe, allezeit Hüterin des nationalen Gedankens zu sein, hat die akademische Jugend aller Universitäten und Hochschulen Deutschlands sich geeinigt, eine allgemeine Kundgebung des deutschen Volkes für unsern dahingeschiedenen Altreichskanzler anzuregen, die dem Unvergeßlichen ein bleibendes, würdiges und volkstümliches Wahrzeichen vaterländischen Dankes aufrichte. Nicht ein einzelnes Monument von blendender Pracht, mehr ein Schaustück für tausende Fremde wie Gemeingut der deutschen Volksgenossen, soll dem schlichten Helden erstehen.

Wie vor Zeiten die alten Sachsen und Normannen über den Leibern ihrer gefallenen Recken schmucklose Felsensäulen auftürmten, deren Spitzen Feuerfanale trugen, so wollen wir unserm Bismarck zu Ehren auf allen Höhen unserer Heimat, von wo der Blick über die herrlichen deutschen Lande schweift, gewaltige granitene Feuerträger errichten. Überall soll, ein Sinnbild der Einheit Deutschlands, das gleiche Zeichen erstehen, in ragender Größe, aber einfach und prunklos, auf massivem Unterbau eine schlichte Säule, nur mit dem Wappen und Wahlspruch des eisernen Kanzlers geschmückt. Keinen Namen soll der gewaltige Stein tragen, aber jedes Kind wird ihn dem Fremden deuten können: „Eine Bismarcksäule!“ Im weiteren verherrlicht der Text das Nationale und überhöht es. Der Text wurde damals an alle Zeitungen verschickt. Die Feuer brannten am 1. April an Bismarcks-Geburtstag und die Studenten gedachten Bismarck am Tag der Sommersonnwende am 21. Juni, wegen der Semesterferien. Auch am Sedantag wurden die Feuer entzündet. An diesem Tag, dem 2. September 1870 kapitulierte die französische Armee bei Sedan, der französische Kaiser Napoleon III wurde gefangen genommen. Kaiser Wilhelm I allerdings erklärte den Sedantag allerdings nie zum offiziellen Feiertag. Allerdings wurde er an Schulen und Universitäten auf Anordnung des preußischen Kultusministeriums gefeiert.

Nazis nutzten 1933 den Mythos Bismarcks

Nicht vergessen werden darf, dass auch die Nationalsozialisten sich den Bismarck-Kult des bürgerlich-national gesinnten Lagers zu Nutze machten. Am 1. April 1933 erklärte Joseph Goebbels, Propagandaminister der Nationalsozialisten im Radio: „Bismarck war der große staatspolitische Revolutionäre des 19. Jahrhunderts. Hitler ist der große staatspolitische Revolutionär des 20 Jahrhunderts.“ Auch nach dem II. Weltkrieg wurde um die Rolle Bismarcks unter Historikern heftig gestritten. Die heutige Bundesrepublik, eingebunden in die europäische Gemeinschaft hat mit dem autoritären System, das Bismarck Vorbild war, nichts mehr zu tun. Der Mythos von Bismarck verblasste so stetig.

Die „Wacht am Rhein“- Heute das versteckte Denkmal an das sich nur wenige erinnern

In Köln ist der Bismarck-Turm eigentlich nicht mehr sichtbar. Er ist umwachsen von Bäumen und dürfte nur Hundebesitzern vom Gassi gehen bekannt sein. Die meisten Autofahrer oder KVB Fahrgäste rauschen am Gustav-Heinemann-Ufer vorbei, ohne zu wissen, was dort steht. Böhm und seine Studenten haben nun öffentlich das Denkmal freigelegt, dass bisher nur dann in die Schlagzeilen findet, wenn es um seinen Restaurierungskosten, zuletzt 330.000 Euro geht. Der Reigen der Vorschläge ist bunt. Eine Studentin will das Denkmal schleifen, ihm die Feuerschale nehmen, ein anderer eine Klettersäule für den deutschen Alpenverein daraus machen. Davor soll dann über das Denkmal informiert werden. Ein anderer will es entbismarckisieren und einen Roland daraus machen. Denn Bismarck ist in der Figur eines sitzenden Roland in der „Wacht am Rhein“ dargestellt. Dazu soll es dann ein Bistro geben. Immerhin kommt auch die Idee als einem Ort der politischen Bildung bei den meisten Entwürfen vor. Eines haben alle Entwürfe gemeinsam, sie würden den Kölner Bismarck-Turm aus seiner Vergessenheit wieder ins Sichtfeld der Kölnerinnen und Kölner rücken. Auch in das Sichtfeld einer schlagenden Burschenschaft, der Germania, die gegenüber in einer Villa residiert, über der die Schwarz-Weiß-Rote Fahne weht und wo man heute noch die drei Strophen des Deutschlandliedes singt. Ausländer, wie auch Frauen nimmt man nicht auf. Dies erklärt man damit, dass man niemandem der kein Deutscher sei, ein Bekenntnis zu unserem Vaterland abverlangen könne und wolle. Man erteile rassistischen Vorstellungen eine eindeutige Absage, heißt es weiter. Köln ganz rechts führt die Burschenschaft Germania auf und nennt aus den 90er und 70er Jahren Aktivitäten, die am rechten politischen Rand angesiedelt waren. [Link zum Artikel über die Burschenschaft Germania auf der Webseite Köln ganz rechts]

Muss man das Denkmal reaktivieren?

Bevor man also jetzt über die Wiederentdeckung des Bismarck-Denkmals jubelt und eine neue Nutzung fordert, sollte auch das Umfeld und die politische Einordnung sauber und sorgfältig überlegt werden, anstatt nur über eine neue Eventlocation nachzudenken. Auch eine historische Einordnung der Person und des Denkmals sollte erfolgen. Und vielleicht ist das eingewachsene und nicht auf den ersten Blick sichtbare Denkmal heute genau die richtige historische Rezeption des Politikers Bismarck, dessen Mythos eben gebrochen ist? Denn der Bismarck-Turm steht für eine überkommene Tradition, Denkmäler zur Propaganda für herrschende Ideen zu nutzen und über diese gesellschaftspolitische Wirksamkeit zu erzeugen.

Autor: Andi Goral
Foto: Ein Student will aus dem Bismarck-Turm eine Kletterlocation für den deutschen Alpenverein machen. Das Porträt des ehemaligen Reichskanzlers soll auf eine Rolandstatue reduziert werden und am Gustav-Heinemann-Ufer soll eine Informationsstelle entstehen.